laut.de-Kritik
Gegensätze ziehen sich an.
Review von Stefan JohannesbergApollo Brown und Benny The Butcher sind ein perfect Match wie Steffi Graf und André Agassi. Wer braucht schon KI, Machine Learning und Algorithmen, wenn sich DJ Invasion für "Plugs At The Apollo" bekannte Drogen-Storys von Benny nimmt und für diese immer den optimalen Boom Bap-Beat von Brown pickt? Der Griselda-Rapper steigt mit den im Vergleich zu seinen Originaltracks härteren Snares und Soul-Samples in erhabene Wu-Tang-Gefilde auf. Wer bei "Dirty" nicht heftigst mit dem Kopf nickt und in der S-Bahn das W-Symbol mit den Fingern formt, hat Rap nie geliebt. Wie schon auf dem ähnlich bangenden Alchemist-Brett "Johnny P's Caddy" vom Album "Tana Talk 4" aus dem Jahre 2022, rollt der Buffalo Native mit diesen energetischen Drums seine Punchline Blunts besonders tight.
"Headlines" beginnt mit einem abgehangenen Nancy Sinatra-"Bang Bang"-Sample, entwickelt aber eine hektische Stimmung wie "Daytona 500" von Ghostfaces Debüt "Iron Man". Der Gitarrenloop könnte sogar identisch mit dem Rza-Klassiker sein. Das gesamte Griselda-Camp mit Conway und Westside Gunn ist am Start, die Lyrics stammen vom gleichnamigen DJ Premier-Song, und siehe da: Als Westside die Zeilen "Ayo, out in Daytona, Rolex Daytona" droppt, blendet DJ Invasion doch noch glatt einen Beat ein, der auch auf "Supreme Clientele" laufen könnte. Introvertierter dreht "All I Need" auf der 8 Mile in Detroit seine Runden, doch spätestens als Raekwon aus Staten Island vorbeischaut, kann sich Benny im Lichte der glänzenden Cuban Linx im Kreise der Wu-Gambinos sonnen.
Doch auch Apollo Brown gewinnt in diesem Setup. Sein stets bodenständiger, melancholischer Motown-Sound funktioniert wunderbar mit Bennys realistischen, nahbaren Gangster-Geschichten. Die wundervollen, breiten Streicherharmonien in "Choices" geben Bennys "Survivor's Remorse"-Versen eine epische Tiefe: "I was the best cook / Stepped on work with my right and left foot / Before you even knew how a connect look / You know my pot game is textbook / Who sold more dope than us except Push". Ähnlich gut kommt das noch souligere, fast poppige "Fairy Tales". Gegensätze ziehen sich eben an. Dank DJ Invasion treffen sich hier zwei Künstler auf der Straße, aus unterschiedlichen Richtungen kommend, doch sie bonden asap. Reality Rap are the songs they sing.
Es gibt keinen einzigen Ausfall oder latenten Off-Beat-Fremdscham-Moment auf "Plugs At The Apollo". "Kill Or Be Killed" mit den Cuts von DJ Swab als Hook knackt jeden Nacken. "Praise Pyrex" spielt mit Claptons "In The White Room". "Proof In The Bricks" schleicht böse wie ein Havoc-Beat mit fiesen Bass-Lines und vibrierenden Synthies durchs Ghetto. Nur "The Wire" bietet mit einem Drumless-Loop und zerbrechlich-einsamer Gitarre Boldy James, Styles P und Benny eine kurze Kick-Snare-Pause.
Dachte man über DJ Invasion vorher, er sei nur eine bei Wish bestellte DJ Green Lantern-Version, steigt er mit diese Tape locker zum legendären Mixtape-Mash-Up-Guru auf. Sein "Plugs At The Apollo" steht neben "Butcher on Steroids" vom besagten DJ Green Lantern aus dem Jahr 2017 in den Top Five aller Benny The Butcher-Projekte. (Die anderen könnten sein: "17 Bullets", "The Plugs I Met" und "Tana Talk 4", oder?) Wer genauso süchtig nach dieser Combo ist wie der Rezensent, checkt die Outtakes und B-Seiten.
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