laut.de-Kritik
Diese Lovers kommen nicht zum Kuscheln.
Review von Gil BielerDie als neue Supergroup des Metalcore gehypten Better Lovers knallen der Welt mit "Highly Irresponsible" ihr Debütalbum vor den Latz. Zehn Songs, die vor Energie strotzen und unterstreichen: Hochgradig unverantwortlich wäre es gewesen, ließen diese Musiker ihre Instrumente in der Ecke verstauben, nur weil ihre alten Kapellen (fast) nicht mehr sind.
Better Lovers vereint drei Mitglieder der unrühmlich zerfallenen Szenegröße Every Time I Die, namentlich Jordan Buckley (Gitarre), Stephen Micciche (Bass) und Clayton Holyoak (Drums). Mit Greg Puciato, dem einstigen Schreihals von The Dillinger Escape Plan (die ohne ihn gerade halbwegs wiederauferstanden sind), und dem eh schon länger freundschaftlich verbundenen Fit For An Autopsy-Gitarristen Will Putney fanden sie Verbündete, die ebenfalls reichlich Erfahrung im organisierten Lärmen vorzuweisen haben. Dass die neue Truppe keinerlei Anlaufzeit braucht, zeigten die letztes Jahr veröffentlichte EP "God Made Me An Animal" und die fleißigen Touraktivitäten.
Jetzt erstmals auf Albumlänge, und auch da klingen Better Lovers in etwa so, wie man es von den Beteiligten erwarten konnte. Metalcore, Mathcore und melodiöse Einsprengsel prägen das Geschehen. Wer hinter dem Bandnamen eine smoothe R'n'B-Combo erwartet, wird ja durch das Plattencover gewarnt: Hier fliegen einem die Riffs, Dissonanzen, Kampfschreie und Drumattacken um die Lauscher.
Seltsamerweise ist ausgerechnet der Eröffnungstrack "Lie Between The Lines" einer der schwächsten. Zwar sind schon alle prägenden Elemente vorhanden: die am Nervenkostüm reißenden Gitarrenriffs, das hämmernde Schlagzeug, auch Puciato packt mit wütendem Geschrei und melodischem Gesang mehrere Facetten seines Könnens aus. Ja, sogar ein Gitarrensolo bringt eine unerwartete Note rein. Aber so richtig Flow entwickeln, das will dieser Stampfer nicht. Ein zäher, unfokussierter Einstieg ins Album.
Ab hier lassen Better Lovers dann nichts mehr anbrennen. Das Intensitätslevel wird hochgeschraubt, die Hörer*innen prallen wie ein Fliegengewicht im Pit links und rechts in massive Riffwände. Die Songs explodieren genauso rasch wie sie implodieren, Takt- und Tempowechsel allerorts, natürlich auch Breakdowns, kennt man ja. Wer auch nur eine der Vorgängerbands dieser Kombo vermisst, erhält mit "Highly Irresponsible" ein höchst wirksames neues Präparat. Das heißt natürlich gleichzeitig, dass die New Yorker das Rad keineswegs neu erfinden. Aber wenn die kombinierten Stärken so eindrücklich sind, ist das wohl auch nicht wirklich die Mission.
Besonders erfreulich ist, dass die Songs trotz der sie verbindenden DNA einen eigenständigen Charakter entwickeln. Schon nach wenigen Hördurchläufen sitzt die Orientierung, was bei auf Krawall angelegten Alben ja keine Selbstverständlichkeit ist. Ebenso große Freude bereitet es, Greg Puciato beim Austicken zuzuhören. Der Kerl ist mit einer außergewöhnlich variablen und mächtigen Stimme gesegnet. Zwar ist er seit dem Dillinger-Ende keineswegs untätig geblieben, mit Better Lovers erhält er jetzt aber wieder ein Vehikel, das die passenden musikalische Kapriolen schlägt, auf denen er sich mit Glanz und Gloria austoben kann. Er schreit, keift, flüstert und singt sich die vor Zynismus und Sarkasmus triefenden Zeilen wie ein Wahnsinniger von der Seele. "Open me up, open me up / Hope is what you won't find", röhrt er etwa in "Drowning In A Burning World", und: "We're all pigs before the pearls". Der passende Priester für die globale Großwetterlage.
Musikalisch adäquat, gehen Buckley und Co. die meiste Zeit wie ein Abrisskommando ans Werk. Ob mit dem HC-lastigen "Your Misplaced Self", dem vertrackten "Future Myopia", dem hyperaktiv-zappeligen "Drowning In A Burning World" oder dem böse betitelten "Superman Died Paralyzed", die Nackenmuskulatur wird ordentlich stimuliert. Dasselbe macht das als Single auserkorene "A White Horse Covered In Blood", das dank rock'n'rolligem Groove und eingängigem Refrain den Molotowcocktail für einmal unverschämt locker aus der Hüfte schleudert. Macht Laune, trotz der Bad-Vibe-Lyrics. "Gonna be hard to handle when you melt down", spottet der Sänger geradezu gallig. Danke, wenn der Soundtrack passt, verelendet es sich schon leichter.
Die Gitarrenarbeit von Buckley/Putney ist herauszustreichen. Die beiden arrangieren kantige Riffs, lässige Licks, Zupfpassagen und klug gesetzte Pausen gekonnt, sodass in all der Aggression kaum einmal Langeweile aufkommt. Bis auf wenige Passagen schweift der Geist nur selten gelangweilt (oder übersättigt) ab. Im bereits erwähnten "Superman Died Paralyzed" passiert mir das wohl am häufigsten.
Akzente setzt die Band vor allem in der zweiten Albumhälfte, wo sie auch mal das Tempo rausnimmt und die Musik atmen lässt. Das melodiösere, aber immer noch heavy drückende "Deliver Us From Life" besticht mit wehmütiger Atmosphäre, die an Faith No More oder Dillinger zu Zeiten von "One Of Us Is The Killer" erinnert. "At All Times" ist ähnlich ruhig gehalten und lässt beim ersten Hördurchgang schon den hymnischen Schlusspunkt vermuten. Tatsächlich könnte an dieser Stelle gut der Vorhang fallen, denn der abschließende Wutbrocken "Love As An Act Of Rebellion" bringt zwar noch ein paar fette Basslines, alles in allem jedoch nichts Neues auf den Tisch. Wahrscheinlich wollten sich die neuen Lovers halt nicht zu lieblich verabschieden.
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