laut.de-Kritik
Dem Groove-Dompteur fehlt allerhöchstens ein echter Hit.
Review von Dani FrommDen Sound der 60er und 70er beherrschen zwar längst nicht alle, die es versuchen, zumindest aber doch einige - man denke nur an Sharon Jones und ihre großartigen Dap Kings. In die Gegenwart überführtem Funk, Soul oder Afrobeat, der tatsächlich ein neues, modernes Level erreicht hat, begegnet man trotz der über die Charts hinweg geschwappten Retro-Welle doch eher selten.
Dafür muss offenbar erst ein Franzose kommen. Gut, ein Franzose allein wird nicht reichen. Es braucht schon ein Kind zentralafrikanischer Einwanderer, das als Diplomatensohn Einblick in die Kulturen und Musikstile mehrerer Kontinente bekam. Es braucht einen begnadeten Bassspieler, einen Groove-Dompteur. Es braucht einen charismatischen Vokalisten. Es braucht Bibi Tanga.
Der Mann, der sich als der Erbe des Vermächtnisses schwarzer Musik aus aller Welt versteht, inszeniert seine Vision von Funk mit der Unterstützung seines Kollaborateurs, des DJs und Produzenten Professeur Inlassable. Für Rückendeckung sorgt zudem seine Band, die Selenites, an den Instrumenten.
Den Viersaiter lässt sich Bibi Tanga dabei natürlich nicht aus der Hand nehmen. Mit seinen Bassläufen übernimmt der Groove die Regentschaft über die aus zahllosen Details zusammengeloopten und -collagierten Soundlandschaften.
In "The Moon" vereinen sich beispielsweise Kirchenorgelklänge mit Vogelgezwitscher und Streichern. Stete Wiederholungen lassen meditative Stimmung aufkommen, entführen stellenweise gar in eine angenehm leichte Trance. Ohne den Fluss zu stören bewahren fast unmerkliche Nuancierungen vor der Monotonie.
Bibi Tangas Bass steht im Zentrum des Geschehens. Mal flankieren ihn Funk-Gitarre und Streicher ("Red Wine"), mal dem Afrobeat entliehene Percussion und Gesänge in der Sprache seines Heimatlandes, auf Sango ("Dunya", "Pasi"). "Let Them Run" kreiert rund um eine Akustikgitarre im Singer/Songwriter-Style ein komplexes Panorama.
In "Swing Swing" vermeint man, ein altes Radio dudeln zu hören, das Evergreens von knisternden Schellackplatten spielt. Wie bei allen Tracks auf "Dunya" scheint auch hier das Melodie-Geflecht, der ganze akustische Kosmos, aus scheinbar zufällig aufgeschnappten Fetzen zu erwachsen.
Die Kunst Bibi Tangas und seiner Mitstreiter besteht darin, aus angestaubten Versatzstücken etwas Glitzerndes, etwas ganz Neues zu erschaffen. Dabei bedienen sie sich querbeet bei den Genres von Jazz bis Hip Hop, hier chillig ("Gospel Singers"), da mit treibenden Drums ("Shine") - oder aber gleich als knackiger Disco-Funk, strikt für den Tanzboden ("It's The Earth That Moves").
Auch Bibi Tangas Stimme überschreitet Grenzen, pendelt zwischen Falsettgesang und Spoken Word-Performance, nähert sich immer wieder dem Rap an. Bodenständige, ewige Wahrheiten ("Red, red wine make me feel so fine.") stehen geradezu entrücktem Gesang gegenüber.
Im Grunde fehlt dem durchgehend exquisit hörbaren "Dunya" allerhöchstens ein herausragender Moment, ein echter Hit. An Bibi Tangas Hauptdirektive bleibt jedoch kein Zweifel: "I ain't got nothin' to proove - I got the groove."
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