laut.de-Kritik
Sanft dem vertonten Nichts entgegen schweben ...
Review von Alexander CordasEs gibt sie, die Alben, in deren Sound man einfach nur eintauchen möchte. Getragen von angenehmen Klängen und Effekten nahe am geräuschlichen Nichts, bieten sie einem die Möglichkeit, in ein Paralleluniversum einzusteigen, das sich vom hektischen Wumms und der Aufgeregtheit des medialen Alltags abhebt. Nichts schreit einem ins Gesicht, da ist genügend Raum, um die eigenen Gedanken im Gleichklang mit der Musik schweben zu lassen.
Nein, hier geht es nicht um drogengeschwängerte Sounds vom Mars, die erst mittels Pilz- oder LSD-Flash ihre Wirkung entfalten. Geir Jenssen aka Biospere fungiert als Geburtshelfer für Kollagen aus seinem Klanglabor, die scheinbar wie von selbst den Weg in die Welt finden. Anders sind die wunderbaren tonalen Skulpturen kaum zu erklären.
Alles beginnt mit einer simplen Tonfolge, die auch eine Durchsage auf einem Bahnsteig ankündigen könnte. Begleitet von einem merkwürdigen Hintergrundrauschen flirren viereinhalb Minuten rhythmisch unregelmäßig Töne hin und her. Bis dann mit "Dissolving Clouds" tatsächlich der Himmel aufzieht und der Blick wieder klarer wird. Hier kommt wieder der erwähnte Bahnsteig in den Sinn, denn auf einmal zieht das Tempo sanft an. Eine Geräuschkulisse wie ein fahrender Zug rattert voran, Keyboardflächen (die auch als solche erkennbar sind) greifen sich ihren Raum, und auf einmal ist er da, der Jazz. Sanft hoppelnde Hihat-Sounds und Besen-Samples sind mit das Letzte, was man von einer Biosphere-Platte erwarten konnte, nach all den Jahren, in denen Jenssen sanft dem vertonten Nichts entgegen schwebte.
Und dann das. Aber egal, da haben wir sie wieder, diese nordische Kühle, gepaart mit organischer, menschlicher Wärme. Das erzeugt eine Stimmung, gerade so, als genieße man in einer absolut lebensfeindlichen, eisigen Umgebung mit seinem besten Freund ein Gläschen Rotwein, in die wärmsten Pullis gemümmelt, die man sich nur vorstellen kann. Den stringenten Faden führt Jenssen weiter, steigert die Geschwindigkeit nochmals, flankiert von allerlei verfremdeten Sprachsamples. Die Strömung, die sein Sound hinterlässt, wärmt in der Tat so, wie es der Trackname verlauten lässt.
Im Vergleich zu den manchmal bedrückenden, tiefschwarzen Sound-Sphären der früheren Biosphere-Ära ("Microgravity", "Patashnik"), klingt "Dropsonde" an manchen stellen richtiggehend heiter. Der Frühling kann kommen, selbst wenn das Album auf Vinyl schon einige Monate auf dem Buckel hat. Die Fraktion der CD-Hörer darf sich das neueste Opus Dei aus dem Hause Jenssen ganz unbesorgt in den Player schieben und zigmal wieder von vorne hören. Es gibt genug zu entdecken.
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