laut.de-Kritik

Künstlerisch alles erreicht, an Deutschland gescheitert.

Review von

Einige Jahre später stellt sich jedem Blackmail-Fan immer noch die Frage, warum diese Band eigentlich nie den ganz großen Durchbruch schaffte. Gerade die ersten drei Alben gehören mit zum Besten, das Indie-Deutschland heraus brachte. Dank der Werkschau "1997-2013" bekommen nun die Jüngeren eine Chance, in den Kosmos dieser besonderen Rockband einzusteigen. Für Fans gibt es noch die Bonus-CD mit Raritäten. Das Cover des Tears For Fears-Songs "Mad World" klingt nett, aber gerade "Slow Summer", das wie eine Mischung aus At The Drive In und Oasis tönt, hätte auf jeden Fall seinen Platz auf einem der regulären Alben verdient gehabt.

Kenner der Band wissen, dass die sich in zwei Phasen aufteilt: Sänger Aydo Abay war bis zu seinem Ausstieg 2008 der charismatische Sänger, dem immer eine Nähe zu Brian Molkos nasalem Gesang nachgesagt wurde. In seine Zeit fallen die Alben "Bliss, Please", "Friend Or Foe?", "Aerial View" und "Tempo Tempo"

Die für deutsche Verhältnisse trockene Produktion von Gitarrist Kurt Ebelhäuser ließ die Band nicht nach deutscher Provinz, sondern eher nach Amerika oder England klingen. Das treibende "It Could Be Yours" erinnert trotz der feinen Melodie in der Tat etwas an die frühe Teenage Angst von Placebo, ist aber immer noch zu kantig, um den Weg in die deutsche Radiolandschaft zu schaffen.

Gerade "Friend Or Foe", das in diesen Tagen wiederveröffentlicht wird, zeigt Blackmail auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Der noisige Indie-Rock klang endgültig so wuchtig und die Melodien so ausgearbeitet, dass es damals in der Rezension vollkommen zurecht hieß: "Wären Blackmail Amerikaner, würden sie Millionen Platten verkaufen, zusammen mit den Queens Of The Stone Age auf Tour gehen und sich die Billboard-Charts von ziemlich weit oben anschauen." Der große Erfolg des radiofreundlichen Sounds von Wir Sind Helden und Sportfreunde Stiller versperrte diesen Weg nach weit oben endgültig. 2003 wollten alle mit "Aurelie" durch den Berliner Festivalsommer tanzen, und zu wenige Menschen Sänger Aydo Abay dabei zusehen, wie er um 12 Uhr über brachiale Rock-Sounds düstere Themen wie Angst oder Wut hinaus schrie.

Einem so wütenden Brocken folgte das etwas poppigere "Aerial View", spätestens mit "Tempo, Tempo" war - anders als es der Albumtitel suggeriert - die Luft und letztendlich auch Abay raus. Es bekommt trotzdem gleichberechtigt wie die anderen Alben seinen Platz auf der Best-Of und mit "It's Always A Blast" gibt es noch einmal ein großes Highlight aus dieser insgesamt sehr prägenden Ära, die auch den Großteil der Best Of-Tracklist abbildet.

Rein gesangstechnisch mussten sich die Fans nicht groß umstellen, da der neue Sänger Mathias Reetz beinahe identisch klang. Aus der Spätphase der Band gibt es noch das opulente "Deborah" und das majestätische "Impact" mit seinen gespenstischen Chor-Klängen. Auch ohne ihren ersten charismatischen Sänger kommen die Brüder Ebelhäuser zumindest teilweise wieder an das hohe Niveau der Anfangszeit heran. Doch der nun fetteren Produktion fehlte die Emotionalität der Frühphase.

Seit 2013 hört man leider nichts mehr von Blackmail. Das Best Of-Album steht somit erst einmal als Grabstein auf einer interessanten Karriere, in der vieles möglich schien und immerhin künstlerisch sehr viel erreicht wurde. Eine Singles-Band waren die Koblenzer allerdings trotz der gelungen Auswahl auf "1997-2013" nie wirklich, also sollte man nach diesem Einstieg auf jeden Fall die Alben und deren besondere Stimmung nachholen.

Trackliste

Best Of

  1. 1. When I Start Today
  2. 2. Gone Too Soon Too Far
  3. 3. Ken I Die
  4. 4. Same Sane
  5. 5. Airdrop
  6. 6. It Could Be Yours
  7. 7. Moonpigs
  8. 8. Everyone Safe
  9. 9. (Feel it) Day By Day
  10. 10. It's Always A Fuse (To) Live At Full Blast
  11. 11. Deborah
  12. 12. Nightschool
  13. 13. Impact

Rare Tracks

  1. 1. Today
  2. 2. The Light Of The Son Is The Son Of The Light
  3. 3. Booth Baby
  4. 4. Euthanasia
  5. 5. Foe
  6. 6. Slow Summer
  7. 7. Love Like Blood
  8. 8. Mad World
  9. 9. Carmine
  10. 10. Dare Defender

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6 Kommentare mit 16 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    Jetzt auch alle Alben remastered auf Spoti sowie als Vinyl (neu)aufgelegt. FOOOKIN, ma sagen.

    • Vor 4 Jahren

      "Solche Rezensionen freiwillig wieder auf die Startseite zu holen, ist doch nur noch mit einer schweren Form von Masochismus zu erklären."

    • Vor 4 Jahren

      meuri wieder :D wette wenn hier jemand ne olle queen rezi ausgegraben hätten, dann wäre er erstmal vor freude zum nächsten regal um ein glas mit heringshappen abzugreifen :lol:

    • Vor 4 Jahren

      Da hätte er erstmal einen kräftigen Schluck vom Waschbenzin genommen und dann so richtig in die klebrigen Tasten geklöppelt.

    • Vor 4 Jahren

      Reg dich nicht auf Speedy Gonzales. Mann1N ist ein Feigling, der entweder denkt, nur weil er jemanden kennt, der Craze 2.0 heißt, kann er hier auf einen Kreuzzug gehen und alles anprangern was vermutlich von Speedy Gonzales ist oder er denkt, mit mir kann er es ja machen. Für letzteres spricht auch die Tatsache, dass er nur einen von drei Personen geantwortet hat, welche sich abfällig über die Aktion äussern. So oder so, es ist mir scheiss egal was so ein Möchtegern schreibt. Wers braucht.

  • Vor 4 Jahren

    Mad World ist übrigens ein Cover von Tears for Fears...btw

    • Vor 4 Jahren

      Ähem, da ging meine Donnie Darko-Begeisterung mit mir durch... ;)

    • Vor 4 Jahren

      bitte schieb dir irgendwas spitzes, raues in die harnröhre

    • Vor 4 Jahren

      ok. damit ist alles vergeben und vergessen. lebe in frieden

    • Vor 4 Jahren

      Hm, hab die eine Zeit lang gehört. So zwischen Science Fiction und Aerial View. Fand die damals noch ganz gut, aber wenn ich mir die Songs heute anhöre kann ich irgendwie verstehen warum die nie groß raidgekommen sind.
      Die Songs und Melodien sind zwar auf einem hohen Niveau, aber irgendwas fehlte immer, sei es der unverkennbarer Sound, der repetitive Song Aufbau, die Produktion die immer ein Tick unfertig klang oder der Sänger der solide war aber nicht sehr vielseitig. Aber um fair zu bleiben, die 2000er waren ein ziemlich hart umkämpftes Schlachtfeld, war nicht einfach mit den ganzen neuen Bands mitzuhalten. Alle der 'großen' Indie Bands hatten ihren eigenen Sound und Attitüde im Gepäck. Blackmail fehlte irgendwie immer die eigene Stimme. Und ja, natürlich haben Marketing und Image den größten Anteil am Erfolg (siehe GHOST, oder einfach Pop Musik).
      Trotzdem gehören sie mitnichten zu den Besten was Deutschland zu bieten hatte.
      Leider ist ab Aerial View die Band bei mir in Vergessenheit geraten, werde mir aber irgendwann auch die letzten Alben noch mal geben.
      Prost

  • Vor 4 Jahren

    Wahnsinn wie die Zeit vergeht! Kaum zu glauben dass einer meiner absoluten Lieblingsalben „Bliss, Please“ nächstes Jahr 20 Jahre auf dem Buckel hat. Auch geil dass dieses Album als Remastered Vinyl wieder aufgelegt wurde - nur mein Traum von einem Konzert wird sich wohl nicht mehr erfüllen...

  • Vor 4 Jahren

    Ich hab Blackmail mit Aydo Abay vor Ewigkeiten auf einem Festival namens Burgrock gesehen. Er war damals offenbar einigermaßen angesoffen und hat sich von einem Typen im Publikum so sehr provozieren lassen, dass er mitten im Set mit den Worten "Du Arschloch hast mir die Show ruiniert" die Bühne verließ und die Band dann leicht irritiert noch ne Weile gejammed hat, bis dann der Auftritt ganz vorbei war. Es zählt noch heute zu einer der enttäuschendsten Konzerterfahrungen überhaupt. Vielleicht sind sie also an Deutschland gescheitert, weil der Typ einfach unprofessionell ist.

    • Vor 4 Jahren

      Kann ich so nicht bestätigen- hab zu Zeiten ihrer ersten LP mal bei den Jungs im Vorprogramm gespielt. Zwar ziemlich arrogant, allerdings hochprofessionell. Eine der lautesten Bands, die ich je erlebt habe und dennoch musikalisch auf den Punkt und dennoch sehr melodisch. Trotz Arroganz eigentlich in dem Genre immer meine deutsche Lieblingsband gewesen. Gehe da mit der Rezension mit: Wären sie nicht deutsch, wären sie nun Millionäre.

    • Vor 4 Jahren

      Mir gehts so, wenn ich an die Beatsteaks denke. Warum DIE keine internationalen Megastars sind, geht mir nicht auf die Haube. Blackmail einmal anfang 2009(?) zur Tempo, Tempo Tour gesehen und hab noch immer "Friend" (mMn ihr bestes Stück weil dreckig und staubtrocken) im Ohr. Tolles Konzert, tolle Band. Allerdings kann ich den Legendenstatus im Sinne des deutschen Alternative nur halb goutieren. Ich glaube irgendwas am Sound der Band war zu sperrig oder zu kühl... (und vielleicht auch über weite Teile zu verbissen und ernst)

    • Vor 4 Jahren

      Hab sie ebenfalls um 2009 rum live gesehen und bin voll auf meine Kosten gekommen. Ich finde auch nicht, dass Tempo Tempo schlechter ist als die ersten Alben. Sie wollten wahrscheinlich maximalen Erfolg ohne ihre Indie-Ideale aufzugeben, deshalb hat‘s letztendlich nicht funktioniert.

    • Vor 4 Jahren

      Bin mit dem Œuvre jetzt nicht bis ins kleinste Detail vertraut, glaube aber nicht, dass der Indie-Idealismus das Problem war, das die Band am großen Erfolg gehindert hat. Eher die Tatsache, dass sie zu verkrampft versucht haben, wie Placebo, die Smashing Pumpkins und/oder Silverchair zu klingen und ihnen dabei der Schuss Originalität gefehlt hat, der nötig gewesen wäre, um über dieses Epigonentum hinauszuwachsen und einen Unique Sellinge Point innerhalb der damaligen Alternative-Landschaft geltend zu machen. So sind sie am Ende halt doch nur eine Art Tribute-Band geblieben, die den damit verbundenen Stallgeruch der deutschen Provinz nie wirklich abschütteln konnte.

  • Vor 4 Jahren

    Bands wie Coldplay, Radiohead, Placebo sind nicht nur deswegen so groß, weil es sie schon länger gibt und sich die Alben gut verkauft haben, sondern weil eine absolut Professionelle Marketingmaschinerie dahinter steht. Hiesige Bands, wie auch Voltaire, haben auch immer ein stück Wahrhaftigkeit an Board. Das geht nicht, wenn es nur um Erfolg und Geld geht. Darum werden solche Bands auch nie den großen Reibach machen, aber ist das nicht genau das was diese Bands ausmacht? Und macht der fehlende Reibach die Musik nur ein Deut schlechter? ;-)

  • Vor 4 Jahren

    Schön, dass sie "Airdrop" mit draufgepackt haben. Der zeigt ganz gut, warum diese Band manchmal so besonders war. Schade hingegen, dass es "Fast Summer" und "Reptile for the Saint" nicht geschafft haben, die das auch machen.

    "Foe" statt "Friend" zu nehmen ist auch nicht so verkehrt und "Same Sane" ist halt leider auch remastered noch nicht so geil. Live natürlich schon.

    Insgesamt schöne Auswahl aus den Alben, aber der Ebelhäuser soll endlich mal ein neues Scumbucket machen, da wart ich seit ner Dekade drauf und natürlich auf den obligatorischen Kommentar von Doc Souli