laut.de-Kritik
Kosmische Detox-Scheibe für urbane Dauergestresste.
Review von Philipp KauseBloom de Wilde ist eine indonesisch-holländisch verwurzelte Artpop-Künstlerin. In Amsterdam wuchs sie in einem Musiker-Haushalt auf. Zum Kunststudium zog sie nach London und blieb dort. Die Singer-Songwriterin und Keyboarderin bezeichnet sich als Synästhetikerin. Das heißt, sie kann sich beim Hören von Tönen und Akkordfolgen zugehörige Farbmuster vor dem geistigen Auge vorstellen. Gerne setzt sie diese Ideen visuell um, das Cover-Artwork ihres Albums "The Circular Being" beweist dies.
In England ist die non-konforme 46-jährige Künstlerin zwar schon vergessen, war aber mal recht bekannt. Mit der ziemlich abgefahrenen Band Sam and the Womp thronte sie als humorvolle Lady Oo mit knallrotem Megaphon und einem übergroßen Hut auf Platz Eins der Charts - das ist zwölf Jahre her. "Bom Bom" erreichte in Deutschland seinerzeit Platz 39, und besonders gut kam der Tune während der Electroswing-Welle in Parov Stelars Heimat Österreich an, Platz 19. "The womp is the space between your face and the bass", erläuterte das ungewöhnliche Trio damals in einem Slapstick-artigen Erklär-Clip. Kumpel Sam Ritchie von damals wirkt auch heute mit. So steuert er z.B. sportliche Trompeten-Tonspuren zum Track "Ride With The Fishes" bei. In dieser Nummer findet sich auch Drum'n'Bass, da knüpft sie an das alte "Bom Bom" an, das eine konfuse Verschmelzung von Ska, Brass, Drum'n'Bass, Dance und Swing war.
Die Intonations-Technik der lustigen, quirligen und jung gebliebenen Künstlerin, die gerne Vokale zerlegt, erinnert an Björk. Blooms Stimme hört sich reichlich wandelbar und manchmal kindlich an. Zum Beispiel, wenn sie in "Gloomy Day" erwägt, ihr Herz in einen Fluss zu werfen, und darüber genussvoll sinniert. Referenzen an die Natur, an Sonne und Erde, machen sich in den Texten großzügig breit. Denn De Wilde versteht diese Platte als Konzept-Werk über unseren Platz auf dem Planeten. Auch wenn die Anglo-Holländerin sich dem 'Experimental Folk' zuordnet, stellen dazu wohl vor allem ihre naturverbundenen Texte einen Bezug her. Diese funktionieren in einem Downbeat-Kontext aber genauso.
Eine Morcheeba-artige Kombination aus luftigen Obertönen und bassigem Dröhnen bezirzt in "Stop The World". "Dwindi" liefert invasiven Gesang zu lässigem Jazzpop-on-Dub. Stilistisch erinnert das Stück an Hollie Cook. Schon im Track davor, "Be Patient", baut sich ein slighter Reggae-Dub-Rhythmus auf. Fließender und exzellenter Dreampop leitet uns in diesem interessant aufgebauten Stück allmählich in diese karibisch geprägte Zone hinein.
Besonders schöne, ungewohnte Klangfarben indonesischer Instrumente bereichern die Platte: das Slenthem als eine Art Xylophon und das Saron als fernöstlicher Verwandter des Vibraphons unterstreichen die verträumte Seite des Albums. Bloom und ihr Studiopartner Nick loopen zudem viel, sodass sich repetitive Synth-Abschnitte, verspult-introvertierter Dreampop und improvisiert wirkende jazzigere Breaks und Parts miteinander mischen.
Die B-Seite des Albums schaltet dann von quirlig auf tiefenentspannt, perlt insgesamt sehr gleichmäßig in einem Bubble-Sound mit Ambient-Touch, melodieverliebt, süß und beruhigend. Wasser in "Ebb And Flow", Winter in "Winter Is Full" und die Erde als Ganzes in "I Need A Planet" lauten die Themen. Bloom de Wilde legt eine kosmische Detox-Scheibe für urbane Dauergestresste und für Leute vor, die ständig online sind. Sie schult deren Achtsamkeit, das Genießen des Moments und ein Nachdenken darüber, wie klein wir in dieser großen Welt sind.
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