laut.de-Kritik

Sonnenschein-Soul aus Skandinavien.

Review von

Des einzigen namhaften Soul-Musikers, der in Los Angeles zur Welt kam und arbeitete, bedienen sich bis heute viele: Roy Ayers. Ayers wurde zum Urheber und Paten einer Soundfarbe, die der finnische Newcomer Bobby Oroza offenbar gut studiert hat: Souljazz. Ayers übt ungebrochen seine enorme Faszination auf Größen des Hip Hop wie Pete Rock, Kendrick Lamar, Jay-Z oder - selbst schon Legenden - The Pharcyde, aus. Nun also auch auf Bobby Oroza, 33 Jahre.

Kurz nachgerechnet: Die einflussreichsten Songs von Roy Ayers entstanden unter den Projektnamen Ubiquity und RAMP etwa zehn Jahre vor Orozas Geburt. Eine weitere Soul-Farbe leuchtet bei dem Skandinavier wieder auf, die noch unbekannter, in seiner Stilistik aber noch präsenter als der Sunshine-Soul des Kollegen Ayers ist: Chicano Soul, eine mexikanisch inspirierte, funky Musikrichtung. Oft wird sie unter Latin Funk subsumiert. Heute erfährt sie in L.A. ein kleines Revival.

"This Love" handelt textlich weder von kalifornischer Sonne noch von Bürgerrechten, obgleich man beides engagierter finden könnte als diese Titel: "Falling In Love", "There Can Be Love", "Down On My Knees" (aus Verliebtheit), "Should I Take You Home" (natürlich, you should), "Your Love Is Too Cold" (schade), "Alone Again" (dann besser so, wenn 'too cold') oder "Lonely Girl" (oh weh...). In dieser Reihenfolge wären die Lyrics sinnreich aufgereiht. Bobby entscheidet sich für eine andere. Dabei beginnt er den Reigen mit "Maybe Maybe Maybe", was nach der Gesellschaft der Multioptionen, nach SMS und Whatsapp-Verbindlichkeit klingt: Wir können uns ja mal auf 'nen Kaffee treffen, vielleicht. Weniger 'vielleicht'-Mentalität durchzieht die Musik. Für letztere gebührt dem jungen Oldschool-Fanatiker maximale Hochachtung.

Durchgängig flirren die Schallwellen von fiebrig durchgespielten, feurig knisternden Hi-Hats in der Luft. Partiell gesellen sich die synthetisierende Moog-Orgel und das gute alte Klassik-Instrument Klarinette hinzu, das es äußerst selten in Pop-, selbst in Souljazz-Gefilde hinein schafft.

Klar hat der gute Oroza erkannt – oder man mag es annehmen -, dass gute, echte Soulmusik immer irgendwie von Liebe handelte, von Respekt und Nächstenliebe (Aretha Franklin, Bill Withers, Curtis Mayfield, The O'Jays), platonischer Liebe und der 'shoulder to lean on' (Carole King, Diana Ross), sexueller Liebe (James Brown, Minnie Riperton, Leon Ware, Barry White, Donna Summer usw.), Beziehungen und Trennungen sowieso.

Das elegante Wechseln zwischen den Liebesebenen beherrschten die meisten dieser Artists spielend. Bobby Oroza packt am Ende von "Maybe Maybe Maybe" gekonnt ein Funk-Gitarrenriff auf die Tonspuren, wird immer rauer und nimmt diese Tonalität in "Your Love Is Too Cold" mit einem typischen aus dem Early Rhythm & Blues geborgten Snare Drum- und Hi-Hats-Pattern wieder auf.

Alle Songs nacheinander zu hören kann monoton werden. Denn man muss sehr genau lauschen, um die feinen Differenzen herauszufiltern: Etwa zwischen tiefschwarzem Soul mit spooky Halleffekt unter der Stimme und einer Aufnahmequalität, als sei der Song in einer Kirche oder der Carnegie Hall eingespielt, und dem schiebenden Souljazz der erwähnten Roy Ayers Music Production (RAMP), wie er in "Bobby's Mood Intro + Should I Take You Home" widerhallt. Womit Bobby die perfekte Musik für einen verregneten Samstagnachmittag im Plattenladen liefert. Ganz stark vibrieren hier die Moog-Synthie-Akkorde, großes 70er-Jahre-Kopfkino.

Was der Skandinave noch auffährt: Sportlichen, urbanen und glatten Rhythm And Blues in "Keep On Believing" unter Einsatz einer Querflöte (auch selten), smoothen Softsoul im Titelsong (hier schon mehr an die späten 70er, frühen 80er angelehnt), die obligatorische Motown-Imitat-Nummer mit geseufztem Gesang im Stile Smokey Robinsons und mit Dreierblock-Tonfolgen auf der rau gespielten Surfgitarre ("Lonely Girl"). Doch, es gibt Vielfalt: Sie reicht von demütigen Gospel-Vibes ("Down On My Knees") bis zu psychedelischen Akkordsprüngen ("Déjà Vu"). Den anmutigsten Track mit cheesy Bee Gees-Falsetto und schlaftrunkenem Nuscheln hebt sich Bobby für den Schluss auf.

"There Can Be Love" bricht mit all dem braven Retro-Nachspielen der Songs zuvor. Dieser Schlusstrack klingt in etwa so, als knöpfe Oroza sich gerade mit einer Hand sein Hemd auf, während die andere ihm beim Singen ein Sektglas an den Mund führt und die Dame seines Herzens ihm das Zwerchfell massiert. Serge Gainsbourg klang verrauchter, aber ähnlich schlüpfrig.

Wer heute Soul macht, wird sich meist automatisch das Etikett 'Retro' anhaften lassen müssen. Daran kommt auch Oroza nicht vorbei. Dass seine Musik nichts Neues ist, ist eindeutig und offensichtlich. Andere besetzen schon ein paar Sparten: Mayer Hawthorne etwa macht Retro-Chicago-Soul, Michael Kiwanuka Retro-Motown-Soul.

Für den Newcomer aus Nordeuropa wird sich gewiss ein Platz im Musikbusiness finden. Doch dafür muss er noch etwas deeper werden, etwas kratziger, etwas Oberflächlichkeit abbauen. Auch wenn nur wenige den Charme alter Soulmusik so bezaubernd treffen wie Bobby Oroza auf "This Love", zusammen mit Musikern aus dem Umfeld von Nicole Willis. Aus seinem Potential kann er noch einiges machen.

Trackliste

  1. 1. Maybe, Maybe, Maybe
  2. 2. Your Love Is Too Cold
  3. 3. Alone Again
  4. 4. Falling In Love
  5. 5. Bobby's Mood Intro + Should I Take You Home
  6. 6. Keep On Believing
  7. 7. This Love
  8. 8. Lonely Girl
  9. 9. Down On My Knees
  10. 10. Déjà Vu
  11. 11. There Can Be Love

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