laut.de-Kritik
Niedlich verspulte Nostalgie-Sounds.
Review von Philipp KauseMit Spiegeleiern im Gesicht bleibt nur noch, sich auf den Gehörsinn zu verlassen. Der Bombay Bicycle Club geht die Aufgabe eines neuen Albums so salopp an, wie es das Artwork suggeriert, findet aber für jedes einzelne Lied ein perfektioniertes Arrangement. Dominant zeigen sich dabei Vintage-Töne von der Klangfarbe einer Kirmes-Orgel, Highspeed-Samples, bounzende Loops, Stolper-Beats und Spielereien mit dem Sequencer. Trotzdem hat "My Big Day" kaum mit einer Electropop-Platte zu tun. Wenn man vom spleenigen "Rural Radio Predicts The Rapture" absieht.
Eher mit einem Album, das sich an ältester Britpop-Ästhetik, zurück reichend bis zum "Rubber Soul" der Beatles bedient und super mit den Kollegen Cornershop in eine Playlist passt. Das Kula Shaker-artige Gebratzel im Spiral-Riffs-Prog-Song "Onward" kann sich im Umfeld experimentierfreudiger Gruppen absolut sehen lassen.
Um den Kontakt zur heutigen Alternative-Jugend nicht zu verpassen, helfen unter anderen die gerne überraschende Nilüfer Yanya und die verführerisch intonierende Holly Humberstone aus. Kombinationen, die sofort einleuchtend erscheinen und in der tatsächlichen Umsetzung hervorragend aufgehen.
Das zeitweilige Image der Hipster-Band legt die Gruppe ab und versinkt zum Beispiel im ausgefeilten "Heaven ft. Damon Albarn" in Harmonien mit Detail-Gefiepe, Lo-Fi-Trip Hop und punktuellen Anzeichen von Klassik-Anspruch samt Streicher-Pizzicato und majestätischen Fanfaren. Ohrwurm-Effekt garantiert!
Mit einer Gast-Strophe der Queen of Funk Chaka Khan wagt sich der Fahrradverein erfolgreich an eine psychedelische Disco-Nummer, "Tekken 2 ft. Chaka Khan".
Ein bisschen Ladehemmung hat die Platte, die es auch in eigelbfarbenem Vinyl gibt, dann doch. Dergestalt, dass man als Hörer dem Entstehen des Albums in session beizuwohnen scheint und es wirkt, als suchten die Musiker öfter mal die nächste Abzweigung. Aufgrund einer entsprechend nicht so klar spürbaren Entschlossenheit dröppelt das Album mit fortdauernder Spielzeit ein bisschen ins krautige Nebenbei und baut selten wirklich Spannung auf.
Angenehm, unterhaltsam, melodiös und reich an Ideen wirkt es aber allemal. Außerdem gibt's dieses Mal keinen einzigen Skip-Track. Besonders hörenswert: "Just A Little More Time" träumt brasilianische Tropicalia und japanischen City-Pop weiter und macht somit den Allah-Las kompetent Konkurrenz. Anleihen bei Folk und Hip Hop-Beat-Betten nimmt das leichtfüßige und wunderschöne "Sleepless". Maximale Wirkung erzielt der Bombay Bicycle Club immer dann, wenn er die Verstärker hier anwirft, was etwa im Titelsong, in "Onward" und im vielschichtigen "Meditate ft. Nilüfer Yanya" ausgiebig geschieht. Weiter so, bitte!
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