laut.de-Kritik
Irgendwann erschöpft sich die Melancholie.
Review von Maximilian FritzJede*r liebt Bonobo. Seit der Jahrtausendwende vertont der Brite unaufgeregt und gleichwohl emotional den urbanen Lifestyle, untermalt ausufernde Kiffsessions und präwoke Diskussionen in Student*innen-WGs.
Das ging 2000 mit "Animal Magic" los und zieht sich bis bis in den Januar 2022, in dem "Fragments" erscheint. In der Musik Simon Greens vollzog sich in dieser Zeit eine Transformation, weg vom Café-Lounge-Charakter hin zu einer poppigeren Gangart. Nicht zufällig bekam das Hitalbum "The North Borders" von 2013 gar eine Liveversion spendiert.
Diese Entwicklung ist keineswegs verwerflich, nur schleicht sich langsam, aber sicher das Gefühl ein, dass zumindest seit "Migration" der Dornbusch entschieden wässriger Feuer fängt. Soll heißen: Greens Musik, die noch immer klingt wie aus einem Guss, fehlen die Ecken und Kanten, um sich der Austauschbarkeit zu entledigen.
Die Erfolgsformel, melodische Beats hin und wieder mit Gastvokalist*innen, -musiker*innen oder -producer*innen zu paaren, breitet sich über "Fragments" aus wie ein bleierner Schleier. Nach dem standesgemäßen wie konventionellen Instrumental-Auftakt "Polyghost" fällt es schwer, sich in der LP zu verbeißen.
"Shadows" mit dem begnadeten Sänger Jordan Rakei liefert die nötige Portion gezähmten Pop-House, "Rosewood" an dritter Stelle hingegen ist einer dieser distinkt wiedererkennbaren Bonobo-Tracks, die mit ihrer Mixtur aus synthetischen und analogen Klangerzeugern nichts besonders falsch machen.
"Otomo" mit dem Londoner O'Flynn beginnt zahm und mit szenischen Chorälen, nimmt dann an Tempo auf und versucht, den Banger zu mimen. Das Problem: 2013er-Jon-Hopkins-Build-Ups und seltsam zahnlose Drops reichen dafür nicht – insbesondere mit kitschigen Eso-Anleihen.
Gesitteter geht's auf "Tides" zu, das Synergieeffekte mit dem Cover erzielt und aufgrund seiner elegischen Streicher nach "Black Sands" von 2010 klingt. Jamila Woods singt soulig, die Stimmung ist gedrückt, nur wenige Acts propagieren seit Jahren so unbeirrt wie erfolgreich eine grenzenlose Melancholie, der noch immer ein Funken Positives innewohnt.
Diesen Markenkern hat sich Green zu Recht erarbeitet und nachhaltig perfektioniert. "Elysian" und "Closer" halten prima als weitere Beispiele dafür her. Auch nach Track Nummer sieben fehlt aber ein spezieller Moment, der aufhorchen ließe, traniges Einlullen ist Trumpf. Das pittoresk düdelnde "Age Of Phase" mit Heliumstimme erinnert in Zügen an das Altwerk von Totally Enormous Extinct Dinosaurs, mit dem Green 2020 kollaborierte.
"From You" und "Counterpart" zäumen das Pop-Pferd von zwei Seiten auf, schielen aber beide unverhohlen in Richtung Formatradio. "Sapien" tut das ebenso, darüber täuschen Breaks in Bicep-Manier unter der Zuckerglasur nicht hinweg. "Day By Day" mit Kadhja Bonet – wo bekommt Bonobo eigentlich diese ganzen Sänger*innen her, deren R'n'B-taugliche Stimmen sich nur in Nuancen unterscheiden? – dockt wie "Tides" mühelos an "Black Sands" an, das wie gesagt vor zwölf Jahren erschienen ist. Damit ist über "Fragments", das an sich freilich kein Rohrkrepierer ist, so ziemlich alles geschrieben.
5 Kommentare mit 2 Antworten
Echt nur 2? Hoffe das bestätigt sich nicht. Nicht alles königlich von ihm, aber so manch ein Album konnte man vernebelt bestens durchhören.
Also ich mocht's, wobei der Vorgänger insgesamt stärker war; und konnte 'Otomo im Vorfeld schon was abgewinnen für den Mix.
"Vernebelt bestens durchhörbar" würde allerdings auch in die Rezension passen. Für deren kalkulierte Boshaftigkeit muss ich dann doch irgendwie meinen Respekt bekunden.
Mangelnde Originalität wird z.B. auch bei Pitchfork bemängelt.
Bestätigt sich nicht.
Nö, 4 Sterne!
Oh, da bin ich mal gespannt. Die erste Auskopplung fand ich etwas zu minimalistisch.
Ich sehe hier auch 4/5 Sternen. Sehr stimmiges und stimmungsvolles Werk.
Review ist eher so Musikjournalismus 08/15. Erst den Künstler dafür kritisieren, dass er seinen Sound nicht verändert. Und wenn er es doch tut, dann ein Album später zu schreiben, dass der Sound kommerziell und verwässert worden ist.
Bin auch unterwältigt vom Album, plätschert so dahin, und bis auf ein zwei Tracks gibt es kaum Highlights. Mochte alle Vorgänger weitaus mehr.
Grade so 3/5