laut.de-Kritik
Diese Mensch-Maschine braucht keinen Strom.
Review von Christoph DornerNatürlich kommt man bei dem Albumtitel "Mr. Machine" recht schnell auf Kraftwerk: Auf den Klassiker "Die Mensch-Maschine" aus dem Jahr 1978 - mit "Das Modell", mit "Die Roboter". Dabei ist es im Grunde eine humanistische wie klangästhetische Konterrevolution gegen die visionären Klangingenieure aus Düsseldorf, die das Brandt Brauer Frick Ensemble hier anstößt.
Denn der offensive Technopositivismus von Kraftwerk, der später für elektronische Subkulturen konstituiv sein sollte, wird hier aus Subjektperspektive an einer ganz entscheidenden Stellschraube wieder zurückgedreht. Denn Brandt Brauer Frick machen prädigitale Maschinenmusik ohne deren technischen Einsatz, sehr wohl aber mit deren inkorporiertem Wissen. Ihr Instrumentarium ist das der Klassik, ihre Mittel sind die des Jazz wie der avantgardistischen Minimal Music.
Man kann getrost sagen: Die Mensch-Maschine von Brandt Brauer Frick braucht keinen Strom, sie wird mit Muskelkraft und Taktgefühl betrieben. Techno unplugged - das hat mit jodelbayerischer Phrasierung schon bei LaBrassBanda ganz gut geklappt. Mit dem bereits reichlich prominenten "Bop", "You Make Me Real", "Mi Corazon" und "Teufelsleiter" hat die zehnköpfige Projektgruppe um Daniel Brandt, Jan Brauer und Paul Frick gleich vier der polyrhythmischen Tracks ihres Debütalbums "You Make Me Real" akustisch noch einmal neu bearbeitet.
Sie sind das Herzstück von "Mr. Machine". Synthesizer-Spuren und Beats werden nun – mit Ausnahme einiger Moog-Wellen – komplett organisch erzeugt. Dadurch, dass man anhand der menschlichen Mechanik der zehn Musiker Anschlagdynamiken und Seitenschwingungen heraushören kann, wirkt das Klangspektrum der Tracks fülliger, runder, nuancenreicher.
Auch leichte Tempovariationen führen dazu, dass man nun weniger an einen Techno-Workshop von Carl Craig, Theo Parrish oder Jeff Mills, sondern eher an den virtuosen Groove eines Konzertabends mit dem Tied & Tickled Trio, Aufgang oder Kante denken muss. Schade, dass dieser Ansatz auf "Mr. Machine" nicht konsequent zu Ende gedacht worden ist. Denn mit der Gastrolle der englischen Dubstep-Tüftlerin Emika haben sich Brandt Brauer Frick leider eine kleine Fehlbesetzung geleistet.
Dass sich ihr Gesang als zusätzliches Instrument durchaus in die repetitiven Strukturen eines Tracks einpflegen lässt, beweist "On Powdered Ground (Mixed Lines)", die stampfende Neubearbeitung einer Piano-Ballade der dänischen Songwriterin Agnes Obel. Wenn Emika als "Mrs. Machine" der flirrenden Dramaturgie der Interpretation ihres Songs "Pretend" aber nur mit der kühlen Strenge des Originals begegnet, ist etwas schiefgelaufen.
Hier haben Brandt Brauer Frick das Hochkulturschema unnötigerweise für eine etwas unausgegorende Versuchsanordnung zwischen Pop und Techno verlassen. Das kann Console besser. Dennoch: Wer sich für Brandt Brauer Frick interessiert, besorgt sich lieber "Mr. Machine" als "You Make Me Real". Denn hier funktioniert der Mensch tatsächlich besser als die Maschine.
1 Kommentar
bin schon sehr gespannt und erwarte nach dem unglaublichen "you make me real" nur das beste.