laut.de-Kritik
Fassten das Yuppie-Jahrzehnt in einem Satz zusammen.
Review von Sven KabelitzEin Sänger, ein Bassist und ein Schlagzeuger. Welch eine minimalistische und anarchische Bandzusammenstellung, mit der sich die Zwillinge Matt und Luke Goss und Craig Logan einst in den Pop-Dschungel wagten. Wenn man zudem bedenkt, dass man auf "Push" sehr genau suchen muss, um neben den Synthesizer-Linien einen leibhaftigen Bass auszumachen, wirkt das Bros-Gebilde noch obskurer.
Für einen kurzen Moment hielt die Welt den Atem an und schaute auf die drei wohlfrisierten Jungs aus Großbritannien. Horden von Jugendlichen ahmten ihren plastikhaften Kleidungsstil nach. Ein Hit folgte dem nächsten. In den zwei Jahren der Brosmania verkauften sie Millionen Tonträger, erhielten den Brit Award als Newcomer des Jahres und spielten im ausverkauften Wembley Stadion vor Eric Claptons kritischen Augen. "Als ich ihn mit seiner Familie im Publikum sah, bekam ich eine Gänsehaut," erinnert sich Logan an den denkwürdigen Moment. "Gott, er wird mich bestimmt scheiße finden."
Bereits 1987 fassten Bros das Yuppie-Jahrzehnt in einem einzigen Satz zusammen. Sie stellten die eine große Frage, die heute noch durch die Köpfe so vieler Teenager spukt. "When Will I Be Famous?" Wann bekomme ich meine von Warhol versprochenen 15 Minuten Ruhm? Eine Frage, die in Castingshow-Zeiten aktueller als je zuvor erscheint. Vollends egal, wie ich mir diese ergattere. Ob nun als Rock-, Film- oder Pornostar. Die ganz verzweifelten heiraten sogar Boris Becker oder Lothar Matthäus.
"When will I, will I be famous? / (…) When will I see my picture in the paper?" Wie ein junger Michael Jackson jault Matt Goss mit seiner androgynen Stimme seinem fiktiven und zunehmend entnervten Manager immer wieder diese eine Frage entgegen. Dieser erkennt zwar das Talent, reagiert auf das ungeduldigen betteln jedoch zunehmend höhnisch. "You've suffered for your art / With the jogging in the park / You know you should go far."
Wenn sich der Hi-NRG-Song nach wildem Soundgewühl für vier Takte im Walzerschritt wiegt und Matt voller Selbstaufgabe um seine Anerkennung fleht, gehört dies zu den größten Momenten des auslaufenden 1987. Jeder Schrei und jedes Seufzen trifft punktgenau in die Herzen der Brosettes. Da konnten Whitney Houston, Rick Astley und Los Lobos mal locker einpacken.
Wie bei manch einer Sensationen der 1980er steckte auch hinter Bros konsequenterweise ein kleines Lügenlied. Trevor Horn ersetzte Frankie Goes To Hollywood im Studio gerne mal, Holly Johnson ausgenommen, komplett mit Studio-Musikern. Milli Vanilli und Den Harrow sangen auf ihren Longplayern nie auch nur eine einzige eigene Zeile. Bei Bros lag neben dem Management und der Produktion auch das Songwriting auf "Push" komplett in der Hand von Nicky Graham und Tom Watkins (Pet Shop Boys). Um jedoch den Schein der kreativen Pop-Band zu wahren, versteckten sie sich hinter dem Synonym 'The Brothers'.
"I get down to dry my hair / With a little touch of gel." Man muss Prioritäten setzen. Zu dem aufmüpfigen "Drop The Boy" und seinem polternden Beat brüllt Matt Goss wie der beleidigte Baby-Löwe Simba in Disneys "Der König der Löwen". "I''d like to be in politics / Can't take another visit to the zoo."
In "I Owe You Nothing", mit dem Bros in den Charts ihrer Heimat die Nummer 1 erklimmen konnten, verbindet sich die "When Will I Be Famous?"-Energie mit einem kurzen Gitarrensolo. Die atmosphärischen "Ten Out Of Ten" und "Cat Among The Pigeons", in dem man tatsächlich einen leibhaftigen Bass hören kann, gehören neben Pet Shop Boys "King's Cross" zu den besten Pop-Balladen, die die damalige Zeit zu bieten hatte.
"I Quit" erblüht vor allem in seinem, von Fred Maher angefertigten, Single-Mix zum heimlichen Highlight des Albums. "Well, Nobody listens to losers / So when you're surrounded by fools / Who needs another / Who needs another clever dick."
Für die sich über drei CDs erstreckende Deluxe Edition hat das Label Cherry Red jede Aufnahme zusammengekratzt, die sie aufspüren konnten. Jeder Remix und jede B-Seite findet sich in den Zugaben. Von der verzichtbaren Weihnachts-Single "Silent Night", dem abrechnenden "Drop The Boy"-Antwort "The Boy Is Dropped", bis hin zu dem legendären "I Owe You Nothing (Over 18 Mix)", der ulkigerweise 17:56 Minuten dauert. Der zu Zeiten der 12'' vielbeschäfitgte Shep Pettibone, der unter anderem mit Depeche Mode, David Bowie, Madonna und George Michael arbeitete, macht sich über "I Owe You Nothing" und "Drop The Boy" her. Selbst "I Owe You Nothing (Pettibeats)" und "I Owe You Nothing (The Beats)", die sich bis auf den Titel in nichts unterscheiden, finden sich hier beide wieder.
Nach dem Ausstieg des beliebten Craig Logan ging Bros schnell die Luft aus. Zwar fingen sie auf den Nachfolge-Alben an, ihre Songs selbst zu schreiben, der Erfolg blieb aber mehr und mehr aus. Nach der Trennung versuchte sich Matt Goss an fünf Solo-Platten. Sein Bruder Luke wechselte ins Schauspielfach und blieb vor allem mit seiner bemerkenswerten Darstellung des Prinz Nuada in "Hellboy – Die Goldene Armee" in Erinnerung.
Den erfolgreichsten Weg legte jedoch ausgerechnet der schüchterne und zurückhaltende Logan hin, dem es nie nach Ruhm verlangte. Komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen startete er hinter den Kulissen eine erfolgreiche Karriere als Songwriter und Manager und arbeitete mit Tina Turner, Robbie Williams, Pink und vielen anderen zusammen. Wahrscheinlich saß er mehr als einmal aufstrebenden Stars wie Cher Lloyd oder Rebecca Ferguson gegenüber, die ihn mit der einen Frage löcherten: "Wann werde ich berühmt sein?" Im Gedanken sieht er sich kurz über die Bühne des Wembley Stadion tanzen und gibt dann ruhig und langsam sein Mantra wieder: "I can't answer, I can't answer that.
7 Kommentare mit 13 Antworten
Das ist doch nicht Euer Ernst! Sowas wird besprochen?! Ich schrei mich weg...:-)
Ich hatte den Rotz nicht vergessen! Ich hatte ihn verdrängt!!
Diesen grässlichen Song (Rest kenn ich nicht und will ich wohl auch nicht kennen) fand ich schon als Teeny grausam.
Wer`s nicht erlebt hat: Tut's Euch nicht an (Masochisten mal ausgenommen)
Und welcher Song mag das sein? Die Titel sagen mir alle nüscht.
When Will I Be Famous
Ich kann nicht sagen, man hätte mich nicht vorgewarnt.
Das hat meine Schwägerin damals mit 13 gehört und ich fand es damals schon grottig! Wie das erst heute ist?!
Haha, hat ers doch tatsächlich gemacht.
Ich nehme nach den Reaktionen hier mal an, dass man die nicht kennen muss.
Noch nie was von denen oder ihren Hits gehört.
Na ja, an "When will I be famous" kam man damals (88?)nicht vorbei - leider! Ich weiß ja nicht was für ein Jahrgang Du bist aber das müsstest Du eigentlich kennen...
irre dass da noch was kommt. erinnere mich an diesen elendigen track und das zweifelhafte auftreten dieser "jungs".
Was meinst du mit zweifelhaft?
Hab mal "When Will I Be Famous" bei Youtube nachgeguckt und nen live Auftritt gefunden. Wenn ich das Wort "zweifelhaft" gebrauchen würde, bezöge sich das in erster Linie auf den Bassisten. Mal ganz abgesehen davon, dass die linke Hand sich keinen Zentimeter bewegt (was bei der Bassline schwierig ist), ist auch weit und breit nichts von einem Instrumentenkabel zu sehen. Erfordert ein höchstmaß an Technik und vor allem Kraft, um dann trotzdem noch gehört zu werden.
Okay, das scheint bei TOPPOP aber Gang und Gäbe gewesen zu sein. Hab grad noch mal eins von The Cure gegeben und an so ner Stratocaster sieht man noch viel deutlicher, dass die Klinkenbuchse leer ist.
'88 war ich noch nicht einmal in der Mache, obiwan.
Bin ein Kind der 90er, meine musikalische Früherziehung wurde eher von Blümchen und Rednex besorgt.
upps, Du Armer
Schon mal drüber nachgedacht, ob du zu den Klängen von Cotton Eye Joe oder Bumerang gezeugt wurdest?
@Morpho das war in der tat normal, noch nie dieses video gesehen? http://www.youtube.com/watch?v=i19xcB5tXVk
Hahaha, einfach mal durchwürfeln. Bruce an der Gitarre ist viel zu gut.
Cool. Hatt aber eigentlich gehofft, dass die Pladde im Rahmen einer Meilensteinwürdigung die Anerkennung bekommt, die sie verdient! Was ist los mit euch? Ihr macht Bowie, Beatles und Co und hierzu nur eine normale Rezi?