laut.de-Kritik
Aufregende Folkrock-Bergtour mit dem Big Thief-Gitarristen.
Review von Alexander KrollDer Zauber der Berge hat es Big Thief angetan. Nachdem die Indie-Folk-Band aus Brooklyn mit dem Doppelalbum "Dragon New Warm Mountain I Believe in You" 2022 die Bestenlisten stürmte, widmet anderthalb Jahre später ihr Gitarrist Buck Meek sein drittes Soloalbum dem "Haunted Mountain".
Eine ganze Bergwelt hat zur Entstehung des Werks beigetragen, das Meek Anfang 2024 um zwei Bonustracks erweitert. Geschrieben wurden die Songs im Valle Onsernone in den Schweizer Alpen, auf der griechischen Vulkaninsel Milos und im portugiesischen Serra-da-Estrela-Gebirge. Aufgenommen hat sie der gebürtige Texaner innerhalb von zwei Wochen mit seiner Stammband in der Sonic Ranch am Fuße der Franklin Mountains, direkt an der Grenze zu Mexiko.
Im Einklang mit der Natur schreibt der 36-jährige Vollblutmusiker traditionelle Americana-Erzählungen inspiriert weiter. Nach dem skizzenhaft verhuschten Solodebüt "Buck Meek" vor fünf Jahren und dem reiferen Zweitling "Two Saviors" zelebriert Meek auf "Haunted Mountain" sein bisher aufregendstes Klangspektrum.
Zusammen mit dem Produzenten und Toningenieur Adrian Olsen (The Killers, The Head and the Heart) präsentiert der Big Thief-Gitarrist einen geerdeten Countryrock-Sound, der gleichzeitig mutig in originelle bis schräge Texturen ausschert. Mit texanischem Twang changiert der Singer-Songwriter eindrucksvoll zwischen elektrisch eruptiven Gassenhauern und nuanciert geflüsterten Balladen.
Liebe ist alles. Von der Hingabe zur Natur bis zur Verschmelzung der Liebenden, vom ersten Kuss bis zur makellosen Jeans, Meek sucht zwischen intimen und universellen Lyrics den perfekten Lovesong. "Ein echtes Liebeslied, das ernsthaft geschrieben ist? Das ist heute ein Tabu", erklärt der Musiker vor der Veröffentlichung. "Manchmal hat man das Gefühl, dass alle großen Liebeslieder bereits geschrieben wurden".
Nach dem etwas unsicheren, flirrenden Start mit "Mood Ring", entwirft Alexander Buckley Meek mehrere feingliedrige Gefühlspanoramen. "Paradise" spinnt mit langsamen, verzerrt hallenden Gitarrenechos und einem sehnsüchtigen Sufjan Stevens-Wispern regelrecht an einem Hohelied der Liebe. "Secret Side" setzt den fragil geschichteten Folk-Stil mit Akustikgitarre und Piano fort und verspiegelt darin Springsteens "Secret Garden".
Ziemlich nah an ein perfektes Liebeslied kommt "Lullabies". Andächtig gesungen und still von Gitarre und Geige verziert, erzählt das Schlaflied die archaische Geschichte einer Geburt. Dabei bewegt sich das Stück ganz bewusst in der Tradition früherer Volkslieder, windet sich kunstvoll um den Country-Evergreen "You Are My Sunshine" und erschafft etwas Neues.
"Haunted Mountain" feiert das kontinuierliche Erzählen von Geschichten über die Zeiten hinweg. "There’s too many stories to remember / Too many stories to tell", singt Meek im Refrain des herrlich übersteuerten Country-Krachers "Cyclades". Melodisch und verzerrt zugleich erzählt der Musiker von Nahtoderfahrungen seiner Eltern, die sie ihm jedoch später als Erfindung vorhalten. "Es gibt einen schmalen Grat zwischen Geschichte und Mythologie", erklärt Meek in einem Instagram-Post.
Folkloristisch kreisen Meeks Erzählungen um das Spannungsfeld zwischen ewigem Vagabundieren und dem Wunsch, endlich anzukommen. Im poppigen Titeltrack findet Meek sein Happy End: "All of my life I've been a rounder / Traveling across this green land / But now that I live here on this haunted mountain (...) I'm never coming down again".
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