laut.de-Kritik
Eine Geschichtsstunde in Sachen Dancehall.
Review von Dani FrommMeistens mag ich meinen Job, aber an manchen Tagen liebe ich ihn ganz besonders. Zum Beispiel dann, wenn das Schicksal, Jah The Almighty oder vielleicht doch nur ein cleverer Labelboss verfügt hat, dass Lieblings-Alben neu aufgelegt werden.
Wer hätte gedacht, dass ich tatsächlich noch einmal die Gelegenheit bekomme, freundliche Worte über "Inna Heights" zu verlieren? Buju Bantons Werk hat immerhin zehn Jahre auf dem Buckel. Anlässlich des Jubiläums beglückt VP Records die Welt nun mit einer schicken "Anniversary Edition".
Anscheinend sind wir alle brav gewesen. Denn zum Original-Album mit durchgehend frisch aufpoliertem Sound setzt es bislang unveröffentlichte Bonus-Tracks, die ebenfalls Grüße aus den Mitt-Neunzigern senden.
Nach dem knackig-kurzem, stimmungsvollem Intro, in dem "The Voice of Jamaica" mit einem Auszug aus dem Vaterunser einen ersten Eindruck seiner kratzigen Stimmgewalt vermittelt, fühle ich mich zwischen "Hills And Valleys" sofort wieder zu Hause. "Only Rasta can liberate the people" - oder aber solch satter Klang, dem quäkende Bläser, ein warmer Bass und Buju Bantons ebenso raue wie gefühlvolle Vocals Krone um Krone aufsetzen.
Die Neuauflage von "Inna Heights" gestattet ein Wiedersehen mit den üppigen Backgroundchören von "Destiny", den Percussion-Wirbeln im schon deutlich Dancehall-lastigeren "African Pride" sowie den immer noch nur mäßig überzeugenden, dafür aber umwerfend vorgetragenen Entschuldigungen ("Männer sind halt so ...") aus "Cry No More".
In "Small Axe" serviert Buju Banton gemeinsam mit King Stitch eine gut gelaunt vor sich hin hüpfende Rocksteady-Nummer. "Redder Than Red" mit Dub-Elementen wie hallenden Bass- und Keyboard-Sounds, pumpenden Bässen und getriebenen Vocals entführt, genau wie das Zeile für Zeile abwechselnd mit Red Rat intonierte "Love Dem Bad", in die Anfangstage des Dancehall.
Die Geschichtsstunde perfekt macht Toots Hibberts Klassiker "54-46". Das Stück wurde einst als einer der ersten Reggae-Tunes überhaupt außerhalb Jamaikas populär.
"Circumstances" schließlich baut ausschließlich auf den harschen Gesang Buju Bantons. Der führt in Form mehrerer gesprochener Interludes durch sein Album, in denen er seine Geschichte und seine Intentionen offen legt.
Wie die musikalische Seite erfreut auch die Themenwahl mit beachtlicher Vielfalt: Buju preist den Allmächtigen, predigt für ein unabhängiges, einiges Afrika, stimmt, in krassem Kontrast zum smoothen Gesang eines Beres Hammond in "My Woman Now" beispielsweise, zärtliche Love-Songs an, huldigt allein erziehenden Müttern, gibt Durchhalteparolen aus und feiert zudem ordentlich krachende Partys.
"I want you to love my music. I really want you to feel my music." Solches fällt leicht, gestaltet sich "Inna Heights" trotz des Facettenreichtums als durchgehend runde, vor positiven Vibes geradezu berstende Sache. Zudem beweisen alle Beteiligten bei der Auswahl des frisch zugelegten Bonusmaterials enormes Geschick: Die zusätzlichen Tunes, darunter das Duett "Situations" mit Morgan Heritage, fügen sich ohne zu holpern ins Gesamtbild ein.
Als Schmankerl kredenzen VP Records zudem eine DVD-Beilage: Neben dem Video zu "Destiny" und weiteren 45 Minuten Musik (u.a. Klassiker des Kalibers "Ring The Alarm") stellt ein einstündiger Mitschnitt des Auftritts beim Reggae Sumfest 1996 seine Qualitäten als Live-Entertainer unter Beweis.
Die stellenweise durchaus funky aufspielende Backing-Band verblasst vollkommen hinter einem von der ersten Minute an druckvoll losröhrenden Frontmann, der seine Performance vermutlich auch ganz ohne Unterstützung hätte hinlegen können. Im Doppelpack mit dem gegen Ende für einige Tracks dazu stoßenden Wayne Wonder, dessen glatte R'n'B-Stimme geradezu komplementär zum Banton'schen Reibeisen anmutet, entfaltet sich jedoch ganz besonderer Zauber.
Neben dem gemeinsamen Hit "Bonafide Love" stimmen beide eine Coverversion von Alphavilles "Forever Young" an - und, nein: Es wirkt kein bisschen albern, sondern in Anbetracht der Tatsache, dass zwölf Jahre alte Aufnahmen ungebrochen berühren, schlicht prophetisch.
1 Kommentar
Sehr schöne Platte, hatte die seinerzeit auf irgendeinem Tape, muss ich nochmal hervorkramen.