laut.de-Kritik

"Watch The Throne" auf Deutsch.

Review von

"Keiner kann uns leiden, außer uns, Dicka" – so ganz kann man Bushidos Behauptung aus "FAZ" nicht nachvollziehen, tingelte der Labelboss doch zusammen mit Schützling Shindy im Zuge des "CLA$$IC"-Releases ungewohnt redselig von Interview zu Interview, um die frohe Botschaft zu verkünden: Die Kollaboration, auf die Deutschrap gewartet hat, ist endlich da.

Meine Gefühlslage während der Promophase glich der ihrer beiden Hauptcharaktere: Auf der einen Seite der bestens aufgelegte Bushido, auf der anderen ein stets gelangweilter, wortkarger Shindy. Der ständige Wechsel zwischen Vorfreude und Gleichgültigkeit liegt vor allem in den bisherigen Feature-Tracks begründet: So funktionierte die Zusammenarbeit für "AMG" auf Bushidos "Sonny Black" außerordentlich gut, genauso bewiesen die beiden aber auf Shindys Zweitwerk, wie schlecht sie thematisch und raptechnisch zusammen passen.

Nach etlichen Durchläufen der Platte muss man leider konstatieren: Letzteres unterstreichen die Bartträger mit "CLA$$IC" noch einmal deutlich. Ähnlich wie bei der Future/Drake-Kollabo wirkt der Langspieler eher wie ein Solo-Album, auf dem der Konterpart ungewöhnlich viele Features liefert.

Das tat dem Hörgenuss von "What A Time To Be Alive" keinen Abbruch, da die beiden Künstler musikalisch im selben Team spielen und sich so gegenseitig die Vorlagen lieferten. Bushido wirkt auf "CLA$$IC" dagegen zeitweise wie ein unbeholfener Verteidiger, der sich nicht anders zu helfen weiß, als den gegnerischen Stürmer mit Blutgrätsche von den Beinen zu holen. Eigentlich nicht schlimm, dass Bushido immer mal wieder von den Produktionen überfordert scheint und neben dem Takt flowt. Technische Versiertheit gehörte bekanntlich noch nie zu seinen Stärken, viel eher zeichnet den Berliner seit jeher eine unnachahmliche Attitüde aus, wie er auf "Sonny Black" zum wiederholten Mal bewies.

Davon bleibt aber auf "CLA$$IC" wenig übrig, zu sehr zirkulieren die beiden Protagonisten thematisch um sich selbst und ihren Kontostand. "Früher wechselten sie die Straßenseite / Ich muss den Wichsern den Erfolg bei jeder Chance unter die Nase reiben" – dass wirklich jede der 16 Anspielstationen genutzt wird, um die Platinplatten im Ersguterjunge-Hauptquartier zu zählen, enttäuscht dann doch. "Du schreibst einen Text und wir beide schreiben Schecks." Hätten die beiden etwas mehr Mühe investiert, wären uns schlecht recherchierte Wie-Vergleiche à la "EGJ macht Gewinne wie Vattenfall" erspart geblieben.

Ihre Stärken offenbart die Platte vor allem auf der musikalischen Ebene. Shindy wühlt zusammen mit Djorkaeff und Beatzarre tief in der Plattensammlung und zaubert ein homogenes Sample-Wunderland, das dem Langspieler insgesamt eine runde Stimmigkeit verleiht, die über den einen oder anderen Beat-Aussetzer hinweg tröstet.

Diejenigen, die sich schon bei "FVCKB!TCHE$GETMONE¥" in den Kommentaren mit Plagiatsvorwürfen die Finger wund tippten, werden an den "CLA$$IC"-Beats ihre helle Freude haben. Vor allem "Watch The Throne" lief wohl im Studio auf heavy rotation. Ja, "Gravitation" hat mit seinen Dschungelgeräuschen frappierende Ähnlichkeit zu "No Church In The Wild". Ja, bei "CLA$$IC" bedient sich Shindy am gleichen Redding-Sample wie "Otis". Aber ist das wirklich so verwerflich? So lange Musik nach Kanye-Vorbild so gut klingt, zieht sie gegen das, was auf so manchem Soundcloud-Kanal unter total eigenständigem Sound läuft, immer den Kürzeren. Wenn "der freshste Motherfucker, den Bushido je signte" dann auch noch mit seinem gelangweilt nölenden Flow, technisch variabel und absolut on point darüber rappt – immer her damit.

Neben dem groß angekündigten "Statement des Jahres" – ein kurzer Moneyboy/Hustensaft Jüngling-Part als Hidden Track – enttäuschen auch die Feature-Gäste: Marteria liefert zwar ab, stellte wohl aber die Bedingung, Kumpel Yasha müsse dann auch eine Hook singen. Anders ist nicht zu erklären, wie es der völlig deplaziert wirkende Sänger aufs Album geschafft hat. Dass auch Ali Bumaye, als dritter Ersguterjunge im Bunde, einen lahmen Part beisteuern darf, überrascht da schon weniger.

"CLA$$IC droppt, Deutschland braucht einen Panic Room" – Panik verbreiten die beiden vollbärtigen Herren auf ihrem Kollabo-Werk nun wirklich nicht. Stattdessen wirkt vor allem Bushido in Vorahnung der Unsummen, die "CLA$$IC" in die Labelkassen spülen wird, fast schon zufrieden und satt. Shindy macht da weiter, wo er mit "FVCKB!TCHE$GETMONE¥" aufgehört hat. Das macht zwar immer noch Spaß, gemessen an den Erwartungen, die die Ankündigung eines gemeinsamen Albums im Vorfeld schürte, hinterlässt das Endprodukt aber einen faden Beigeschmack. Das "Watch The Throne"-Gefühl, dass da irgendwie mehr drin gewesen wäre, degradiert "CLA$$IC" zu einem in Anbetracht ihrer Protagonisten überraschend egalen Album.

Trackliste

  1. 1. Brot Brechen
  2. 2. CLA$$IC
  3. 3. G$D
  4. 4. Megalomanie
  5. 5. Gravitation (feat. Marteria)
  6. 6. $onny
  7. 7. Verlieren Hassen
  8. 8. FAZ
  9. 9. Adel
  10. 10. $hindy
  11. 11. Freier Fall Nach Oben (feat. Yasha)
  12. 12. Rap Leben
  13. 13. Glänzen
  14. 14. Über Alles (feat. Ali Bumaye)
  15. 15. Mama Weiß Auch
  16. 16. Ist Nicht Alles

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37 Kommentare mit 121 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Ich sage es, wie es ist: schlechtes Album.

  • Vor 9 Jahren

    Irgendwie kann ich der Review nicht groß widersprechen. Das Album klingt rund und gerade Shindy kommt auf solch fetten und majestätischen Produktionen natürlich gut rüber. Bushido dagegen wirkt leider echt immer wieder mal wie ein Fremdkörper, auch wenn er sich redlich bemüht. Das macht es aber ja nicht besser, zumal lyrisch alles um den eigenen Bauchnabel und die eigene Überlegenheit gegenüber dem Rest der Szene kreist. Die Ignoranz-Schiene wird zwar konsequent, aber nicht immer geistreich genug durchgezogen, um durchweg zu unterhalten, auch wenn es hier und da ein paar gute Lines gibt. Das Marteria-Feature ist dagegen so überraschend gut wie die Yasha-Hook erwartbar scheiße.

    Letztlich machen mir die Solo-Projekte der beiden dann doch mehr Spaß und es gibt ja immer noch "Watch the Throne", wenn ich mal Lust auf ein Rap-Gipfeltreffen bekomme. Läuft schon wenige Tage nach Release kaum noch. Leider trifft es "egal" ganz gut. Kann man sich mal anhören, muss man aber nicht unbedingt. 2-3/5 wegen der Produktionen.

  • Vor 9 Jahren

    Das Album ist langweilig und eintönig. Das Konzept und große Teile der Produktion klingen wie von Watch the Throne übernommen. Dazu ein Bushido der auf den meisten Beats hoffnungslos untergeht, weil sein Standartflow dort nicht funktioniert. Shindy kommt souveräner, aber wirklich begeistern tut auch er net.