laut.de-Kritik

AC/DC und Avicii mit Flamenco-Vibe.

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Das Filmorchester Babelsberg wurde zu Stummfilmzeiten vor 107 Jahren unter dem Dach der Produktionsfirma UFA gegründet. In den vergangenen Jahren erklangen die Blechinstrumente und glitten die Streicherbögen auch für Pop- und Singer/Songwriter-Acts: Neben Alphaville und Dota Kehr waren auch Jesper Munk und nun Café Del Mundo an der Reihe. Dabei ist Café Del Mundo schon von Haus aus eine Art Crossover: Das Duo hat sich dem Brückenschlag zwischen Klassik und populärer Musik verschrieben. Im Mittelpunkt: zwei Gitarren.

Die beiden Zupfmeister Jan Pascal und Alexander Kilian lieben besonders den andalusischen Flamenco und veröffentlichten lang Zeit über ein Label, das auch Jamaram oder Quadro Nuevo releaste. Seit einigen Jahren ist das Café Del Mundo gleichwohl unabhängig unterwegs. Das Selfmade-Gespann denkt nun groß und covert Filmmusik von Ennio Morricone, Hans Zimmer und Alain Silvestri ("Forrest Gump"), aber auch den großen Klavier-Komponisten Sergej Rachmaninow - Seite an Seite mit AC/DC, Avicii und Coldplay. Das kann sich wahrhaft eine "GuitaRevolution Symphonic" nennen, sozusagen Evolution und Revolution in einem.

Dass Johann Pachelbels Kanon in D-Dur diverse Genres durchwanderte, daran konnte man sich schon spätestens in den 90er-Jahren gewöhnen, als Adaptionen von Green Day bis Coolio auftauchten. So überrascht es auch nicht, wenn Johann Sebastian Bach, der berühmteste Barockkomponist, im Pop-Umfeld auftaucht. Aufhorchen lässt eher, dass unmittelbar nach dessen Suiten-Teil "Air" ein "AC/DC Medley" folgt - aus Sicht der beiden süddeutschen Saiten-Helden aber völlig plausibel.

In orchestrale Gefilde trauten sich die beiden bereits 2023 mit dem Royal Philharmonic Orchestra: Auf "Symphonic" zollten sie ihrem großen Idol Paco De Lucia Respekt und komponierten dafür alles selbst. Die Art und Weise, wie sie für die Fortsetzung "GuitaRevolution Symphonic" covern und sich eklektisch das stilistisch weit auseinanderliegende Material Untertan machen, hat etwas sehr Eigenes.

Anders als bei vielen ähnlichen Crossover-Ansätzen steht nicht der Gesang im Vordergrund, man verzichtet auf Vocals komplett. Und wir reden über sehr bekannte Stücke, die untrennbar mit ihren Lyrics verbunden sind, etwa Michael Jacksons "Smooth Criminal". Stattdessen übernimmt die Gitarre die Hauptrolle, und das gleich doppelt. Die beiden Gitarren legen sich kristallklar und pulsierend umeinander, eine sehr lebhafte Angelegenheit.

Damit nicht genug trimmen Alex und Jan den "Smooth Criminal", der in R'n'B und Electrofunk fußt, mit rhythmischer Finesse radikal auf Flamenco samt warmer, iberischer Sommernacht-Atmosphäre, die man mit dem Hit bislang überhaupt nicht verbunden hat. Plattes Covern klingt anders. Die Babelsberger Musiker:innen verpassen dem Gitarrensound noch unauffällig mehr Volumen.

Bei AC/DCs "Highway To Hell" legen sich die Babelsberger schon gewaltiger ins Zeug. Kolossale Riffs, die von der Monströsität her etwa wie Led Zeppelins "Kashmir" mit dreimal so viel Crescendo und Mezzoforte klingen: Das Filmorchester stampft förmlich um den zarten Flamenco herum. Angus Youngs insistierendes "Thunderstruck"-Gitarrenspiel übertragen Café Del Mundo mühelos auf die akustische Flamenco-Klampfe. So abgewandelt, bringen die Gitarristen AC/DC vermutlich auch jenen Cineast:innen schonend nahe, die eher Morricones "Cinema Paradiso"-Theme oder Hans Zimmers "Inception"-Beitrag goutieren.

Umgekehrt: Wer nicht auf Streicher steht und Lindsey Stirling nicht kennt, erlebt nun ihren Welthit "Crystallize" in neuem Gewand. Freilich kommen hier gleich mehrere Violinen vor, doch der Flamenco-Vibe verleiht dem Track eine frische, weniger pathetische Note.

Das Safri Duo war dagegen schon oft auf Klassik-Pfaden unterwegs, "Played-A-Live" fügt sich insofern gut ein, obwohl es etwas aus dem Rahmen fällt: Hier kommen auch Café Del Mundo nicht umhin, den Percussions den Vortritt zu lassen. Vergleichsweise wenig zu melden haben die Gitarren auch im opulenten "Interstellar" aus dem gleichnamigen Film, Hans Zimmer setzt im Original auf den Raumklang eines großen Ensembles.

Das Filmorchester agiert über Plattenlänge zwischen Abwarten und voller Aktion. Bratschen, Celli, erste und zweite Geigen dominieren - alleine für diese Positionen beschäftigt man in Babelsberg 22 bis 26 Personen. Eine Fülle, die auch mal erschlagen kann. Denn Sinn im Geiste des Komponisten Rachmaninoff ergibt die hier aufgeführte Fassung seines "Adagio Sostenuto" nur bedingt, geht es doch gerade beim 'Sostenuto' in der Dramaturgie um Gleichmäßigkeit statt einer Achterbahnfahrt. An mancher Stelle hätten sich Jan Pascal und Alexander Kilian von ihrem Begleitorchester tatsächlich mehr emanzipieren dürfen.

Unglaublich energetisch zeigt sich die Verfugung der beiden musikalischen Parts gleichwohl in Aviciis "Wake Me Up", in dem die beiden Hauptprotagonisten laute Stellen haben und auch das Filmorchester ordentlich Gas gibt. 'Viel hilft viel' stimmt in der Musik zwar oft nicht, gelingt in diesem Fall aber fast schon mit sensationellem Tiefgang: Dass so viel rhythmisches Feuer und Explosivität in diesem Song stecken, merkt man dem Original gar nicht an. Café Del Mundo kann man im kommenden Jahr in deutschen Theaterhäuser und Philharmonien live begegnen.

Trackliste

  1. 1. Mombasa
  2. 2. Viva La Vida
  3. 3. Crystallize
  4. 4. Wake Me Up
  5. 5. Cinema Paradiso
  6. 6. Love Theme For Nata
  7. 7. Interstellar
  8. 8. Played-A-Live
  9. 9. Smooth Criminal
  10. 10. Aranjuez, Mon Amour
  11. 11. Adagio Sostenuto
  12. 12. Air
  13. 13. AC/DC Medley
  14. 14. Feather Theme

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