laut.de-Kritik
Die einen haben einen geladenen Revolver, die anderen buddeln.
Review von Sven Kabelitz"Auf dieser Welt gibt es zwei Arten von Menschen. Die einen haben einen geladenen Revolver und die anderen buddeln!" Mag Clint Eastwood in Leones Dollar-Triologie auch die coolste Sau im Schweinestall sein, ohne die Musik von Ennio Morricone würde das Salz in der Suppe fehlen.
Eine Einsicht, die die Mailänder von Calibro 35 zu ihrem Dark Funk, Jazz, Rock und Afrobeat in CinemaScope inspiriert. Ihr kiesiger Sound mit harten Ecken und Kanten führt zurück zur dramatischen Filmmusik der goldenen 1960er. Vorzugsweise bedienen sie sich den Grundzügen des italienischen Kinos, doch keine Leinwand ist vor ihnen sicher.
Die Aufnahmen zu "Any Resemblance To Real Persons Or Actual Facts Is Purely Coincidental" dauerten gerade mal fünf Tage. Die entstandenen Songs bilden aber eine Zeitmaschine zu den unterschiedlichsten TV- und Film-Epochen. Für jede einzelne stellen sie eine Bereicherung dar.
Zu Karl Madens Knollennase in "Die Straßen von San Fransisco" macht "Any Resemblance To Actual Facts Is Purely Coincidental" mit Sicherheit eine gute Figur. "Rain On Concrete" spielt mit dem französischen Autorenfilm. Man wartet förmlich auf das klingelde Telefon am Ende. Aber niemand nimmt ab.
Enrico Gabriellis giftiges Funk-Clavinet verpasst "Thank You And Goodbye" einen grobkörnigen Superstition-Kolorit. "New Dehli Deli" führt mit seinen Sitar-Klängen zurück in das swingende London aus Peter Sellers "Der Partyschreck". "Birdy Num Num."
Mit ihren "Badababadadabadabas" und "Badambadambadamdambadadams" können "The Package" und das Motown-infizierten "Italian Band From BBQ" ihre italienischen Wurzeln nur schwer leugnen. Ohne weiteres lässt sich der Einfluss von erotischen B-Movie-Soundtracks wie Piero Umilanis "Svezia, Inferno E Paradiso" heraushören. Diesem haben wir immerhin den Sesamstraßen-Gassenhauer "Mah Nà Mah Nà" zu verdanken. Dank der Hilfe von Franco Godi hebt 'Segnior Rossi' freundlich seinen Hut zum Gruße.
Selbstverständlich für Calibro 35 finden zwei Neuinterpretationen ihren Weg auf "Any Resemblance ...". Ennio Morricones "Passaggi Nel Tempo" stammt aus dem Film "Leichen pflastern seinen Weg", "New York New York" hingegen vom Piero Umiliani-Soundtrack zu "Anastasia Mio Fratello". Beide Tracks gehen über das bloße Covern hinaus, erhalten eine neue Identität. Gefälschte Papiere, die "Passaggi Nel Tempo" zu einer kauzigen und erdrückenden Atmosphäre verhelfen.
Wie bei der Oscarverleihung 1999 mit Roberto Beniginis "Das Leben ist schön" stiehlt Italien den amerikanischen Kollegen die Show. Calibro 35 lassen die geliebte Menahan Street Band, The Budos Band und El Michels Affair alt aussehen.
Ein derbe funkender Spaß, der gleichzeitig die Lust stärkt, sich näher in die Filmmusik manch alter Schinken zu vertiefen. Zu guter Letzt heißt es nur noch den imaginären Abspann von "Any Resemblance To Real Persons Is Purely Coincidental" abzuwarten. Da endlich erscheinen die magischen Worte. Ich bin beruhigt: "No animals were harmed during the making of this record."
2 Kommentare
die sind ja auch wirklich extrem super. auch die alten sachen
giallo mucke galore