laut.de-Kritik
Mit dem Google-Übersetzer gegen den Stillstand.
Review von Sven KabelitzEs geschehen noch Zeichen und Wunder. Die italienische Vorzeigeband Calibro 35 bricht mit einer guten alten Tradition. Auf Album Nummer 4 findet sich erstmals kein Ennio Morricone-Stück. Überhaupt hat sich gar kein Cover-Song auf die Scheibe geschlichen. Diesmal haben die Criminal-Funk-Spezialisten ausschließlich selbst Hand angelegt.
"Traditori Di Tutti" bietet nach wie vor ein derbes Gemisch aus Dark Funk, Jazz und Rock für den imaginären Soundtrack. Wer sich den Film zum Kopfkino nicht durch fremdbestimmte Bilder verderben lassen mag, sollte einen Blick ins Booklet unterlassen. Hier werden, netterweise sogar auf deutsch zu jedem Track kurze Mood-Empfehlungen gereicht.
Die Übersetzung ähnelt dabei aber einer ebenso skurrilen wie charmanten Speisekarte aus dem letzten San Marino-Urlaub. Da wird aus "A car been found in the canal" ein "Ein wurde im Kanal gefunden" und aus "Deadly Weapon" eine "Tote Waffe". Google-Übersetzer, ick hör dir trapsen.
Ärgerlich, wenn den Mojo-Track "The Butcher's Bride" all zu plattes Frauengestöhne zerstört. Vorhersehbar und langweilig platziert, bietet es nicht den geringsten Mehrwert. Das mag 1967 bei Serge Gainsbourg noch frivol geklungen und für einen Skandal gesorgt haben. 2013, nach hunderttausenden Wiederholungen, kann man darauf getrost verzichten.
Viel besser fährt es sich da schon mit "Miss Liva Ussaro" und "Annoying Repetitions" die nächtlichen Straßen von Mailand entlang. Mal durchzieht eine Frauenstimme, Mia Farrow ähnlich, die dämmrige Atmosphäre wie in Krzysztof Komedas "Lullaby" aus "Rosemaries Baby". Das andere mal blinkt kurzzeitig Abbas "Lay All Your Love On Me" auf, wenn sich das "Prologue"-Motiv wie die Scheinwerfer eines grünen Alfa Romeo Montreal in den Pfützen der Straßen spiegelt.
In die wirren und "unerwarteten Nebeneffekte des Drogengebrauchs" versetzt uns Massimo Martellotta dank einer Philicorda in "Mescaline 6". Ein schrundiges Indie-Gitarrenriff durchzieht "Traitors". Die tote Waffe "Stainless Steel" erhält durch Luca Cavinas knorrigem Bass und hautengen Bläsern eine raubeinige Stax-Note.
"Traditori Di Tutti" leidet am selben Problem wie ein weiterer Aufguss einer erfolgreichen Spionagefilmreihe. Wie in "Thunderball", dem vierten James Bond-Abenteuer, treten erste Ermüdungserscheinungen auf. Auf einem hohen Level beschreibt der Longplayer keine Geschichte, die uns nicht schon auf "Any Resemblance To Real Persons Or Actual Facts Is Purely Coincidental" besser erzählt wurde. Es macht immer noch Spaß, sich bei den wilden Verfolgungsjagden der Italiener auf den Beifahrersitz zu setzen. Doch die Zeit für eine Feinjustierung, Neuausrichtung oder Frischzellenkur der Serie scheint gekommen.
1 Kommentar
komplett großartige band. ich persönlich mag "ritornano quelli di" am liebsten. aber weltklasse sind die ja echt immer