laut.de-Kritik

Scheiß doch auf Castingshows.

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Bei Alben von Castingshow-Gewinnern und Gewinnerinnen, spricht man gerne davon, dass man Person XY den "perfekten Sound an den Leib geschneidert" habe. In Wahrheit heißt das natürlich nichts anderes, als dass der Souverän (Produzent) in Windeseile eine dem durch Quick-Fix-TV-Präsenz herauskristallisierten Image (der/die Wilde, Soulige, Nachdenkliche et cetera) passende Klangkulisse zusammengeschustert hat. Was per se so noch nicht bedeuten muss, dass der derartige Alben nicht auch einmal gut gehen könnten: nicht alles, was aus Castingshows kommt ist zwangsläufig Alexander Klaws, "Angel Of Berlin" oder der totale Bohlenismus.

"Die Jahre waren hart, kein High, nur Low / Und immer wieder diese Popstar-Show" sangen Die Fantastischen Vier 2004 noch in ihrem letzten wirklichen Hit "Troy". Eine gute Dekade später sah man das anders, und eine Hälfte der altehrwürdigen Band – genauer gesagt Michael "Smudo" Schmidt und Michi "Hausmarke" Beck – spielten bei The Voice of Germany Jury. Auch wenn sie über weite Strecken wie schrullige, leicht angedüdelte Onkels rüberkamen, fuhren Beck und Schmidt als angenehmerer Teil der wirklich sehr unangenehmen Jury (Rea Garvey von der Jahrhundertband Reamonn, Silbermond-Frontfrau Stefanie Kloß sowie Sunrise-Avenue-Sänger Samu Haber) den Sieg ein. Genauer gesagt ihr Casting-Schützling Charley Ann Schmutzler. Die überzeugte, zumindest sagt das der Volksmund, mit ihrer natürlichen Soul-Stimme auf voller Linie. Nun liegt Schmutzlers Debütalbum vor: "To Your Bones".

Bei Charley Ann Schmutzler hat man das Produzentenzepter an einen alten Bekannten des Hauses gegeben, und zwar an Thomilla aus dem Schoß der Kolchose, seines Zeichens Produzent, DJ und (gemeinsam mit Michi Beck) Turntablerocker. Dass Thomas Burchia, so Thomilla bürgerlich, es intus hat, Versatzstücke des Popgemüse-Beets zu einem eingängigen Etwas zu collagieren, ist aufgrund seines bisherigen Schaffens keine große Überraschung – und die Produzentenwahl stellt sich auf "To Your Bones" somit auch als goldrichtig heraus.

"To Your Bones" ist eine bunte Wundertüte aus Soul, Pop und R&B. Schon der Opener "Blue Heart" – mit diesem Song entschied Schmutzler die Show für sich – ist ein Treffer: Ein effektives Piano, ein wenig Sphäre, viel Reverb und Delay und ein rudimentäres Beatkonstrukt trägt das Stück und lässt Schmutzlers Stimme den Rest machen. "We're not gonna last forever, and it's gonna hurt like hell", singt sie – und immer wieder lässt ihr das Arrangement den größtmöglichen Platz. Charley-Ann Schmutzler schafft es, diesen Platz auszufüllen, die Stücke stimmlich zu tragen – und das gänzlich ohne Vokalspirenzchen wie genretypische Tonleiterübungen oder übertriebene vokalistische Blasiertheit.

In ähnlicher Gangart geht es auch bei "The Light" weiter, ehe dann beschwingte Bläser "Caramel" übernehmen und zu einem unbeschwerten Popsong machen, der auch von Lena Meyer-Landrut kommen könnte. "Wake Me Up" lebt dann von pulsierenden Trommeln und einem Klavierarpeggio, beginnt molllastig und geht dann – Überraschung – beim Refrain auf.

"No Sleep For The Wicked" kommt wie eine Amy Winehouse-Remiszenz daher, die Bläser treiben den Karren nach vorne, der Soul-Chor veredelt mit "uhs" und "ohs", Schmutzler spricht wicked wie Weekend aus, bringt aber auch hier erneut eine tadellose Gesangsleistung. Das wird sich auch in der zweiten Hälfte nicht mehr ändern: egal, ob Thomilla ihr reduziert-melancholische, balladeske Gerüste hinstellt ("To Your Bones") oder ob die Soulfraktion wieder übernimmt, sich die Vocals ins Gospelhafte steigern. Das letzte Stück, "Could I Have Fallen In Love", fällt dann in letztere Kategorie. Eine Soulballade für den Weg nach Hause, eine Orgel legt sich über die Piano-Akkordkadenzen, der Chor trägt einen nach Hause. "I know if I fall in love with you, I can't come back", singt sie am Schluss.

"I keep on twisting and resisting"? Widerstand unnötig, scheiß auf Castingshow oder nicht Castingshow: Mit "To Your Bones" ist Charley Ann Schmutzler und Turntablerocker Thomilla eine tadellose Popplatte gelungen.

Trackliste

  1. 1. Blue Heart
  2. 2. The Light
  3. 3. Carmel
  4. 4. Wake Me Up
  5. 5. No Sleep For The Wicked
  6. 6. Hitman
  7. 7. To Your Bones
  8. 8. Joy
  9. 9. Rivers Run To Red
  10. 10. More
  11. 11. Spit Blood
  12. 12. Could I Have Fallen In Love

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