Christian Lee Hutson - " Quitters"

Befreundet mit Phoebe Bridgers und Conor Oberst sollte man sein. Dann könnte man sie im Studio und auf der Bühne unterstützen - oder anrufen, wenn es ums eigene Material geht. Übernahm Bridgers die Produktion von Christian Lee Hutson Debüt bei ANTI, "Beginners" (2020), standen bei "Quitters" gleich beide am Mischpult.

Rat und Tat steuerten sie selbstverständlich auch bei. Doch wäre es unfair, Hutson auf die prominenten Namen zu reduzieren, schließlich ist er ein Singer/Songwriter der alten Schule mit der Gabe, auf seiner Akustikgitarre Lieder zu schreiben, die das gewisse Etwas besitzen. Bot "Beginners" noch eine Sammlung an Stücken, die sich über einen Zeitraum von zehn Jahren angesammelt hatten, startete Hutson für "Quitters" mit einem weißen Blatt Papier. Und mit Scott McClanahan 2017 erschienenen Roman "Sarah", der mit einem denkwürdigen Satz beginnt: "Ich weiß nur eine Sache übers Leben. Wenn du lang genug lebst, fängst du an, Dinge zu verlieren. Alles wird dir weggenommen: Zuerst verlierst du deine Jugend, dann deine Eltern, dann verlierst du deine Freunde, und am Ende verlierst du dich selbst" (Übersetzung von Clemens Setz, deutsche Version erschienen im Verlag Ars Vivendi).

Wie der Roman sind auch die Lieder auf "Quitters" semiautobiographisch. Die beschriebenen Menschen stammen jedoch nicht aus West Virginia, sondern aus Los Angeles, wo Hutson geboren ist und nach wie vor lebt. Ständiger Wandel, der das Leben tendenziell immer schlimmer macht, schließt eine gewisse Leichtigkeit des Seins nicht aus, und so beginnt das Album mit einem kurzen Lachen. Vielleicht ein Wink an eine weitere Bewohnerin von Los Angeles, Billie Eilish, die ihr Album "When We All Fall Asleep …" ebenfalls mit einem Lachen startete?

Hutsons erzählt zu gezupfter Akustikgitarre mit besonnener Stimme von einem Traum, in dem er das titelgebende Getränk ("Strawberry Lemonade") zu sich nimmt, während er Flipper spielt. Schnell wird er zum Albtraum, als er mit dem Bus nach Hause fährt ("What a pitiful hill to climb / Every night of my evil fucking life"). Drogen und Alkohol haben die Überhand genommen, letztlich bleibt nur die Flucht, "Pain is a way you can move through time / Visit people that are gone in your mind". Musikalisch wird das Stück immer dichter und lauter, Meg Duffy alias Hand Habits steuert ein brauchbares Solo bei, Oberst schreit im Hintergrund.

Ein gelungener Einstand, und doch nicht typisch fürs Album - man könnte meinen, Hutson habe im Vorfeld die Solowerke Neil Halsteads, dem Frontmann von Slowdive, und Mojave 3, das Seitenprojekt Halstead mit Slowdives Frontfrau Rachel Goswell, studiert. Shoegaze meets Folk meets Indierock also, auch wenn eher von der nachdenklichen als von der lärmenden Seite.

Ein Album, das sich dazu anbietet, immer und immer wieder gehört zu werden. Und gute Zeilen bietet. Etwa in "Rubbernecks", das auch ewas versteckt das Titelwort enthält: "This city is full of quitters, lost lap sitters, contest winners. Where do you want this to go? Fuck if I know" (in etwa: "diese Stadt voller Aussteiger, trostloser Sexarbeiter, Wettbewerbsgewinner. Wohin soll uns das führen? Woher soll ich das wissen").

Für Hutson geht es zunächst raus aus der Stadt: Zeitgleich mit der Veröffentlichung dieses Albums im April 2022 begibt er sich auf eine mehrmonatige Tour, in den USA im Vorprogramm von Bright Eyes, in Europa unter eigenem Namen mit Auftritten in Hamburg und Berlin.