laut.de-Kritik
Hymnische Refrains inmitten austauschbarer Riffs.
Review von Yan VogelDas Amory Wars-Konzept geht in die nächste Runde. Wie gut, dass das Setting im Sternensystem Heaven's Fence genügend Möglichkeiten bietet, Charaktere zu kreieren. Insofern ist der vorliegende Song-Zyklus aus der Feder von Coheed And Cambria nur der erste Teil einer fünf Alben umspannenden Pentalogie.
Die achtzig Minuten vergehen leider nicht im Flug, was an den immer gleichen Songstrukturen liegt. Auf Strophe/Refrain/Strophe/Refrain folgt ein C-Teil und der Refrain bis zum Abwinken. Wie dieses auf Dauer ermüdende Raster mit dem Storytelling korrespondiert, scheint schleierhaft. Die Entwicklung findet nämlich nur zum Refrain hin statt, der das Nonplusultra eines jeden Tracks abgibt. Zugegeben beherrscht Claudio Sanchez sein Handwerk und liefert eine Hammer-Hook nach der anderen ab. Was nichts daran ändert, dass die meisten Parts innerhalb eines Songs generisch und konstruiert wirken.
"The Gutter" ist ein Midtempo-Stampfer mit Billy Talent Chipmunk-Shouts und einem "The Black Parade"-Gedächtnis-Part, den seinerzeit My Chemical Romance bei Queen gestohlen haben. Nintendo-Sounds und Robotic-Vocals verleihen vielen Songs, wie etwa dem schleppenden "Night-Time Walkers" oder dem zuckrigen Titeltrack, eine gewisse Achtziger-Grundierung.
"Lucky Stars" tönt wie eine Schnulze par Excellence mit Streichern, Akustik-Gitarren-Geklimper sowie Gilmour-Solo und funktioniert als Kontrapunkt zum hit-orientierten Midtempo-Material der vorherigen 75 Minuten erstaunlich gut. "The Dark Sentencer" und "Toys" liefern mit ihrer rauen Gangart ein hohes Niveau, was die Band gerade in der zweiten Hälfte nicht mehr durchgängig erreicht.
Analog des Weges, den Rush mit Sanchez Sangesbruder Geddy Lee gegangen sind, entwickeln sich Coheed And Cambria weg von linearen Storytelling-Epen hin zu fass- und nachvollziehbaren Songs mit einigen technischen und metrischen Finessen.
Entsprechend referiert die Band ständig ihre Hits wie "A Favor House Atlantic", "Welcome Home", "No World For Tomorrow" oder "Feathers". Die Band geht somit auf Nummer sicher und zieht eine bekannte Phrase nach der nächsten aus dem Wuschelkopf. Insofern behält das Quartett seine entschlackte Haltung des Vorgängers bei. Sanchez und Co. sind die ewig jung gebliebenen Emo-Progger, die ihren Sound mit schmissigen Melodien zwischen Alternative, Post-Hardcore und Metal austarieren.
So ausgeklügelt das Konzept auch daher kommt. Einen künstlerischen Mehrwert in Bezug auf die Musik bietet es nicht. Es existiert als Marketing-Instrument und bereichert den Merchandising-Shop. Nicht weniger, aber leider auch nicht mehr. Was bleibt ist ein stellenweise überwältigendes Nebeneinander hymnischer Refrains inmitten austauschbarer Riffs und Instrumental-Passagen. Wie moderner Prog mit gesunder Pop-Denke geht, stellten dieses Jahr TesseracT, Annisokay oder Erra bedeutend besser unter Beweis.
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musik für reav, mfizzo, hulud, hatebreed