laut.de-Kritik
Das Genre Power-Pop regieren heute die Kriegskinder.
Review von Philipp KauseDie Cold War Kids bleiben ihrem diskographischen Chaos treu. Ordnete die Band zu Jahresbeginn auf "This Will All Blow Over In Time", was bisher geschah, entscheiden sich die besten Indie-Rocker für Menschen, die Indie-Rock hassen, nun für acht ganz neue Songs. Wenige Sekunden bleiben sie unter 30 Minuten, für eine EP etwas lang, für eine LP etwas kurz. Den Tracks auf "New Age Norms 1" sollen irgendwann ein Teil zwei und drei folgen.
Frei nach dem Motto "Qualität vor Quantität" liefern die Cold War Kids lauter exzellente Power Pop-Perlen, die schnell ins Ohr gehen und wahrscheinlich lebenslang drin bleiben. Stil und Platte lassen sich in einem Atemzug beschreiben: Power Pop nannte man ab den späten 60ern eine Strömung im Rock, die druckvolle Bässe und fröhlich voran stürmendes Schlagzeug mit den Gute Laune-Vibes von Surf Pop verbindet, geradlinig und melodiös.
Die euphorischen Songs zeichnen sich meist durch einen knackigen Spannungsbogen, vier psychedelisch orgelnde oder verzerrte Takte nach dem zweiten Refrain, Prägnanz und Kürze aus. Kennzeichnend ist oft auch ein Klavier als dominantes Instrument, wie die Cold War Kids es hier in "Beyond The Pale" einführen. Wichtige Vertreter des Power Pops in den 2000er Jahren waren The Magic Numbers, The Killers und Ben Folds, historisch prägen die Small Faces oder etwa INXS das Sub-Genre. Ins Vakuum während der 2010er Jahre dringen jetzt die Cold War Kids ein und legen ein Musterbeispiel für mitreißende Power Pop-Hymnen hin.
Die Platte könnte man nicht besser machen. Selbst Wut klingt hier fröhlich, mit der Lebenseinstellung "Smile to your haters!": "Dirt In Your Eyes" etwa handelt von zwischenmenschlichem Zwist, einer Trennung, einer Abrechnung und dem Umgang mit Vorwürfen. "We are not meant to be / I told you so / No need to point your fingers / that would be cold", gibt der Ich-Erzähler zu bedenken. Es geht darum, wie man eine Trennung nach außen 'verkauft'. Ob man etwa zugibt, dass es an beiden lag, an der Situation. Ob ein wechselseitiges Einvernehmen über den Abschied gelingt. Doch die oder der Verlassene klammert, will sogar die Erzähler-Person damit erpressen, Schlechtes über ihn herum zu erzählen. "I know the game you're playing / This revenge is dangerous", warnt der Erpresste, und die nasale Stimme von Nathan Willett erklingt mit noch mehr Nachdruck als sonst schon.
In Falsetthöhe stimmen er und seine Bandkollegen Matthew und David zu einem "Woo-hoo-hoo / Woo-hoo-hoo" an und erzeugen wohlige Beach Boys-Harmonien. "You're ki-kick-kicking dirt in my eyes", du schmeißt mir Schmutz in die Augen, analysieren sie die Lage.
"4th Of July" zitiert ein bisschen den japanischen 80er-City Pop-Soul. "Calm Your Nerves" lehnt sich mehr an die Alternative-Wurzeln der Cold War Kids an. In "Tricky Devil" lebt sich der aktuelle Drummer, Herr Plummer, ehemals Modest Mouse, aus, und baut einen ruhigen und in sich doch spannenden Tune auf seinen Percussion-Schlägen auf.
Die Singles "Complainer" und, in MGMT-Manier, "Waiting For Your Love", waren schon vor dem Release über jeden Zweifel erhaben. In die Dramaturgie hier fügen sie sich ebenfalls super ein. Am meisten klebt sich aber das schnellste Lied in die Gehörgänge und zeigt nochmal die momentane Vorliebe der Kalter Kriegs-Kinder für stompenden Power Pop, Falsettgesang in schwebenden Höhen und elastisches Schlagzeugspiel: "Fine Fine Fine" heißt es. Und so ist die ganze Scheibe, absolut fein, fein und nochmal fein.
1 Kommentar
"Cold war kids were hard to kill
Under their desks in an air raid drill"
Lalalala