laut.de-Kritik
Mekon Delta für Einsteiger? Jedenfalls eine Klasse für sich.
Review von Michael Edele30 Jahre nach der vertraglich verlangten Best-Of "Coroner" und sogar 32 Jahre nach dem letzten offiziellen Longplayer "Grin" kommt die aus meiner Sicht beste Schweizer Band endlich mit einem neuen Album an. Die Rede ist natürlich von Coroner!
Mit Basser und Sänger Ron Broder und Gitarrist und Produzent Tommy Vetterli sind die beiden kreativen Köpfe wieder mit dabei und haben sich bei Tommys anderer Band 69 Chambers einfach Drummer Diego Rapacchietti ausgeliehen. In bewährter Trio-Situation haben sie mit "Dissonance Theory" ein Album aufgenommen, das vom musikalischen Inhalt her perfekt als Nachfolger von "Grin" passt.
Warum? Weil Coroner ihrer Zeit schon immer ein gutes Stück voraus waren und an dem technischen Thrash Metal mit Ausflügen in jazzige, avantgardistische Bereiche, fast jegliche Kritik abperlt. Worüber man sich früher streiten konnte, war der Sound der Alben, doch seit Tommy die Aufnahmen überwacht und Jens Bogren (Opeth, Kreator, Amon Amarth etc.) den Mix und das Mastering übernimmt, gibt es auch daran nichts mehr auszusetzen.
Nach dem bedrohlich klingenden Intro "Oxymoron" steigt "Consequence" mit der gewohnten Mischung aus Komplexität und Geradlinigkeit ein. Die leicht an Mille von Kreator erinnernden Vocals von Ron dürften für meinen Geschmack ein wenig mehr in den Vordergrund gemischt werden, aber das war schon immer ein Manko bei den Eidgenossen.
Ein Kumpel von mir hat Coroner einst respektvoll als 'Mekong Delta für Einsteiger' beschrieben und das trifft es nach wie vor recht gut. Auch wenn Ron die letzten Jahre vermutlich mehr mit einem Farbeimer als einem Bass in der Hand verbrachte, verlernt hat der Mann dabei mit Sicherheit nichts. Das versteht sich für Tommy und Diego logischerweise ebenso.
In Sachen Songwriting hat die Band ihr Können eher noch verfeinert. "Sacrifical Lamb" steigt mit seinen schleppenden Riffs in bester Celtic Frost-Manier ein, nur um mit chromatischer Rhythmik im Meshuggah-Style weiterzumachen, bevor es einen abrupten Wechsel in ein sehr melodisches und emotionales Soloteil gibt. Dieser Wechsel aus eingängigen Melodien und komplexer Rhythmik zeichnet "Dissonance Theory" durchgehend aus.
Sei es das sehr melodisch, leicht orientalisch startende "The Law", das mit einer echten Hookline im Chorus versehene "Transparent Eye" oder das relativ straight nach vorne wegknüppelnde "Renewal". Ganz dem Titel folgend, lassen immer wieder leichte Dissonanzen in den Songs aufhorchen und unterbrechen so scheinbar den Hörfluss. Allerdings eben nur scheinbar, denn mit jedem Durchlauf wächst das Album und die vermeintliche Dissonanz fügt sich als logische Konsequenz ins Soundbild ein.
Ob man nun 30 Jahre sehnsüchtig auf ein Coroner-Comeback gewartet hat oder nicht: "Dissonance Theory" liegt nun in den Regalen und jeder, der sich nur ansatzweise für (technischen) Thrash Metal begeistert, sollte dem Album ein oder zwei Ohren leihen.


1 Kommentar
Den Hype habe ich noch nie verstanden. Ja, die sind technisch super, aber diese monotonen Vocals ohne Power, das funktioniert nicht für mich.