laut.de-Kritik
Vier traurige Kanadier suchen die Liebe im Nichts.
Review von Franz MauererMan soll zwar ein Buch nicht nach seinem Einband bewerten, bei Plattencovern sehe zumindest ich das aber anders. Weiß doch jeder Künstler, dass das Artwork das Aushängeschild für potenzielle Käufer darstellt und das, worauf die ganzen jungen Leute in Spotify stieren, beim Anhören. Meine zugegeben mutige These lautet: Wer das Plattencover nicht ehrt, steckt im Zweifel auch zu wenig Leidenschaft in das Gesamtprodukt.
Damit kommen wir zu "Nothing Left To Love", dem fünften Album von Counterparts. Was für ein auffallend hässliches Cover, das sich zudem einer sinnvollen Entschlüsselung entzieht. Die Dame ist tot, denn ihre Hand ist teiltransparent? Was macht das Messer da? Warum bleibt die Hand entspannt? Wer führt dieses Messer? Vermutlich soll es einfach der düsteren Stimmung des Albums zuträglich sein, aber das muss doch besser gehen als diese 15-Jährigen-Gebrauchs"kunst" à la My Chemical Romance.
Nach dem Vorbild des Covers hat nun auch meine Einleitung für eine düstere Stimmung gesorgt, und "Love Me" führt diese sogleich mit anfänglichem bedrohlichen Synthie-Geplänkel fort. Der Song überrascht etwas mit seiner schleppenden Art und hallenden Gitarren. Eine verzweifelte Atmosphäre baut sich auf, wenn Murphy "will you love me when there's nothing left to love?" brüllt, und das stimmlich noch eindrucksvoller, als bislang von ihm gewohnt.
Leider bildet der Song insofern eine Ausnahme, als dass die Symbiose zwischen Gitarren und Rhythmusfraktion sich ansonsten nicht recht einstellen mag. Die Genrefrage "Screamo oder Melodic Hardcore?" sei dahingestellt. Das Melodische ist jedenfalls nicht die starke Seite der Counterparts, sondern die Brüche im Song, das Spiel zwischen Laut und Leise, Rücknahme und Angriff. Musterbeispiel: "The Hands That Hold Me" oder das ebenfalls leicht Richtung Metal schielende "Cherished", das als gelungenster Song der Platte auch aus dem schematischen Breakdown-Muster ausbricht. Dagegen stellen die Gitarren bei "Seperate Wounds" nur Beiwerk dar, die Tempowechsel, gelungene Breakdowns und die Ab- und Zunahme der Angriffslust tragen nicht nur dieses Lied.
Angesichts der Melodien drängt sich der Eindruck auf, es fehle am Mut, um Gegniedel auch einmal wegzulassen. So bleiben die kurzen Gitarrenfiguren unnötige Ornamentierungen, stören gar das nach vorne gehende Ganze mit einfallslosen 0815-Passagen. Bei "Wings Of Nightmares" ist der Band im fertigen Song wohl nicht genug passiert, dann setzte man halt ein bisschen die Gitarren dazu. So hört es sich zumindest an.
Gelungen hingegen wirken die Ambiente-Anwandlungen, etwa im stimmungsvollen Synthie-Ende von "Your Own Knife". "Imprints" und "Ocean Of Another" beweisen, dass Gitarren das auch gut können, diesen Ansatz sollten Counterparts ausbauen. Man muss ja keine Shoegaze-Band werden, um die Möglichkeiten eines Instrumentes etwas sinnvoller auszureizen. Putney neigt als Produzent dazu, vorhandene Stärken auszubauen, ohne Schwächen auszumerzen. Das bewies er jüngst erst bei Knuckled Loose. Alten Hasen wie Pig Destroyer scheint er besser helfen zu können.
Hingegen konstant stark bleiben Brendan Murphys tolle Vocals. "Your Own Knife" können mit der erforderlichen Ausdauer und Variabilität nicht viele singen. Produzent Will Putney tat gut daran, Murphys Stimme im Mix weit nach vorne zu setzen, sie trägt das Album über weite Strecken. Dazu trägt bei, dass ihr im etwas zu sauberen und glatten Mix genug Rauheit gelassen wurde, nachzuhören in "Paradise And Plague". Das gilt im Übrigen auch für die cleanen Gesangspassagen, die Counterparts so bislang nicht einsetzten. Zum einen sind sie schlicht gut gesungen, zum anderen fügen sie sich organisch ein.
Die Texte funktionieren stilistisch gut, sie stören nicht und transportieren die über Albumlänge vorgetragene Verzweiflung in zahlreichen Todesfantasien gekonnt. Davon abgesehen haben die Songs aber nicht mehr als ihre Titel zu sagen, düstere Wortkombinationen wie "No man but me can disfigure my creation / I will absolve you of your sins and hurl you into hell myself" müssen es richten.
Zwar ist das Grund-Aggressionsniveau hoch, ganz ohne Handbremse kommt jedoch kein Song aus. Das führt zu einer hohen Homogenität, zur postulierten Verzweiflung passt es jedoch nicht. Counterparts schreiten quasi keine Trauerphasen ab, sondern klingen immer gleich angepisst. Der ruhige Schlusstrack "Nothing Left To Love" zeigt leider, dass die Schreikapelle ohne Aggressivität als Songwriter noch nicht dort angekommen ist, wo sie hinmöchte. Genau diesen Song haben Pygmy Lush schon etliche Male besser geschrieben.
"Nothing Left To Love" geht als gehobener Genre-Standard durch, Counterparts haben ihr Amalgam verfeinert. Sie liefern schon lange verlässlich, in einem Feld, in dem außer Touché Amoré viele Bands Probleme haben, ihre Formeln über lange Zeit wirksam zu halten. Das schaffen Counterparts, für ein sehr gutes Album reicht das Songwriting aber nicht. "Nothing Left To Love" zeigt eine gelungene Momentaufnahme einer Band, sich musikalisch öffnen will und sich mit dieser Scheibe dafür eine gute Ausgangsbasis geschaffen hat. Dabei darf man nicht vergessen, dass Murphy Bassisten und Schlagzeuger wechselt wie Italien Ministerpräsidenten. Entsprechend jung ist die Band in dieser Konstellation noch - und ihr Entwicklungspotenzial groß.
1 Kommentar
"Knuckled Loose", lel.