laut.de-Kritik
Erbauungspop zieht das an sich schöne Album runter.
Review von Franz MauererDas "Commitment" scheint er auf dem Cover zu scheuen, der schlicht exakt wie in meiner 00er-MTV-Erinnerung aussehende Craig David. Zunächst denkt man: Geradezu unverschämt, wie der Mann auch problemlos (gutaussehende) 35 sein könnte, aber er war einfach sehr früh dabei und zählt erst 44 Lenze. Sympathisch, dieses kleine Versteckspiel auf dem Cover, eine nahbare Verletzlichkeit, die einen neugierig macht.
Diese Nahbarkeit findet sich auf dem Album leider nur in den besten Momenten wieder. Dazu zählt zweifelsfrei der Titeltrack mit der so starken wie passenden Duettpartnerin Tiwa Savage, der brummt vor Soul und Herzschmerzpop. Eine starke Gitarrenfigur und ein verspielter Bass (den der Pressetext für "Afrowave" hält) reichen, um David den Teppich zu bereiten. Die alte Samtdrossel hat ihre suaven Eigenschaften behalten und eine neue, altersangemessene Farbe in die Stimme bekommt, die sich ungemein interessant anhört. Zwar haben sein Kumpel Mike Brainchild und Tre-Jean Marie (v.a. bekannt für seine Zuarbeit für Perrie und Mabel) und noch ein gefühltes Dutzend anderer Knöpfchenfürsten das Endprodukt merklich glatt geschniegelt, sie konnten den Charakter aber gottlob nicht aus der Stimme vertreiben. So braucht ein "Rain" kaum mehr als eine kitschige Gitarre, schon will man im Cardigan traurig durchs verregnete Southampton stampfen oder mit dem schlanken Beat von "So Special" auf einer Rooftop-Bar einen Cocktail schlürfen.
Zwar ist "Leave The Light On" mit der gewohnt durchschnittlichen Louisa Johnson insofern nichts, als dass sie den Text scheinbar nicht versteht, Craig dagegen hat etwas unwiderstehlich Flehendes, wenn er verlegen-verdrückt darum bittet, sie möge das Licht für ihn anlassen. Seine Bridge ist gerade durch ihre Zurückhaltung bärenstark, wenn der Bumsbalearenbeat darunter nur nicht wäre. "In It With You" hebt dagegen JoJo, die sich wohler fühlt auf der divenhaften Nummer und David stimmlich überlagert. "SOS" geht noch ok, das karibische Flair ist angenehm, wäre nur das aggressive Geschnipse und die zu weit nach vorne gemischten Beats etwas weniger perkussiv, das Blechtrommelelement geht so verloren; das fühlt sich 85% nach Studio in London an und nur zu 15% nach Strand. "Your Way" macht das schneller und besser, wie überhaupt der Brite mit schlafwandlerischer Sicherheit mit schnellen Sprechpassagen zurechtkommt und diesen einen eigenen Stempel aufdrückt.
"Mr Right" fühlt sich so an, wie ich David in Erinnerung hatte: Wie aus einem Key & Peele-Sketch, tendenziell schmierig und fingerschnipsend mit anzüglichem Dauergrinsen und debilen Lyrics: "If love is what you neeeeeed / then I goooot whaaat you waaant". Fürchterlicher Schund, dasselbe gilt ein bisschen weniger harsch urteilend für das langweilige "Dominoes". Der Opener macht es nur ein wenig besser mit seiner militant guten Laune, die gar nicht zum Sujet der nicht erwiderten Liebe passt. Die aggressiv-drängende Rapeinlage ist das Beste an dem inkohärenten Ding. Die erste Single "In Your Hands" kann David selbst gar nicht gut finden, man muss wirklich festhalten, wie stark dieser Popschlagerscheiß das Album herunterzieht mit seinem idiotischen, gekünstelten Gepfeife. Wie man auf seinem neunten Album noch immer so eine Angst haben kann vor dem eigenen Talent, das erschließt sich nicht.
Dabei nimmt man die stilistische Breite schon ein Stück weit ab; das ist nicht alles nur da, damit auf der Wand möglichst irgendwas kleben bleibt. Als Ummz-Ummzler mag ich natürlich die House-Ansätze von des ordentlichen "Last Chance With You", die aber immer gegengespielt werden müssen mit allzu routinierten Pop-Elementen, anstatt ordentlich mit ihnen zu arbeiten. Fast wirkt es wie Hilfeschreie, wenn Craig auf "Perfect Love" passagenweise nur noch hilflos säuselt und summt, weil ihm für diesen perfekten Stangen-Erbauungspop-Müll partout keine Lyrics einfallen wollen und er doch so viel mehr könnte.
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