laut.de-Kritik

"Digital Love" in Vollendung.

Review von

Nicht kleckern, sondern klotzen. Oder besser: was Neues schaffen. Seit der selbst bei Rockfans beliebten rauen House-Platte "Homework" (1996) und der poppigen Megaseller-Single "One More Time" (2000) besitzen Daft Punk genügend Potenz und Reichweite, ihre eigenen Visionen zu verwirklichen. So gaben sie für jeden Track des "Discovery"-Albums (2001) ein Anime-Video (Manga-Comic im bewegten Bild) beim japanischen Altmeister Leiji Matsumoto in Auftrag und machten die Platte bewusst zum Soundtrack eines Weltraum-Abenteuers. Mitte 2003 stellte das Frenchhouse-Duo dann die 14 hintereinander geschalteten Clips als "erstes animiertes House-Musical" beim Filmfestival in Cannes vor.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Nach kurzem, plakativem Matsumoto-Statement kündigt eine intergalaktisch leuchtende Gitarre das in Ton, Bild, Farbe und Licht perfekt umgesetzte Spektakel an. "Interstella 5555 - The 5tory Of The 5ecret 5tar 5ystem" strickt konsequent die Geschichte zu Ende, die die filternden Franzosen in den vier "Discovery"-Videos begonnen haben. Vier blauhäutige Musiker aus einer fernen Galaxie werden von einem allmächtigen Plattenboss gekidnappt, auf der Erde zu willenlosen Werkzeugen für die Musikindustrie umfunktioniert und steigen als The Crescendolls, ausgerechnet mit einem Song namens "One More Time", zur weltberühmtesten Band auf. Doch ein Fan der intergalaktischen Band ist damit alles andere als einverstanden.

Dass während des 65-minütigen Science Fiction-Märchens kein Wort fällt, stört kaum. Orientiert sich der Plot doch an leicht nachvollziehbaren und klassischen Hollywood-Kriterien. So wird der ewige Kampf zwischen Gut und Böse thematisiert und an die bekannte Palette menschlicher Emotionen appelliert. Garniert mit reichlich Action und von modernen Kamera-Einstellungen eingefangen, besitzt "Interstella 5555" ohne Zweifel Kino-Qualität. Zeichnerisch mischen sich Captain Future-Ästhetik mit einem in den Neunzigern populären, kantigen Comic-Stil. So dominiert bei den Szenen auf der Erde eine scharfe Linienführung à la Batman, während der eigentliche Heimatplanet der Crescendolls in warmes Licht getaucht ist.

Zeichner Matsumoto, der in den Siebzigern besagte Captain Future-Serie erfand, Regisseur Kazuhisha Takenoushi ("Dragon Ball") und die am Storyboard beteiligten Musiker Thomas Bangalter und Guy-Michel de Homen-Christo schufen kein allein auf Retro-Trends schielendes Fast Food-Menü, sondern eine vier Millionen Euro teure, perfekt gestaltete Umsetzung des Daft Punk-Sounds. Die Feature-Sektion rekapituliert einige technische Vorarbeiten zum Film, bietet kurze Biografien, nicht wirklich spannende interaktive Spielereien, schöne Karaoke-Files und weiteres Bonusmaterial.

Parallel zum Film veröffentlichen die Franzosen das Remix-Album "Daft Club" mit bisher nur online erhältlichen Versionen einiger "Discovery"-Songs (u.a. von The Neptunes und Basement Jaxx durch den Wolf gedreht). Momentan laufen auch die Vorbereitungen zum nächsten regulären Album an. Man kann gespannt sein, denn Daft Punk fühlen sich nach wie vor frei von den Zwängen des Musikbiz': "Wir haben die finanzielle Unabhängigkeit, um außerhalb dieser Strukturen experimentieren zu können", kündigten sie jüngst an.

Trackliste

  1. 1. One More Time
  2. 2. Aerodynamic
  3. 3. Digital Love
  4. 4. Harder, Better, Faster, Stronger
  5. 5. Crescendolls
  6. 6. Nightvision
  7. 7. Superheroes
  8. 8. High Life
  9. 9. Something About Us
  10. 10. Voyager
  11. 11. Veridis Quo
  12. 12. Short Circuit
  13. 13. Face To Face
  14. 14. Too Long
  15. 15. Aerodynamic (Daft Punk Remix)

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