laut.de-Kritik
Schnauze-voll-Schlager ohne Feingefühl zu Boxauto-Beats.
Review von Dominik LippeWenn die Publikumsmagneten des schalen Schlagers ein Zwischenresümee ihrer Karriere ziehen, dann klotzen sie, statt zu kleckern. Sowohl "Das Beste" der Schlagerpiloten als auch das "Best Of" der Amigos hatten Umfänge, die einer Madonna-Kompilation nach 40 Jahren Weltkarriere zur Ehre gereicht hätten. Und auch Daniela Alfinito bündelt mal eben 40 Anspielstationen, die "eine einzigartige Sammlung ihrer größten Hits" ergebe, wie es ihr Label ausgedrückt hat. "Ein wahres Fest für alle Fans", dessen Weg an die Chartspitze die zeitgleich erschienene "Balance" von Beatrice Egli verbaut hat.
Obwohl sich ihre Lieder gleichen wie ein tausendjähriges Ei dem anderen, scheint Alfinito selbst ein Ranking zu führen. Mit "Dann Zieh Ich Meine Blue Jeans An", "Millionen Tränen", "Zwischen Himmel und Hölle", "Per Sempre Hab Ich Nie Gesagt", "Geh Dorthin Wo Der Teufel Wohnt", "Hallo Du", "Lass Uns Wieder Einmal Tanzen Gehn" und dem Titelsong ist ihr Album "Du Warst Jede Träne Wert" überproportional vertreten. Vor allem erstgenanntes Stück fällt repräsentativ aus. "An wahre Liebe glaube ich nicht mehr", klagt sie erst über Einsamkeit, um diese dann zur Unabhängigkeit umzudeuten.
Generell zählt Daniela Alfinito zur Strömung des Schnauze-voll-Schlagers, in deren Fahrwasser auch die weichgespülte Monika Martin treibt. "Stell mir keine Fragen. Ich will sie nicht mehr hören. Verschwinde in der Finsternis", knallt sie ihrem ehemals Liebsten vor den Latz ("Geh Dorthin Wo Der Teufel Wohnt"). Zu schmissiger Partymusik betrauert sie ihr "Herz in Scherben" ("Du Warst Jede Träne Wert") und ihre verstaubten "Seelen-Träume" ("Liebes-Tattoo"). Und angefressen fragt sie "Warum?", wenn ihre Anrufe unbeantwortet bleiben: "Ich ruf' dich an, doch du meldest dich nicht."
Andauernd steht die Sängerin am "Bahnhof Der Sehnsucht" und "weiß, der Zug der Träume fährt vorbei." Ihr beständiges Gefühl der Hoffnungslosigkeit kleidet sie dann aber in ein sehnsuchtsvoll gemeintes Gerüst, das die Text-Musik-Schere weit auseinanderklaffen lässt. Nur punktuell läuft es besser wie in dem astronomisch fragwürdigen "Ich Schenk Dir Einen Stern" oder dem größenwahnsinnigen "Ich Kann Träume Reparier'n". Doch schnell registriert sie wieder "die fremde Haut, der Duft von ihr" und setzt den verlogenen Partner vor die Tür ("Dein Schweigen"). "Ich hab' dir mal vertraut!"
Trost findet Alfinito vorrangig im Schoß der Familie. Und da die Ulrichs, so ihr gebürtiger Nachname, sowas wie der Remmo-Clan der Schlager-Welt ist, tummelt sich reichlich Verwandtschaft auf ihrem "Best Of". "Hand in Hand durchs Leben", flaniert Bernd Ulrich an ihrer Seite entlang in "Ich Träum Mich In Deine Arme". Mit dessen Bruder komplettieren sie die Amigos für "Dass Du An Meiner Seite Bist", um gemeinsam die süßlich-heile Familienwelt zu zelebrieren. Und frei von lästigem Gesangstalent erweist Filius Maurizio Alfinito seinem Großvater den Respekt ("Ein Mensch Wie Ein Bergwerk").
Doch niemand aus ihrem Stamm riet ihr vom größten Fehler der Kompilation ab. Gleich zu Beginn findet sich ein "brandneuer Song", wie schon das Cover verspricht. Dabei handelt es sich um das über 80 Jahre alte Soldatenlied "Lili Marleen". Einst von Lale Andersen gesungen, in der Nazi-Zeit kritisch beäugt, von Goebbels verboten und dank Marlene Dietrich zu Weltruhm gelangt. Die melancholische Sehnsucht der berühmten NS-Gegnerin planiert Alfinito geschichtsverzerrend mit ihrem Schunkel-Rhythmus. Mental ist das Lied damit praktisch in der Schönfärberei des Heimatfilms angekommen.
Nach der jüngsten Amigos-Geschmacklosigkeit "Eine Kerze Und Rote Rosen" aus "Atlantis Wird Leben" handelt es sich bei "Lili Marleen" um einen weiteren Beweis für das fehlende Feingefühl im Schlager-Zirkus. Die stets gleichtönenden Boxauto-Beats trägt Alfinito sogar mit einem gewissen Stolz vor sich her. "Löwenmut", "Frei Und Grenzenlos", "Ich Krieg Mein Herz Nicht Aus Dem Kopf" und "Ich Bin Wieder Ich" finden sich sogar in ihren "Karaoke"-Versionen wieder, die laut den Marketing-Assen von Telamo für "unvergessliche Momente" sorgen sollen. Ja, das ist wohl zu befürchten.
7 Kommentare mit 11 Antworten
Geht unter die Haut.
Highlight ist Track 20: Alle Rundungen gebotoxt
Warte auf das Shindy-Feature.
Ein extra Stern, weil wegen Alf im Namen. Musikalisch natürlich über jeden Zweifel erhaben.
Ich frage mich, warum diese musikalischen Verbrechen immer wieder zugesandt werden. Kriegen die die Rezensionen nicht mit, oder ist wirklich auch jeder Verriss gute PR?
Das passt in solchen Fällen schon, denke ich. 1-Punkt-Wertungen bringen Topklicks und zur Kaufentscheidung tragen die Rezensionen weder bei Fans noch bei "Haltern" (also Menschen mit einem Minimum an Geschmack) bei. Hauptsache das Teil wird hier abgebildet und von möglichst vielen gesehen...
*Hatern*
Wahrscheinlich ja. Wundert mich dennoch.
Der Wu-Tang Clan der Schlagerwelt
Und die 36 Chambers sind dem Fritzl sein Keller. So langsam macht das Sinn.
Ol' dirty Alfi, Villingen Zoo.
Aber auch deutscher Stevie Nix weil immer gleiche Beat und drei Alben weißes Oberteil=affraid of changin'. Vielleicht.