laut.de-Kritik
"Totengräber, wenn du mein Grab schaufelst ..."
Review von Giuliano Benassi"Totengräber, wenn du mein Grab schaufelst, mach es bitte nicht tief, so dass ich den Regen spüren kann", singt Dave Matthews in "Gravedigger", der ersten Singleauskopplung dieses Albums. Er bestätigt damit seine Ausnahmestellung in der US-amerikanischen Musikszene: Wer sonst könnte es sich erlauben, mit solch einem Thema so viel Interesse zu wecken, dass das Album auf Platz zwei in die Charts einsteigt?
Matthews steht für gut anhörbare Musik mit Tiefgang, wie er hier wieder eindrucksvoll beweist - zum ersten Mal ohne das Anhängsel "Band" hinter seinem Namen. Mittlerweile atmet er die gleiche Höhenluft wie U2 ein; nicht nur, was den Umfang seiner Stimme betrifft, die immer wieder an Bono erinnert, sondern auch bezüglich seines lockeren Umgangs mit Stilen, die er auseinander nimmt und zusammensetzt, ohne dabei künstlich verspielt zu wirken. Von der einfachen Begleitung einer Akustikgitarre ("Some Devil") über Gospeleinlagen ("Save Me") bis hin zu einer apokalyptisch anmutenden Orchestercoda ("Too High") kommen Rock, Blues, Reggae, Sakrales und Symphonisches zusammen, ohne dass sie sich beißen oder deplatziert wirken.
Eigensinn beweist Matthews auch mit seinem Texten. Bei einem Freund sei er auf National Geographic-Ausgaben aus den 30er Jahren gestoßen, erzählt er zum Opener "Dodo", und habe mit Erstaunen festgestellt, wie positiv Adolf Hitler in den USA vor dem Zweiten Weltkrieg aufgenommen worden sei. "Mit der Zeit, wurde die Erde zum Ball. Heutzutage sind wir davon genauso überzeugt, wie wir es einst waren, dass sie flach sei", verallgemeinert er den Wandel von Gedanken und Prinzipien.
Überhaupt geht es auf "Save Me" um ernste Themen wie Liebe, Tod, Unsicherheit oder die Unmöglichkeit, zu sicheren Erkenntnissen zu gelangen. Dabei handelt es sich um die letzten Gedanken eines Mannes, der gerade mit seinem Auto von der Straße rutscht ("So Damn Lucky"), Beziehungsprobleme ("Some Devil", "Grey Blue Eyes", Stay Or Leave"), existentielle Fragen ("Gravedigger", "Save Me", "An' Another Thing"), aber auch um die Macht der Liebe ("Oh", "Baby", "Up And Away", "Too High"), die zwar keine Probleme löst, aber immerhin Trost spendet. Im Prinzip harter Tobak, den Matthews jedoch mit gelungenen Arrangements und Ironie auflockert. "Ich glaube, ich krieg eine Glatze", schreibt er etwa als Kommentar zu "Save Me".
Mit "Some Devil" ist Matthews ein Album gelungen, dass den Zuhörer nicht nur begleitet, sondern auch berührt. Es sei sein persönlichstes geworden, erzählt er dazu, deshalb sei die Band nur teilweise im Studio tätig gewesen. Auf ihre Begleitung verzichtet Matthews vorerst aber nicht, wie eine Liveaufnahme vom letzten Sommer aus dem New Yorker Central Park beweist. In den USA soll sie Mitte November erscheinen - auf bescheidenen drei CDs und auch als DVD.
Noch keine Kommentare