laut.de-Kritik

Jeden Tag Geburtstag? Irgendwie doof.

Review von

David Bowie hat sich in sein New Yorker Märchenschloss zurückgezogen. Nach einer Herzattacke im Sommer 2004 hört er auf seinen Doktor. Er malt und genießt mit Gemahlin Iman entspannt fröhlich seinen Vorruhestand: Nur noch gelegentlich schreitet er die Stufen hinab und verteilt überarbeitete Werke und andere Leckerbissen unter seinen Jüngern.

Neun Jahre nach "Reality" und sechs Jahre nach seinem letzten Liveauftritt haben selbst die unverbesserlichsten Optimisten den Glauben an ein neues Album verloren. Aber wer will es dem Thin White Duke nach unzähligen Meisterwerken schon übel nehmen?

Nachdem die 1970er nun mit den 30th Anniversary Editions abgegrast wurden, folgen nicht etwa die unsäglichen 1980er mit Alben "Tonight", "Never Let Me Down" oder gar dem Soundtrack zu "Labyrinth". Nein, das Schwein wird einfach noch einmal durchs Dorf getrieben. Willkommen bei der 40th Anniversary Edition.

Major Tom war bereits dran, jetzt kommt Ziggy zu Ehren. Selbst als größter Fan darf man während der Feierlichkeiten mit Hütchen auf dem Kopf und Tröte im Mund an dieser Veröffentlichungspolitik zweifeln. Jeden Tag Geburtstag haben wird irgendwann eben doch langweilig und doof.

Vor allem, wenn es so wenig Neues zu berichten gibt. Der Kuchen ist der gleiche wie schon in den vergangenen vierzig Jahren. Schmecken tut er jedes Jahr lecker, aber irgendwann schimmert doch ein wenig die Monotonie durch. Vor allem, wenn dieses Jahr der Zuckerguss fehlt.

Neben dem von Ray Staff in den Londoner Air Studios überarbeiteten Longplayer wird nicht viel geboten. Ein einfaches Gatefold und Songtexte in der Größe von Ameisendreck, das muss reichen. Ein nett gestaltetes Begleitheft oder mögliche Bonustracks wie "Velvet Goldmine", "Round And Round" oder das brillante "Amsterdam"? Fehlanzeige. Mit Verlaub, Herr Jones, das nenne ich lieblos. Dafür gibts massive Abzüge in der B-Note.

Dass ein Re-Release aus dem Hause Bowie so viel mehr bieten kann, wurde vor nicht mal zwei Jahren mit "Station To Station" unter Beweis gestellt. Wer doch etwas mehr möchte, kann zur seltsam anmutenden Kombination Vinyl/DVD im 5.1 Mix greifen. Doch nicht jeder hat 2012 noch einen Schallplattenspieler. Leider.

An dem Klassiker selbst gibt es nicht viel zu deuteln. Im Vergleich zu "Low" und "Hunky Dory" ist es nicht mal das beste Album Bowies in den 1970ern, sicher aber das prägendste. Die Geschichte vom Scheitern des drogensüchtigen und mit Aliens sprechenden Rockstars "Ziggy Stardust" machte aus dem Space Oddity-One-Hit-Wonder einen der größten Musiker seiner Zeit.

Die Einführung des Rock'n'Roll-Messias in "Moonage Daydream" mit Mick Ronsons ins Weltall abdriftenden Gitarrensolo bleibt einer der ganz großen Momente in Bowies Karriere. Selbiges gilt für das atemberaubende Finale aus "Ziggy Stardust", "Suffragette City" und dem anbetungswürdigem Avangarde-Chanson "Rock 'N' Roll Suicide". To Be Played At Maximum Volume. Das bis heute niemand so wirklich weiß, was das "It Ain't Easy"-Cover auf der Platte zu suchen hat - geschenkt.

Am 3. Juli 1973 tötete Bowie seine Kunstfigur im Londoner "Hammersmith Odeon" auf dem Höhepunkt des Erfolgs und machte Platz für seine eigene ausschweifende Kreativität. Dass ihr ein so langes Nachleben beschert wird, und sie heute noch einmal als Untoter die Welt erblickt, hätte er zu dem Zeitpunkt sicherlich nicht gedacht.

Wer dieses Stück Musikgeschichte noch nicht sein Eigen nennt, sollte tunlichst darüber nachdenken, diesen Zustand zu ändern. Ob dies allerdings mit dieser lieblosen Ausgabe geschehen muss? Ohne große Mühe lassen sich bessere Editionen finden. Machs gut Ziggy und eine schöne Zeit bis zur 50th Anniversary Edition.

Trackliste

  1. 1. Five Years
  2. 2. Soul Love
  3. 3. Moonage Daydream
  4. 4. Starman
  5. 5. It Ain't Easy
  6. 6. Lady Stardust
  7. 7. Star
  8. 8. Hang On To Yourself
  9. 9. Ziggy Stardust
  10. 10. Suffragette City
  11. 11. Rock 'n' Roll Suicide

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