laut.de-Kritik
Tanzparty im leeren Vergnügungspark.
Review von Josef GasteigerDie stilverquirlende Rummelplatz-Bande De Staat ist wieder da! Schon vor zweieinhalb Jahren trumpften sie mit ihrem Zweitling "Machinery" groß auf. Nachdem eine Spur zerlegter Clubs ihren Pfad säumte, gilt es nun, die hohen Erwartungen an Studioalbum Nummer Drei zu erfüllen.
Eines vorweg: Die Schuster bleiben grundsätzlich bei ihren Leisten. Ist ja nichts schlechtes, denn "Machinery" war ein abwechslungsreich erfrischender Zugang zur Rocktradition. Auf "I_Con" besinnt sich De Staat wieder ihrer Stärken und zieht diese konsequent weiter. Die verbreitete Stimmung geht wieder in die Richtung 'Schummeriger Club in verlassenem Vergnügungspark'. Dazu gibts viele kratzige Gitarren, rustikale Rhythmen, Glockenspiele und Querflöten, einen latenten Hang zur psychedelischen Düsternis und über all dem Torre Florim, der den königlichen Groove predigt.
Diese Konstante des Albums drückt sich auch schon im ersten Anlauf aufs Gehör. Alles fügt sich den rhythmischen Vibrationen, die den Kopf nicken und die Knie zucken lassen. Der perfekt zwischen die Metren genagelte Drumbeat von "All Is Dull" ist dabei nur das erste Ausrufezeichen in dem Tanzbarkeitsstatement namens "I_Con". Die ausexerzierten Grooves mit der meist einfachen, aber umso effektiveren Instrumentierung haken gleich ein, bis zu Lied Nummer Zehn lässt es sich ohne Problem in der Ecke abtanzen.
Bis dahin passiert einiges. Der gleichermaßen simple wie clevere Chorus von "Build That, Buy That" überzeugt auch die letzten Ungläubigen von Torre Florims Songwriting-Verständnis. Die croonende Single "Devil's Blood" mit ihrer fett abgehangenen Bassline trägt eine bittersüße Falsettmelodie spazieren, bevor mit einer staubtrockenen Dresch-Snare dem angedeuteten Fade Out der Garaus gemacht wird.
Das folgende "Witch Doctor" spielt am stärksten auf den unumgänglichen QOTSA-Einfluss an, kommt mit einem Akkord fast dreineinhalb Minuten aus und sandstrahlt kurz das tanzende Volk ab. So kompromisslos ging es bei De Staat noch nie zur Sache. Etwas aus der schrägeren Ecke kommt "Refugee", wo wirklich das ganze Frequenz-Spektrum mit allen möglichen Instrument ausgefüllt wird. Die trotzdem dunkle Industrial-Schlagseite lässt sich weder vom schallenden Refraingesang noch den Vocaleffekten abmildern und sorgt, wie so oft, für Gänsehaut.
Spätestens jetzt fällt auf, wie abwechslungsreich die Vocals auf "I_Con" geraten sind. Ob leicht gesäuselt, marktschreierisch oder kehlig-gehässig, eine unglaubliche Stilvielfalt, die der Mann am Mikro hier vom Stapel lässt. Zudem klingt Florim oftmals erstaunlich wie Damon Albarn.
Die treibende Elektrosause "Make Way For The Passenger" folgt zur Abwechslung dem Grundsatz 'schneller, höher, weiter' und stellt einen Unterschied zum Vorgänger in dem wirklich volleren Klangkostüm der Platte. Wie schon Sänger Florim ankündigte, verschmelzen nun noch mehr Soundquellen miteinander zu einem wilden Gebräu, synthetische Klänge miteingeschlossen, die Grundlagen sind aber nach wie vor die gleichen. Es rumpelt, es groovt, es regiert der Offbeat am Dancefloor, dazwischen sägen Gitarrenlines und akustische Gimmicks an allen Ecken und Enden. Da beklatschen De Staat am Ende vom springenden "Input Source Select" für ein paar Sekunden sich selbst, bis der Moment der Albumballade gekommen ist.
"I'll Take You" verspricht Torre inmitten zerbrechlicher Vocalharmonien, während dröhnende Pianotöne sich mit Gitarren verbinden und gänzlich in einer Klangwolke gen Himmel schweben. Ein klassischer Albumstopper, der die Geschwindigkeit maximal zurücknimmt, dadurch aber nochmal einen Anlauf für das Finale zulässt.
"Down Town" und "Wonderer" nehmen diese Vorlage gerne auf und katapultieren beide mit einem wuchtigen Offbeat wieder in schweißtreibenden Tanzmodus. Besonders "Wonderer" fährt dabei noch eine zusätzliche Breitseite an Gitarrenwänden auf. Und "Down Town" hätte auch genauso gut vor einigen Jahren aus der Bloc Party-Feder stammen können.
Irgendwann ist dann auch Schluss mit lustig. Rollende Percussion mit Schlittenglocken schleichen sich herein. Die Lampe, die im "I_Con"-Club brennt, flackert auf, die Tür auf das verlassene Vergnügungsparkgelände wird aufgestoßen, die Credits laufen. "The Inevitable End" schwillt echolastig an und ebbt wieder ab. De Staat erfinden sich nicht neu, angesichts der Klasse will das auch keiner. Sie ziehen die Schrauben an, verdicken den Sound mit ein paar Spuren und tanzen fröhlich ins Morgengrauen.
6 Kommentare mit 2 Antworten
letztes album ist zweieinhalb jahre her.
Die find ich super! Schade, dass die so unbekannt hierzulande sind. Hey laut.de, ihr wolltet mir seit der NIN-Kritik immer noch ne CD schenken wie wär's mit dieser? :b
Hast du denn deine Adresse an Redaktion@laut.de geschickt? Die "Back To Eurodance" wartet immer noch auf Dich.
ich habe gerade eine E-Mail geschrieben. Wenn tatsächlich die BTE-CD ins Haus flattert, hab ich aber auch noch n paar Perlen im Schrank, die nur darauf warten, einer überarbeiteten Musikredaktion zugestellt zu werden
Hachja, wie jung Tobi Schlegl auf dem POPCORN 2001 Sampler noch aussah!
Ich bin wieder sehr angetan. "Machinery" wird zwar nicht erreicht, aber das Niveau bleibt weiterhin sehr hoch. Man kann nur hoffen, dass diese Band auf der kommenden Tour nicht wieder vor 40 Leuten spielen muss. (Auch, wenn das eins der geilsten Konzerte meines Lebens war.)
Eine klasse besser als machinery. Bombenalbum
in der Tat ein außergewöhnliches Ablum und absoluter Tinitusbringer... bin mal gespannt, wie ich es nach dem x-ten Hören gegenüber Machinery empfinde
So, nach intensivem Hören kann ich sagen: Besser als der Vorgänger. Hier hätten ruhig auch mal die fünf Sterne gezückt werden können, die in letzter Zeit ja so inflationär vergeben werden. Schade, dass das Album selbst für laut-Verhältnisse unter dem Radar durchfliegt.