laut.de-Kritik

Ballerbudenbeat und Punkgitarre für die Wasted German Youth.

Review von

Wasted German Youth - was soll das eigentlich bitteschön sein, abgesehen von Paul Snowdens Berliner Modelabel? Laura Carbone kann uns da offenbar auch nicht wirklich weiterhelfen. "Erwarte keine Antwort, sei froh, dass du noch stehst", knallt sie uns launig um die Ohren.

Ohnehin scheinen Deine Jugend keine Freunde klarer Informationen zu sein: "Ist morgen vielleicht anders? Leg mich da nicht so fest / Denn der Lauf der Zeit erledigt schon den Rest". Bloß keine Pläne machen, denn wer weiß, wo, mit wem und in welchem Zustand man am nächsten Morgen aufwacht.

Schnelllebig, rotzig und abgedreht, so präsentieren sich Carbone und Produzent/Songwriter Tim Bonassis auf ihrem Debütalbum. "Wir Sind Deine Jugend", schon der Titel stellt klar: Wir haben keine Wahl, das Individuum wird kurzerhand kollektiviert und der Spaßgesellschaft einverleibt. Die beiden schieben uns ungefragt den goldenen Löffel in den Arsch. Keine Diskussion, keine Reflexion, kein Entkommen.

Die 14 Tracks taumeln zwischen Ekstase und stumpfem Partyzwang auf der einen, gefühligen Downer-Momenten und andächtiger Emotionalität auf der anderen Seite. Tiefgang scheint der Wasted German Youth, wie Carbone und Bonassis sie nicht ohne Ironie stilisieren, weitgehend fremd. Das Leben bewegt sich zwischen exzessiver Feierei in der Nacht ("Deine Jugend", "Rock The Basement", "Home Alone") und verkatertem Abtörn inklusive sentimentaler Durchhänger am Tag ("Kleiner Schritt", "Alles Zerbricht").

Unterlegt ist sowohl das eine als auch das andere manchmal mit reduzierter Punkgitarre, oft mit überdreht verzerrter Stimme und so gut wie immer mit wummernden Ravebeats aus der Dose, die mal nach schlackerndem Flat Eric ("Papa Geht Jetzt Steil"), mal nach einer stupideren Version von Boys Noize ("Cinnamon") klingen.

Nebenbei trendhuren sich der H&M-Punk und der musikalische Kopf durch das Repertoire aktuell angesagter Elektropunk/Synthpop-Zutaten: Einige Tetris-Tunes und Commodore-Sounds hier, ein bisschen Robyn-Kitsch da, ohne jedoch die Klasse der Schwedin zu erreichen, kombiniert mit Gagaesquen Popmomenten. Zudem gibts auf dem angepisst rockigen "Mama Geht Jetzt Steil" eine gut gemachte Referenz auf Trios "Da Da Da", in der das Duo konsequenterweise lieben bzw. nicht lieben durch das moderne Äquivalent des Höchsten der Gefühle ersetzt: Steil gehen.

"Sonnenbrille Im Club" reminisziert Corey Harts Überhit nicht nur textlich, auch die düsteren Soundnuancen haben den New Wave im Rücken. Auf "Deine Maske", das schon vorab als EP veröffentlicht wurde und erwartungsgemäß einen der besseren Tracks bildet, mag man dank der verspielteren Rhythmik und der einfallsreicheren Melodieführung mit Wohlwollen gar Apparat'schen Charakter heraushören.

Die Message der Scheibe komprimieren Deine Jugend auf "Feiern": Ballerbudenbeat, die im Gesamtwerk vielzitierten Neonlichter, plakative Banalitäten. Ganz klar: Das darf man alles nicht zu ernst nehmen, genauso wenig wie das unsubtile Drogenvokabular, das die Zwei aus dem Eff Eff beherrschen. Da die Platte unter dem griffigen wie hippen Stempel Elektropunk läuft, sind Bratze und Frittenbude auch nicht weit weg. Kaum verwunderlich also, dass sich Deine Jugend ebenso ungehemmt wie routiniert auf dem Audiolith-Schweinemarkt bedienen.

"Komm, wir nehmen das, was uns gefällt / Morgen schon wird alles anders sein": Der Bogen zum Anfang ist geschlagen, die Antwort gegeben. Morgen ist anders als heute und sowieso noch viel zu weit weg, um sich darüber Gedanken zu machen, rechtfertigt Carbone den ungehemmten Hedonismus der German Wasted Youth.

Diese Art der demonstrativen Anarchie, die die Flüchtigkeit des Moments, der Gefühle, des Lebens an sich spiegelt, provoziert spätestens seit Deichkind selbst den strengsten Kirchgänger nicht mehr. Audiolith ist ohnehin längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Deshalb ist auch hier der Schlüssel zur Platte, dem Duo eine gehörige Portion Selbstironie sowie Bewusstsein über ihre eigene Austauschbarkeit zuzutrauen.

So hat das Ganze dann doch einen erfrischenden Charme, und das nicht nur wegen Lauras süßen Brigitte-Bardot-Hasenzähnchen. Wer der zur Schau gestellten Geltungssucht, der Unersättlichkeit und den naiv-jugendlichen Sehnsüchten nach einer urbanen Dekadenz und Subversivität augenzwinkernd begegnet, kann der Platte einiges an Spaß abgewinnen.

Trackliste

  1. 1. Deine Jugend
  2. 2. Mama Geht Jetzt Steil
  3. 3. Kleiner Schritt
  4. 4. Sonnenbrille Im Club
  5. 5. Deine Maske
  6. 6. Feiern
  7. 7. Panik
  8. 8. Alles Zerbricht
  9. 9. Papa Geht Jetzt Steil
  10. 10. Rock The Basement
  11. 11. Schalt Mich Ein
  12. 12. Home Alone
  13. 13. Cinnamon
  14. 14. Kleines Lied

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3 Kommentare

  • Vor 14 Jahren

    Oh Gott... Früher war es in der Jugend cool einen auf alternativ zu machen, heute ist wohl eine dekadente Spaßgesellschaft aus Undercover-Bonzen mit Vintage-Chucks und iPhone angesagt. Ich werde zu alt für so einen Scheiss.

  • Vor 14 Jahren

    geht mir auch so.
    Die Werbeindustrie hat die Indie/-Alternativszene zuerst gründlich durchleuchtet, dann angefangen sie zu assimilieren und sie jetzt scheinbar vollständig übernommen.
    Habe letztens mal einen Artikel über einen Kulturwissenschaftler gelesen, der sagte dass die letzte authentische Jugendkultur die der Neonazis sei.
    Da könnte traurigerweise was dran sein.

  • Vor 14 Jahren

    Die "Versenkung" und der "Orkus des Vergessens" wartet schon auf sie.