laut.de-Kritik
Radiopop für eine bessere Welt.
Review von Franz MauererDie Schotten von Del Amitri sind zurück. Die Band mit dem sinnlosen, aber wohlklingenden Namen eines süditalienischen Haselnusslikörs veröffentlicht mit "Fatal Mistakes" ihr erstes Album seit "Can You Do Me Good?" anno 2002. Das Quintett war nicht wirklich weg, es fand immer wieder mal für Tourneen zusammen. Das passte, denn Del Amitris Poprock-Ouevre bestand aus vorwiegend live zu konsumierendem Gitarren-Poprock. In den 90ern waren sie damit zwischendurch sogar in den Staaten erfolgreich: weniger aggressiv als Grunge, weniger Pose als Madchester, catchy und melodisch, aber auch nachdenklich und ernsthaft.
Das siebte Studioalbums "Fatal Mistakes" versucht, nahtlos an diese Zauberformel anzuknüpfen. Das gelingt zum Teil: Der Opener "You Can't Go Back" ist gute Standard-Poprock-Ware, "Missing Persons" flutscht angenehm und wenig nachhaltig durch die Gehörgänge. Nach wie vor gehen Del Amitri vom Rock aus, gestalten diesen aber so melodisch, dass hinten Gitarrenpop mit dunkler Grundhaltung rauskommt. Das politische "Close Your Eyes and Think of England" ist voller Galle, aber musikalisch harmlos. Beim zweiten politischen Song des Albums, "Nation Of Caners", folgt die Form dem parodistischen Zweck, das tut nicht gut, der Song plätschert dahin.
"It's Feelings" macht es besser und zeigt eindrucksvoll das natürliches Hook-Gespür des Songwriterduos Justin Currie und Gitarrist Iain Harvie. Überhaupt ist Currie nach wie vor eine Wohltat, seine objektiv sehr musikalische Stimme hat genug Ecken und transportiert die teils sehr grundlegenden Gefühle seiner durch die Bank überzeugenden Texte glaubwürdig.
Del Amitri sind auch auf "Fatal Mistakes" Radiopop für eine bessere Welt. Songs wie "Losing The Will To Die" geraten ein bisschen schunkelig und erinnern an Screaming Trees ohne Untiefen. Sie bleiben aber nie zu lange, um nervig zu werden. Die Arrangements fallen grundsolide aus, und stellen die besondere Stärke der Band - die Stimmung - heraus, auf "Second Staircase" oder dem intimen Zweigesang von Currie und Harvie "Lonely" nachzuhören. Der handgemachte Bierrock von Del Amitri ist gut gealtert, die langhaarigen Altrocker finden einen vernünftigen Zugang zum eigenen musikalischen Ansatz, der nicht in Nostalgie verharrt.
Damit ist die Messe aber noch nicht gelesen. "Fatal Mistakes" hat auch eine andere Seite, mit einigen der stärksten Songs, die Del Amitri seit Anfang der 90er veröffentlicht haben. "All Hail Blind Love" ist exzellent & vielschichtig. Die großartigen Lyrics umspielen die Beziehung der Band zueinander auf einem doppelbödigen Liebeslied voller Verzweiflung und Angst: "People toast our survival / As if slogging on / Is living out the dream". Dabei geht der Song im absolut immer richtigen Moment nach vorne oder macht einen Schritt zurück. Eine starke Symbiose aus Songwriting und Curries Gesang.
Der Zeitlupenrock des auf den ersten Blick doofen "Musicians And Beer" schält ironisch an Gewissheiten ("God doesn't love you / God doesn't care / You lie on the slab with blood in your hair / And the voices of angels are flat and austere") und schafft musikalisch ganz mühelos eine zeitgerechte AOR-Sprache. Das Lamento "Otherwise" entfaltet eine fast schon grausame Stimmung. Diese klagende Fallhöhe und emotionale Grausamkeit auf einem coolen Midtempo-Gitarren-Swinger möchte Morrissey seit 15 Jahren mal wieder schaffen.
Die rockige Mordfantasie "I'm So Scared Of Dying" erinnert thematisch an "Alles aus Liebe" und sticht mit der gelungenen Verbindung von Keyboard und Gitarre heraus. Diese Hits heben "Fatal Mistakes" mindestens auf das Niveau von "Waking Hours". Ein tolles Comeback, das 19 Jahre Reifezeit verdient hat.
Noch keine Kommentare