laut.de-Kritik
Streicher, Bläser, Funkiness, Gospel-Kehle - nichts für Puristen,
Review von Philipp KauseDevon Allman hat mit seiner Allman Betts Band bereits ordentlich Südstaaten-Vibes und Siebziger-Nostalgie über Nordamerika und bei Tourneen auch über Europa gebracht. Grob gesagt, zielt das Konzept dieses Ensembles auf warmen Fernweh-Southern Rock ab, in den sich allerlei seitliche Einflüsse aus verschiedenen Richtungen mischen. In der Musik von Devons Vater Gregg und Onkel Duane fand sich ja ordentlich Blues, und dieses gute alte Genre war stets auch Thema für Devon, ob im Rahmen von Honeytribe, dann der Gruppe Royal Southern Brotherhood oder der Devon Allman Band. Die letzteren beiden Formationen releasten bereits in Thüringen bei Ruf Records, und dort landet jetzt auch das neueste Projekt "The Blues Summit".
Dieser gemeinsame Streich vereint Bluesgitarrist und Bonamassa-Kumpel Larry McCray aus Michigan und Sänger und Mundharmonika-Spieler Jimmy Hall. Diese lebende Legende war bereits mit Jeff Beck aktiv und mit Dickey Betts, treibende Kraft der Allman Brothers, 2024 verstorben. Ebenfalls an Bord ist Sierra Green, eine Sängerin aus einer weiteren Ecke der Staaten, New Orleans. Die Schauspielerin hat eine Band namens The Giants (nicht Sophie and the Giants!), mit der sie ihre Gospel-gestählte Stimme zur Geltung bringt. Sierra lohnt sich als hervorstechender Background ebenso wie als Hauptstimme, als die sie in "Real Love" den Ton angibt.
"The Blues Summit" lässt sich als klassische Spaß-Scheibe verstehen, eine Rand-Unternehmung, um sich mal auszutoben, und quasi als eine Compilation von nicht miteinander zusammenhängenden Stücken in wechselnden Besetzungen, die im Bündel ein Mosaik der Buntheit des zeitgenössischen Blues formen. So covern Allman und seine Begleitgruppe Jimi Hendrix und eines von seinen Markenzeichen, "Little Wing". Das Quintett schreitet gänzlich tiefenentspannt und zum Zurücklehnen zu Werke, symphonisch mit den Mitteln des Bluesrock und mit zittrigem Ausdruck im Gesang und wehklagenden Passagen. "Little Wing" klingt hier episch wie Pink Floyd, bleibt aber innerhalb der Strukturen des Electric Bluesrock. Very electric! In einer 'Dunkelflaute' braucht man das nicht spielen, der Clou liegt im Eingestöpseltsein der Verstärker.
Bei Devons eigenem Instrumental "Midnight Lake Erie" übertritt man immerhin die fünfeinhalb-Minuten-Marke, und mit Saxophonist schwillt das Geschehen auf sechs Aktive an. Zartes Keyboard-Geklimper bereichert das beruhigende, auratische Treiben. Eine Schippe drauf legt die Ausstattung bei "Runners In The Night", einer Komposition Larry McCrays, die sich die heutige Besetzung der Memphis Horns zunutze macht (die wir kürzlich im Zusammenhang mit Ann Peebles' Platten würdigten). Ohne diese Bläser würde es wohl kaum glücken, so "ölig", also "greasy" anzumuten, wie im schneidigen und relaxten Instrumental "Gettin' Greasy With It".
Den messerscharfen Vorgaben des Saxophons in "Runners In The Night" folgt jeweils eine ausgelassene Antwort der Lead Guitar, von Christone 'Kingfish' Ingram smart gezupft. Natürlich ist das nicht die Sorte Bluesmusik, mit der man Puristen entzückt, sondern eine funkifizierte Form mit Fokus auf Melodie und Modernität. Aber um die exakte Einhaltung tradierter Normen geht es ja eben gerade nicht, sondern darum den Blues zu leben, und für den gilt auch weiterhin "Blues Is A Feeling". Man könne den Blues nicht lernen, sondern er ereile einen "deep down inside", heißt es hier. "The music takes a home / I'm singing and you're healing every night." - Wer es dann doch altbackener braucht, kommt in Willie Dixons minimalistischem Stampfer "Wang Dang Doodle" in Jojo-Rhythmik auf seine Kosten.
Stichwort "Hands And Knees": Die Knie muss man nicht belasten, aber wenn alle in die Hände klatschen, die gerade kein Instrument halten, ergeben sich noch mehr Möglichkeiten für einen spicy einheizenden Sound, und so geschieht es (außer in der Dixon-Nummer) auch im Aufruf für den Frieden, "Peace To The World", der sich mindestens euphorischer anhört als etwa Lennons "Give Peace A Chance", gleichwohl der aktuelle weltweite Bedarf an Frieden sicher nicht geringer ist als zu Zeiten des Vietnamkriegs.
Eine seltener genutzte Variante des Aufbrezelns in diesen bluesigen Kreisen ist das Drauflegen eines Streicher-Ensembles. Wenn ein Allman das macht, wie in "Real Love", scheint es zumindest nicht mehr verpönt zu sein. Paradoxerweise löst dieser Song mit seinem sehr subtilen Disco-Groove bei mir eher eine Assoziation an etwas völlig anderes aus, nämlich die Crusaders. Fazit: Devon Allman löst sich von der Allman Betts-Combo, mit der er aktuell in den USA tourt, auf diesen Aufnahmen ab, zeigt sich von einer anderen Seite und legt eine unterhaltsame Platte vor. Mit den Sachen, die Allman mit Betts zusammen macht, hat das Ganze aber gemeinsam, dass auch hier der Sound sehr satt und den Seventies abgelauscht ist.
1 Kommentar
Gute Musik, gute Musiker aber wie heutzutage so oft in dem Genre eine grauenhaft glatte und flache Produktion.