laut.de-Kritik
Die Grammy-Gewinnerin hält die Qualität der Vorgänger-Alben.
Review von Kai Kopp"Ich konnte es abends gar nicht abwarten, auf die Bühne zu gehen. Die Musik hat mich einfach ergriffen und mich befähigt, ganz neue Arten des Singens zu entdecken. Dabei haben die beiden so viel Liebe reingesteckt, dass daraus nun eine Platte geworden ist." So beschreibt Dianne Reeves die Entstehungsgeschichte von "When You Know". Die Rede ist von den beiden Gitarristen Romero Lubambo und Russel Malone. In der Umgebung lediglich zweier Gitarren klingt Reeves' Stimme noch intimer und verführerischer.
Doch sie sind nicht die einzigen, die Dianne Reeves bei "When You Know" instrumental unterstützen. Neben Lubambo und Malone setzt Reeves auf ihre eingespielte Crew an Bass, Piano, Saxophon und Schlagzeug. Neu dabei sind Geoffrey Keezer am Klavier und Antonio Sanchez an der Batterie. Geblieben ist die einmalige Schönheit von Reeves Stimme. Ihre emotionale Ausdruckskraft, ihr schier unglaublicher Stimmumfang und ihre technische Brillanz versetzen die Hörenden ab der ersten Note in eine Trance.
Ein Zustand, den es zu erstreben gilt. Ein Zustand, den herzustellen Dianne Reeves mühelos im Stande ist. Der Opener "Just My Imagination (Running Away With Me)", verdeutlicht und der Rest des Albums bestätigt ausnahmslos, auf welchem Niveau wir uns hier bewegen: Adult Contemporary-Jazz von höchstem Wert. Die vierfache Grammy-Gewinnerin Reeves hält mit "When You Know" die Qualität der Vorgänger-Alben.
Sie legt zwar 'nur' Standards älteren und jüngeren Datums sowie eine neue Komposition auf. Reeves Stimmgewalt und ihre noch intimer zu Tage tretende Ausdruckskraft verleihen den Kompositionen jedoch einen so eigenständigen Charakter, dass "When You Know" im Veröffentlichungsmarathon 2008 ganz vorne mitläuft. Als Pultmeister wacht abermals ihr Cousin, die Keyboardlegende George Duke (Frank Zappa), über die Produktion. Diese Kooperation war bereits bei den beiden Grammy-Alben "In The Moment" (2001) und "The Calling" (2002) erfolgreich.
"Die Auswahl des Repertoires entwickelte sich aus den verschiedenen Aspekten der Liebe, die einen roten Faden bilden", erläutert Reeves. "Es gibt dieses Bild von Gustav Klimt, das eine junge Frau zeigt, die mitten durchs Leben wandelt. Ich habe das Gemälde in der Galerie Belvedere in Wien gesehen und mochte besonders die verschiedenartige Darstellung ihrer Lebensphasen von Unschuld zu wachsender Reife. Ähnlich entwickelt sich dieses Album mit den Songs, die diverse Aspekte der Liebe berühren, ganz so, wie sich auch die Vorstellungen von Liebe im Laufe der Zeit verändern."
Den das Album eröffnenden Motown-Klassiker und Hit der Temptations inszeniert Dianne Reeves als romantischen Teenager-Traum. "Es ist wie zu Highschool-Zeiten, wenn man sich den süßen Kerl am anderen Ende des Klassenzimmers anschaut und sich in Tagträumereien über ein gemeinsames Leben mit ihm verliert." Die sehr erwachsene Musik steht zwar im Widerspruch zu den kindlichen Text-Träumen, erfüllt aber Dianne Reeves adulten Anspruch, verschiedene Aspekte der Liebe zu beleuchten, makellos.
Zu einer Neueinspielung von "Over The Weekend", im Original von Mabel Mercer, lässt sich Reeves von Nancy Wilson inspirieren. Tonsetzer Billy Childs arrangiert dem Song ein großes Orchester auf den betagten Leib. Minnie Rippertons 1975er-Hit "Lovin' You" verpasst Reeves einen "Scha-la-la-la-la" und "Dubi-Dubi"-Refrain, der sehr amüsant die Leichtigkeit der Liebe besingt. Mit "I'm In Love Again" huldigt sie einer reifen Liebe. Getragen vom jazzigen Farbenreichtum der beiden Gitarristen Romero Lubambo und Russel Malon mutiert die Version des Jazzklassikers zu einer gepflegten Ballade.
"Midnight Sun" groovt sich als amtlich-smoother Jazz-Funk in Richtung "Once I Loved". Die Jobim-Kompositionen setzen, stilgerecht, die Gitarristen in Szene. Elegant vermeiden sie es, allzu oft bemühte Bossa-Zitate zu erwähnen. Absolute Candle-Light-Tauglichkeit beweist deshalb diese High-Quality-Erzählung, die Dianne Reeves viel Raum lässt, ihren Stimmumfang auszureizen.
Vom dramatisch-schönen "Windmills Of Your Mind" schwärmt Reeves zurecht als "einem der besten Songs schlechthin". Emotionsgeladen zeigt sich nicht nur die Protagonistin. Ihr Saxophonist Steve Wilson glänzt mit einem exzellenten Sopran-Solo. Und so entpuppt sich nicht nur der Songtext als "ein wahrer, unerbittlicher Gefühlsrausch", wie Reeves attestiert. Die Musik unterstützt diesen narrativen Gefühlsrausch kraftvoll, lebhaft und spannungsvoll.
Der Titelsong des Albums, "When You Know", erschien erstmals auf dem Soundtrack der Komödie "Weil es dich gibt" (2001). Energiegeladen und kraftvoll gestaltet sich "When You Know" mit seinem tollen Chor zu einem der Highlights des Albums. Nicht umsonst gesteht Dianne Reeves "Ich liebe diesen Song ungemein ... und die Stimmung, in die die neue Aufnahme diesen Song nun hüllt." Reeves folgt mit ihrer lebenbejahenden Interpretation der Kernaussage des Songs, dem Ruf unseres Herzens blind zu vertrauen. "Es geht darum, sich die Fähigkeit des Träumens zu bewahren. Wahre Liebe kann nur derjenige geben, der sich selbst liebt".
Die einzig neue Komposition, "Today Will Be A Good Day", ein erdiger Boogie-Blues der sich dem Thema bedingungslose Liebe hingibt, beschließt das Album. Gewidmet ist der Song der 83-jährigen Mutter von Dianne Reeves: "Sie ist meine größte Inspiration. Wenn man sie nicht schon um halb neun morgens anruft, erwischt man sie nicht mehr. Sie ist so unabhängig und gibt mir doch unglaublich viel. Ein wunderbares Beispiel für ein Leben in Würde."
Um den Liebesreigen abzurunden, beschreibt Reeves die Aufnahmen zu "When You Know" abschließend als 'pure Liebe'. "Dieses Album hat wahnsinnig schnell Form und Farbe angenommen, und ich liebe es, weil es mir erlaubt hat, so viele besondere Momente zu erleben." Dass es ihr gelungen ist, diese besonderen Momente festzuhalten, verschweigt sie diskret. Mit "When You Know" betritt Dianne Reeves nicht nur "häufig Neuland", wie sie, im Promo-Rummel vielleicht etwas schwindelnd, behauptet. Sie legt in diesem (nicht ganz neuen) Neuland zugleich Maßstäbe, an der sich man sich im Musikjahr 2008 messen lassen muss.
3 Kommentare
Es wurde auch langsam Zeit, daß Du wieder was zur Leerung meines Portemonnaies tust.
Ein absolut verzauberndes Album, facettenreich und von einer wahren Diva des Jazz & Soul so gekonnt wie locker aus dem Ärmel geschüttelt. Ihr wundervolles Timbre ist wieder einmal ein Hochgenuss, sie könnte das berühmte Telefonbuch rauf und runter singen, es wäre große Sangeskunst.
Dianne Reeves hat sich bei diesem Album ein ganz klein wenig dem Kommerz hingegeben, ohne jedoch auch nur im Ansatz in dessen Fallstricke zu geraten, die da heißen: Anbiederung an geschmäcklerische Massentauglichkeit und Uniformität.
Schön, dass wenigstens einer einen Kommentar schreibt. Für ein "Album der Woche" ganz schön kläglich. Aber wie Dieter Ilg damals (*grins*) so treffend bemerkte:
"Etwas gut gespieltes muss einem nicht gefallen, und es bleibt trotzdem etwas gut gespieltes."
Ich finde es gar nicht so übel, zu einer Art von Forumsnische zu gehören. Da muss man sich nicht um 1000 Dinge kümmern, sondern kann sich in aller Ruhe die eigenen Rosinen picken und locker darüber plaudern.
Mir genügt das vollkommen, großes Getümmel ist eh nicht so mein Ding.