laut.de-Kritik

Ein routiniertes Alterswerk für Indie-Nostalgiker.

Review von

Die Regierung war zunächst das Ein-Mann-Projekt des Essener Musikers und Sängers Tilman Rossmy. Über die Vermittlung von Arthur Schilm vom Bochumer Stadtmagazin Marabo fanden sich jedoch weitere Musiker für das Debüt "Supermüll" zusammen, das Rossmy selbst finanziert und vetrieben hat. In den Folgejahren stellte die Band ihre musikalischen Aktivitäten ein. 1990 formierte der Sänger die Band neu, nachdem der Musikjournalist Michael Ruff in der SPEX "Supermüll" zum besten deutschen Album der 80er-Jahre kürte. Bevor sich die Formation 1995 wieder auflöste, veröffentlichte sie drei Platten, die von den Kritikern in den Himmel gelobt wurden, sich aber als kommerzielles Desaster herausstellten.

Tilman verfolgte Mitte der 90er-Jahre für kurze Zeit eine Solokarriere und stampfte im Anschluss das Tilman Rossmy Quartett aus dem Boden. Die Regierung kehrte 2006 dann in neuer Besetzung erneut zurück. Seit 2017 veröffentlicht die Band auch wieder Platten. "Da" bildet nun das dritte Album innerhalb von vier Jahren.

Auf diesem stellt der Sänger nun in Bezug auf das Älterwerden viele Fragen, auf die er keine Antworten weiß. Zudem spielt er wie im Opener "Der Witz Ist" auf sein jahrelanges Hadern mit der Liebe an, findet jedoch die Liebe in sich selbst. In deren Abgründe begibt er sich dennoch in "Tiefe Tiefe Liebe". Trotzdem überwiegen Zufriedenheit und Selbstakzeptanz, wie das beschwingt tänzerische "Mit Dir Und Ohne Dich" zeigt.

Zudem blickt Rossmy zuversichtlich auf das, was später einmal noch kommen mag. Den "Tod" malt er sich in "Wer Bin Ich" als "wunderschöne Landschaft" aus. Weiterhin lässt er die Vergangenheit weit hinter sich. Dafür bietet die "geliebte Stille", die er im gleichnamigen Abschlusstrack besingt, Zuflucht im Hier und Jetzt. Dazu schwingt sich der Refrain in hymnenhafte Sphären auf.

Trotz aller Altersweisheit, die man in ähnlicher Form schon auf den beiden Vorgängern hörte, fällt die Platte recht abwechslungsreich aus - deckt sie doch im Grunde sämtliche Schaffensphasen der Band ab.

So erinnern die schrammelnden Gitarren und die schunkelnde Orgel in "Der Witz Ist" daran, dass die Westfalen einst einen großen Einfluss auf Die Sterne und die Hamburger Schule im Allgemeinen ausübten. "Alles Lüge, Alles Gut" hätte mit seinen ausufernden Noise-Feedbacks am Ende genauso gut auf den 90er-Jahre-Platten von Rossmy & Co. stehen können.

"Weil Morgen Niemals Kommt" und "Der Pfad" heben in dieelben Psychedelik- und Krautrock-Sphären ab wie Vieles auf dem letzten Album. Von ihrer balladenhaften Seite zeigt sich die Band in "Lass Die Gans Raus". Mit "Tiefe Tiefe Liebe" vollführt sie einen leichten Schlenker in Richtung NDW.

Ein wunderschöner Übersong wie "Corinna" fehlt zwar diesmal, dafür präsentieren sich die Westfalen als routiniert eingespieltes Team, das es schafft, jedem Song eine ganz eigene Facette und Richtung zu verleihen. Da erweisen sich die markanten Bassläufe von Robert Lipinski, dem neben Rossmy einzigen verbleibenden Mitglied der Ursprungsformation, nur als das Tüpfelchen auf dem i.

Des Weiteren hat sich an dem gewöhnungsbedürftigen, nuscheligen Geknödel Rossmys nichts geändert. Über so ein charakteristisches Organ wie Max Müller verfügte er aber schon in den Neunzigern nicht. Dafür erwies er sich als ebenso genialer Beobachter wie der Mutter-Texter und -Sänger, wenn auch mehr auf gefühlvoll zwischenmenschlicher denn auf existenziell abgründiger Ebene.

Im Grunde genommen dürfte "Da" also mehr was für Indie-Nostalgiker als für Neueinsteiger sein, die eher zur längst vergessenen 94er-Perle "Unten" greifen sollten. Die enthält auch das erwähnte "Corinna". Trotzdem wirkt es ziemlich beruhigend, dass sich die Band trotz aller Enttäuschungen in der Vergangenheit nicht unterkriegen lässt.

Trackliste

  1. 1. Der Witz Ist
  2. 2. Alles Lüge, Alles Gut
  3. 3. Jetzt Was?
  4. 4. Weil Morgen Niemals Kommt
  5. 5. Mit Dir Und Ohne Dich
  6. 6. Wer Bin Ich
  7. 7. Lass Die Gans Raus
  8. 8. Tiefe Tiefe Liebe
  9. 9. Der Pfad
  10. 10. Geliebte Stille

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