laut.de-Kritik
Mit NACKT und T.Raumschmiere in den Fiebertraum.
Review von Martin TenschertDieter Meier: Ein Gesamtkunstwerk zwischen Performance, Video und Musik. Rinderbaron, Winzer, Restaurantbesitzer. Stilikone, Philosoph und Bonvivant. Die meisten wären wohl irgendwann übersättigt von einem Leben, in dem schon alles erreicht zu sein scheint.
Dennoch scheint Meier immer noch die kindliche Neugier zu kitzeln, wie einst bei seinen ersten Street Performances auf den Straßen Zürichs.
"Out Of Chaos" ist tatsächlich sein erstes Soloalbum überhaupt. Produziert von u.a. NACKT (ehem. Warren Suicide) und Technorocker T.Raumschmiere zeugt es von großem Schaffensdrang. Zwölf mal ein Lied. Zwölf mal Brüche und Spagate zwischen Chanson und Track. Zwischen Tresen und Dancefloor.
Den charismatisch tiefen Stimmvortrag hat sich Meier natürlich nicht nehmen lassen, und auch die Auswahl seiner Produzenten erweist sich von Beginn an als richtige Entscheidung. Diese unterstreichen und tragen die Stimme bzw. finden die richtige Balance.
Knarzig fiepende, schleppende Beats begleiten die Auskopplung "Buffoon", die zugleich mit einem wunderschön kuriosen in Hongkong gedrehten Video aufwartet. Die Skurillität erinnert ein wenig an Tom Waits, aber Meier ist selbstredend weit davon entfernt, sich derlei Stempel aufdrücken zu lassen.
Man wird vielmehr mit einem Kosmos aus Gegensätzen und wirren Ideen konfrontiert, die aber in ihrer Präsentation plötzlich eine schlicht schöne Sinnhaftigkeit besitzen.
"Loveblind" setzt auf Melancholie und bluesige Instrumentierung. "Ungestimmtes" auf Klavier und blauen Dunst - ein Mann an der Bar. Bevor es zu stereotyp wird, holpern Percussions und konkurrierende Geigen wieder alles in die Spur - produzententechnisch spitze gelöst. Meiers müde strahlende Stimme passt hervorragend ins reduzierte Soundgerüst.
"Busy Going Nowhere" hingegen trippt sich loopig voran und gibt dem Yello-Vokalisten genug Raum für die Show. Diese Stimme kann eben weitaus mehr als nur "Ouuu Yeahh" sagen. Auch die Texte begeistern zwischen Dada und Fiebertraum - es lohnt, sich zu einem argentinischen Glas Wein mal das Booklet zur Brust zur nehmen.
Der schwiizerdütsche Exkurs "Schüüfele" stellt sich als besonderes Bijou heraus. Die Geschichte von der Maschine und dem schamanischen Schweißer nimmt einen gefangen, Goethes Zauberlehrling gruselt sich derweil im Besenschrank. Der Track ist zudem ein Beweis für die Kraft des gesprochenen Schweizer Dialekts fernab von "Chuchichäschtli" und Ricola.
Dieter Meier beweist mit "Out Of Chaos" seine enorme Schaffenskraft und ungebrochene Kreativität und es fällt schwer, diese Kunsträume wieder zu verlassen. Dafür hat man ab Mai Gelegenheit, sich bei Meiers Tour live ins "Chaos" zu stürzen.
1 Kommentar
"Buffoon" und "Loveblind" gefallen mir schon mal sehr. In den Rest muss ich wohl im Laden mal reinhören.