laut.de-Kritik
Blues-Schattierungen mit Van Morrison, Paul Simon, Bruce Springsteen u.v.a.
Review von Philipp KauseNein, nicht Celine Dion! Die Promoterin möchte es vorab klarstellen, wobei das absurde Gedankenspiel einer Blues-Platte Celine Dions mit Freunden vielleicht interessant wäre (falls sie Freunde hat). Dion di Mucci aber, dienstältester aktiver Rockmusiker nach Jerry Lee Lewis, hat in Musikerkreisen viele Freundschaften geschlossen, wovon die imposante Gästeliste auf "Blues With Friends" zeugt. In den 60ern war Dion äußerst bekannt, seit 1957 ist er nonstop im Geschäft.
Joe Bonamassa, vernetzt mit dem Label Keeping The Blues Alive und der gleichnamigen Organisation, übernimmt den Opener. Von den Jüngeren erweist Dion die ebenfalls dröhnaffine Samantha Fish an der elektrischen Klampfe die Ehre. Bonamassas Führung durch tief basslastiges Gelände in "Blues Comin' On" wirkt wohlvertraut, denn so klingen all seine Releases. Eine gute Grundlage.
Von diesem modernen, elektrischen Revival-Blues der letzten Welle spannt sich ein breites Spektrum: Über bodenständigen 70er-Classic Rock mit reduziertem, zaghaftem Verstärker-Einsatz in "I Got Nothin'" bis hin zu rustikaler Soul-Folklore im "Song For Sam Cooke (Here In America)".
Obwohl auf dem Album Nostalgie vorherrscht, wirkt letztgenannter Song aktuell: Wie es um Amerika aktuell bestellt ist, erinnert unterschwellig an die Zeit der aufkeimenden Bürgerrechtsbewegung. In jener Ära des hier besungenen Sam Cooke drehte sich die Musik bereits um dieselben Rassismusprobleme wie heute, mit dem Staat als Hauptprovokateur und der damaligen Gewissheit "A change is gonna come", hier als Zeile präsent. Als Cooke angesagt war, legten auch Dion und – damals im College - Paul Simon los. Als Höhepunkt des Albums und erster Anspieltipp geht genau diese akustische-stringente Ballade "Song For Sam Cooke (Here In America) (+ Paul Simon)" durch, obwohl sie als blueslose Nummer das Album kein bisschen repräsentiert.
Schon formal weicht sie ab, denn Simon nimmt das Mikro in die Hand. Van The Man ist der andere, der Dion die Schau stehlen darf, im Duett "I Got Nothin' (+ Joe Louis Walker and Van Morrison)", einem interessanten Wechselgesang inmitten eines schläfrigen Arrangements. Wer den New Yorker Sohn italienischer Einwanderer aus der guten alten Zeit des Teenage-Rock'n'Roll und des Bürgerrechts-Soul der 60er kennt, erkennt diesen in "Stumbling Blues (+ Jimmy and Jerry Vivino)" wieder. So schmachtend wie eh und je klingt der Senior da im Stehblues, triefend vor eleganter Swing-Schnulzenhaftigkeit und geprägt vom weltmännischen Lebensgefühl Frank Sinatras.
Das Betonen der 50er Jahre beherrschen auch Brian Setzer und die Stray Cats perfekt. Somit fügt sich der Auftritt des Cats-Gitarristen hier natürlich ein. Auf zwei Tonspuren liegen Melodie- und Rhythmusgitarre in den Händen Setzers, und es wimmelt vor verwaschenen Blue Notes.
Eine zwar nicht bahnbrechende, aber angenehme Zeitreise ergibt sich durch Referenzen, Coverversionen und deren Lyrik. "Blues Comin' On (+ Joe Bonamassa)" macht als Geschichte über Liebesbriefe per Telegramm stutzig, heute durchs Zugestellt-Gelesen-Doppelhäkchen bei Messenger-Diensten abgelöst (von denen einer sich frech "Telegram" nennt). Die Themen bleiben dieselben: Hat sie die Nachricht bekommen? Warum antwortet sie nicht? Hinter dem Song steckt "I Feel The Blues Coming On", Dion und Bonamassa ehren die lebende (weiße) Blues-Legende Hayden Thompson.
Ansonsten gilt für das Namedropping des Plattencovers: Einiges ist spannend, manches Schaumschlägerei. Die gastierenden Größen aus dem Springsteen-Kosmos (Bruce selbst, Patti Scialfa, Little Steven) hört man kaum heraus. Scialfa wirkt ungeschickt draufkopiert, aber nicht so wie organischer Background-Gesang tönen sollte.
"Blues With Friends" erfindet nichts neu, birgt aber abwechslungsreiches Storytelling. Die Kooperationen entlasten Dion beim Singen. Anders als bei vielen heutigen Bluesern läuft der Gesang nicht nebenbei, sondern der Frontmann legt viel Bewusstsein und gute Betonungen in den Vortrag. "Hymn To Him (+ Patti Scialfa and Bruce Springsteen)" schließlich drückt mit knackigen Gitarrenriffs die Religiosität des gläubigen Musikers aus. Emotionen und einen super Klang bietet der Song und rundet die Platte gut ab.
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