laut.de-Kritik

Im Strudel der Zeit: ein Schatz für Shoegaze-Archäologen.

Review von

Nach der Veröffentlichung von Drop Nineteens erstem erstaunlichen Album seit 30 (!) Jahren, "Hard Light", und der Neuauflage ihres Shoegaze-Meisterwerks "Delaware" aus dem Jahr 1992 kommt mit "1991" nun ein verschollenes Werk der Bostoner Band heraus, so dass die seltsame Zeitreise in Sachen Veröffentlichungen weitergeht. Dieses Werk – damals "Mayfield" betitelt – enthält die ersten beiden, größtenteils in ihren Schlafzimmern aufgenommenen Demo-Sessions der Band, die im titelgebenden Jahr 1991 per Kassette an Labels verschickt, daraufhin von der damals auf neue Sensationen sehr erpichte britischen Musikpresse entdeckt wurden und dort sofort für Aufsehen sorgten.

Die Labels schlugen sich geradezu darum, diese Band zu verpflichten. Nachdem Drop Nineteens schließlich bei Caroline Records unterschrieben hatten, entschieden sie, für ihr erstes offizielles Release die Dinge neu anzugehen samt neuen Tracks. So schrieben sie die Songs für das heute wegweisende Shoegaze-Album "Delaware" und ließen die Songs von "1991" quasi wie eine Zeitkapsel zurück - bis jetzt. Bootlegs von "Mayfield" waren zwar stets im Umlauf, aber das umbenannte, remixte und remasterte "1991" macht diese Songs erstmals legal in physischen Formaten und als Streaming verfügbar.

Darauf hören wir nun Tracks mit über und über geschichteten Gitarrenwänden, schepperndem Sound und in den hallenden Melodien vergrabenen Gesangsharmonien, die zu den Anfängen anderer Shoegaze-Acts wie Slowdive oder Ride passen. Die mit viel Low-Fi-Charme, skizzenhafter Leichtigkeit und experimenteller Rohheit aufgenommenen Songs könnten aber erstaunlicherweise auch von einem heutigen Nu-Gaze-Act stammen, der sich der Nostalgie und dem Bedroom-Pop verschrieben hat – was für ein Coup wäre das eigentlich, statt einem vermeintlich verschollenen Werk hier einem brandneuen zu lauschen?

Der Kontrast zum eigentlich ersten Werk "Delaware" könnte nicht größer sein, darauf spielt die Band lustvoll mit Alt-Rock und Grunge-Elementen, die sie in vielmehr in die Nähe von Pixies, Sonic Youth oder Dinosaur Jr. rücken, und doch sind ihre Songs eine ganz eigene Spielart des Shoegaze: Der Hit "Winona" oder ihre Cover-Version von Madonnas "Angel" sind getragen von einer schwebenden Lässigkeit und schaukelnder Melancholie, die auch My Bloody Valentine nicht schöner hinbekommen.

Während "Delaware" also bewies, dass Drop Nineteens wirklich eine Klasse für sich sind, sind diese ausgegrabenen Tracks wie das sechsminütige hypnotische "Daymom" oder das instrumental leiernde "Shannon Waves" eine einzigartige Gelegenheit, ihre Fortschritte und Entwicklung zu sehen und quasi in die unschuldige und ungeschliffene Kindheit dieser Band zu blicken, die in ihren Schlafzimmern ein neues Genre mit erträumte.

Trackliste

  1. 1. Mayfield
  2. 2. Shannon Waves
  3. 3. Kissing the Sea
  4. 4. Snowbird
  5. 5. Another Summer
  6. 6. Daymom
  7. 7. Song for J.J.
  8. 8. Back in Our Old Bed
  9. 9. Soapland

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