laut.de-Kritik

Sabbath-Riffs mit Dubverrücktheiten, von Mike Patton abgenickt.

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Die drei Herren von Dub Trio spielen, wenn sie ihrer Profession als Studiomusiker in New York nachgehen, gern auf dreiminütigen Popsongs, lockeren R'n'B-Jams oder sonst leicht konsumierbaren Genre-Produktionen. Dass man nach einem harten Tag des Easy Listenings gern mal nach Hause kommt und aus reinem Selbstschutz jedem geschmalzten "Oh Baby" ein krudes Stück instrumentalen Progrocks auf die gepuderte Nase hauen will, versteht sich von selbst. Und genau das macht das Dub Trio auf Studioalbum Nummer Vier.

Zu ihrer Vorliebe für progressivere Klänge gesellte sich ein gemeinsames Faible für, klar, Dub, das sie auch in den Anfangstagen der Band noch ganz unverhohlen ausleben. Auf "IV" ist der Dub größtenteils nur noch ideologisch in den Hinterköpfen der Brooklyner verankert. Vielmehr hält das Metalriff in seiner ganzen und nackenbrechenden Gewalt die Zügel des Soundsgefährts in der Hand.

Wie das klingt, soll folgendes Gedankenkonstrukt darstellen: Meshuggah spielt Sabbath, die in Jamaica ihre Zelte aufschlagen und die Sänger gleich zuhause gelassen haben. Oder so ähnlich. Gitarrist DP Holmes kanalisiert 40 Jahre Schwermetallgut in seinem Sechssaiter, entfernt sich aber wie seine Bandkollegen von solistischem Gefrickel, gleichzeitig Fluch und Segen der modernen Progmusik. Dass man einem Riff durch reduzierte Geschwindigkeit eine elefantöse Schwere verleiht, wusste schon Toni Iommi.

So brechen sie immer wieder in Heavy Metal-Trademarks aus, durchzogen von ungeraden Taktarten und elektronisch verfremdeten Sounds. Anders als viele andere Instrumentalbands springen Dub Trio in ihren Songs nicht in Sekundenschnelle von einem Teil zum nächsten oder verzichten auf Struktur. Hier lässt man in eine an ausgedehnte Jamsessions erinnernde Form einen einzelnen Teil vor sich hin kochen, nimmt Bestandteile wie die Gitarre mal kurz weg oder durchbricht den Groove mit einem absolut durchgeknallten Fill-In. Weniger ist hier verdammt viel.

Die repetitiven Passagen laufen sich so lange heiß, bis sie meistens in einen höheren, wie gesagt metallischen Gang schalten. Einzelne Songs als Anspieltipps herauszupicken, fällt durchaus schwer. Passt man nicht auf, fließen die Albumtracks zu einem großen akustischen Sturm ineinander, erdacht und gemacht für den Konsumation per Kopfhörer und voller Konzentration. Allerdings stellen die New Yorker auch Ansprüche, denn ein Soundtrack zur Gartenarbeit klingt anders.

Dem schizophrenen Sechsminüter "Ends Justify The Means" liegt ein Groovegerüst zu Grunde, das auch einem James Blake gut zu Gesicht stehen würde. Jedoch wird der Bursche dann auf eine musikalische Geisterbahn geschickt, auf der die wildesten und blutrünstigen Soundgestalten links und rechts für Sekundenbruchteile hervorpreschen. Schwer zu verarbeiten, ja schier angsteinflößend. Aber auch beeindruckend ob des nicht enden wollenden Stroms von Ideen und musikalischen Straßenkreuzungen.

Ein wahres kriechendes Ungetüm ist auch "Words". Zwischen einem donnernden Riff, das selbst Zeus (nicht die Band, sondern der mit den Blitzen) nicht besser hinbekommen hätte, verlieren sie sich für Minuten in psychedelischen Wolken, bevor der bitterböse Schluss kaum überzeugen kann, dass solche Kraft von nur drei Milchgesichtern aus den Staaten fabriziert wird.

Musikalisch bis zur letzten Note in Perfektion exerziert, klingt "IV" erfreulicherweise nicht poliert oder gar klinisch distanziert. Gitarre und Bass formen mächtige Wände, die Drums sind ebenbürtig im Frequenzbereich eingebettet. Jede Echosnare hat seinen Platz in dem detaillierten Sound, der sowohl die Dub- als auch die Metalelemente gleichgut darstellt.

Nach dem Album erscheint es logisch, dass nur ein Madman wie Mike Patton mit dieser Kombo zusammenarbeitete (und sie zur offiziellen Peeping Tom-Backingband machte). Wie heutzutage auch der ehemaligen FNM-Fronter bietet das Dub Trio anspruchsvolle Kost weit abseits des Mainstreams. Die Noten pro Sekunde-Ratio liegt erfreulich niedrig, die Dubkonzepte in den Metalriffs lassen selbst Instrumentalfreaks noch die Ohren spitzen. Wer bereit ist, sich auf einen ungewöhnlichen Soundkosmos einzulassen, wird vom Dub Trio nicht enttäuscht.

Trackliste

  1. 1. En Passant
  2. 2. Noise
  3. 3. Swarm
  4. 4. Control Issues Controlling Your Mind
  5. 5. Ends Justify The Means
  6. 6. Words
  7. 7. Patient Zero
  8. 8. 1:1.618
  9. 9. Thousand Mile Stare

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