laut.de-Kritik
Tiefschwarze Sadboy-Party im Indieschuppen.
Review von Johannes JimenoWer sich dieser Tage von all den Hiobsbotschaften übermannt fühlt und aus dem Doomscroll-Feed nicht mehr herauskommt, dem sei das zweite Album dieses kanadischen Jünglings ans Herz gelegt. Passend mit "Misery" betitelt, entführt Ekkstacy wieder in eine finstere Welt aus Depressionen und Selbsthass. Wirkte sein Debüt noch sehr zurückhaltend und schüchtern, greift er nun beherzt zum Mikrofon und lädt zum kollektiven Stressabbau ein. Den Mix verantwortet Chris Coady (Beach House, Future Islands, Slow Dive).
Das geht schon mit "I Just Want To Hide My Face" munter los, wenn tanzbarer Indierock auf Unsicherheit und die Frage nach dem Sinn treffen: "Every day feels the same / And when I die, what will they say? / Will they remember my name?". Das eingängige "I'm So Happy" mutet als Titel beinahe absurd an, gesteht er sich doch ein, so etwas wie Glücksgefühle zu empfinden, wenngleich die immerwährende Melancholie hindurchscheint: "My eyes made of gold / At least that's what I've been told / But the flowers in my soul are getting old".
Viel heller wird es auf "Misery" nicht mehr. Über toxische Verhältnisse sinniert er im verzerrten "I Wish You Were Pretty On The Inside" sowie im zynischen Post-Rock "I Want To Die In Your Arms". Selbstzweifel und Sehnsüchte warten im fein austarierten "I Gave You Everything". Verstörende, fast schon schmerzhafte Ehrlichkeit direkt in die Magengrube teilt "Christian Death" aus, wenn Ekkstacy ungefiltert und gleichgültig Suizidgedanken zu Papier bringt. Diesen tiefschwarzen Höhepunkt versieht er mit einem Gegenpol, bestehend aus eingängigen Gitarrenlinks und Uptempo.
"Wish I Was Dead" zitiert seine Vorbilder am treffsichersten: griffiger sowie wehmütiger Indierock der Marke The Drums und Bloc Party sorgen für den besten Song, während er unter seiner psychischen Last beinahe zusammenbricht: "It's all in my head and I cant get it out / I want to scream but I'm too quiet to shout / And I said it's all too much for me."
Danach beruhigt sich das Album und kehrt seine zahme Seite hervor. "Eyeliner" bietet zum ersten Mal eine Akustikgitarre auf, variabler Gesang und ein cleverer Aufbau veredeln den Song. Das schwermütige "I Want To Sleep For 1000 Years" weckt Erinnerungen an Interpol und beherbergt 80er-Drums, die desillusionierten Zeilen passen dazu hervorragend. Den Schlusspunkt setzt das treffende "Ausgang", das von seiner Tonalität her auch auf "Negative" hätte stattfinden können.
"Misery" gelingt der Drahtseilakt, aus prinzipiell sperrigen und unangenehm aufrichtigen Zeilen ein spaßiges Unterfangen zu machen, was auch an der kurzen Spielzeit von etwas mehr als 20 Minuten liegt: Dem Postpunk sei Dank, verliert Ekkstacy nicht viel Zeit, sondern geht direkt in die Vollen. So viel Spielfreude hätte man ihm in einem Jahr nicht zugetraut. Doch wer viel Zuspruch aus Fankreisen bekommt und Festivals bespielt, der traut sich vielleicht schneller ins Rampenlicht. Hatte ich ihm zuvor noch fehlende Lyrik und Varianz attestiert, legt er dies nun beeindruckend ab.
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