laut.de-Kritik

Mehr als nur das Anhängsel der großen Britpopper.

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Sie hätte auch die Frau Doktor, das weibliche Anhängsel der großen Britpopper bleiben können. Immerhin trat Elastica-Gründerin Justine Frischmann als Frau an der Seite von Brett Anderson (Suede) und Damon Albarn (Blur, Gorillaz) in Erscheinung. Von Beginn an spielt sie zwar Gitarre bei Suede. Beschäftigt man sich allerdings mit deren Biografie, bekommt Justine darin eher eine Statisten-Rolle zugeschrieben.

Doch dann ändert sich alles: Sie trennt sich von Brett und Suede, wird die Hauptfigur ihrer eigenen, vornehmlich weiblich besetzten Band. Mit "Elastica" nehmen sie das Album auf, das die anderen in den Schatten stellt. Kein Debüt verkauft sich bis dahin in Großbritannien so gut. Justine Frischmann ist nicht mehr die Frau an der Seite eines Stars, sie schreibt Musikgeschichte.

Die Frage, ob es sich hier überhaupt um Britpop handelt, drängt sich schnell auf. "S.O.F.T.", "Stutter" und die Hymne auf Bassistin "Annie" klingen eher nach den amerikanischem Riot Grrrls, denn nach Oasis, Blur und dem restlichen Hype der Insel Mitte der Neunziger. Mit dem fordernden und doch betont gelangweilten Gesang Frischmanns, den kreischend-knallenden, leicht schleppenden Gitarren entfernen sich Elastica weit von den Lads.

Härter. Und zugleich verspielter klingt der Elastica-Sound. Kaum ein Song geht länger als zwei Minuten. "Wenn du den Refrain noch mal hören möchtest, dann spul zurück", schnoddert Justine dem Guardian in einem Interview entgegen. Alles näher am Punk der späten Siebziger, denn am Brit-Sound der Neunziger.

Elastica unterliegen nicht dem Druck, ihre Britishness zu beweisen und damit in einen Machtkampf mit der vor Testosteron strotzenden Konkurrenz zu treten. Songs über einen trunkenen Tag in Brighton oder Justines Liebe zu (oder besser: in) Autos lassen den unverkrampften Humor der Band spüren. Musik und Lyrics pendeln zwischen poppiger Leichtigkeit und großem Ernst. Dieses Lockere ist der Schlüssel zum Erfolg in den USA, der der männlichen Konkurrenz verwehrt blieb.

Doch auch Elastica haben zu kämpfen: mit harten Drogen und ihrem Ruhm. Beides bekommt ihnen nicht. Bassistin Annie steigt aus. Offiziell, da ihr das Touren zu viel wird. Inoffiziell quält ihre Heroin-Sucht sie auf Reisen zu sehr. Auch Gitarristin / Sängerin / Co-Songwriterin Donna Mathews und Schlagzeuger Justin Welch versumpfen immer weiter im Drogen-Dschungel. Währenddessen quält sich Justine Frischmann mit der Entfremdung zu Damon Albarn und den Paparazzi vor ihrer Haustür. Bereits nach einem Album scheint das Ende von Elastica unausweichlich.

Die Lyrics ihres größten Hits "Waking Up" fassen Geschichte und Attitüde des Albums in einem perfekten Schlusswort zusammen: "I'd work very hard but I'm lazy / I've got a lot of songs but they're all in my head. / I'll get a guitar and a lover who pays me / If I can't be a star I won't get out of bed". Amen.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Line Up
  2. 2. Annie
  3. 3. Connection
  4. 4. Car Song
  5. 5. Smile
  6. 6. Hold Me Now
  7. 7. S.O.F.T.
  8. 8. Indian Song
  9. 9. Blue
  10. 10. All-Nighter
  11. 11. Waking Up
  12. 12. 2:1
  13. 13. See That Animal
  14. 14. Stutter
  15. 15. Never Here
  16. 16. Vaseline

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