laut.de-Kritik
"Ahahaaauuhau" - Lautmalerei mit Stock im Hintern.
Review von Julia KindelMenschen, die 'irgendwie alles' als Musikgeschmack angeben, hören gerne Hitradiogedudel. Böse Zungen behaupten, dass sie relativ niedrige Ansprüche stellen. Diese Menschen könnten die neue Platte von Eli Paperboy Reed lieben. Sogar das Magazin der Süddeutschen lobt: "Reed ist ein sehr guter Sänger."
Wenn man die Menschheit in gute Sänger und Leute, die lieber mal ruhig sein sollten, spalten mag, gehört Eli Reed in die Gruppe der guten Sänger. Da hat die Zeitung tatsächlich recht. Käme man jedoch von dieser ziemlich einfachen Kategorisierung ab, und unterteilte nicht viel weniger stumpf alle Menschen in sehr gute, gute, schlechte und absolut schlechte Sänger, würde Reed nicht mehr ganz so weit vorne landen.
Der schmalzbäckige Traum aller Schwiegeromis bemüht sich anscheinend sehr, gute Laune zu verbreiten und seine Soul-Vergangenheit in ein glitzerndes Pop-Gewand zu pressen. Das ergibt einen schmierigen Allerweltsanzug. "Nights Like This" biedert sich an und schreit förmlich: "Hab mich lieb, ich will gehört werden, komm schon, ich bin super toll und teuer produziert."
Verglichen mit seinem 2009er-Kracher, dem Cover von Motörheads "Ace Of Spades", erweckt Reeds neuester Erguss den Eindruck, sein Label hätte ihm in den letzten fünf Jahren dicke, fette, goldene Löffel mit triefendem Pop in den Mund geschoben. Was ist denn aus diesem großartigen Soul geworden, mit dem er super individuell, extrem spannend und kreativ auf sich aufmerksam machte? Mittlerweile klingt der Paperboy nach einer drögen Mischung aus Robbie Williams und Milky Chance, aber eben nur in doof.
Bei dem bunten Potpourri des schon einmal Dagewesenen darf natürlich das Gute-Laune-Pfeifen nicht fehlen ("Ain't Worth It"). Genau wie der spärliche Einsatz einer hüpfenden Hammondorgel mit Mitklatsch-Ambitionen ("Well, Alright Now"), ein technoides R'n'B-Tuten ("Woohoo"), Stadiongefühl mit harten Beats und krachiger Gitarre ("Pistol Shots") und eine traurige Ballade mit traurigem Klavier, die immer wütender wird, und letztlich zu dem Klischee-Schluss kommt, "stronger than before" zu sein. Naja, eigentlich lässt sich "Two Broken Hearts" nicht als richtige Ballade bezeichnen. Die fehlt auf dem Album. Ebenso die Spannung und so etwas wie Herzblut, oder Ecken und Kanten.
Man kann der Platte zugutehalten, dass sie auf einer langen Autobahnfahrt das monotone Rauschen mit "whoohoos" und "oh ohs" durchbricht und die Hörer zum Lachen bringt. Beispielsweise das zackige "ey ey oh oh" in "Nights Like This" oder das verträumte "oh oh oh" in "Lonely World". Zeilen wie "mhhhrrm mhrrrm oho ho" in "Shock To The System" und "oh oh oh oh oh oh" in "Not Even Once" stehen in Sachen Inbrünstigkeit "uh uuu uh uh uh" ("Well, Alright Now") oder "ahahaaauuhau ahahahauhau" ("Two Broken Hearts") in nichts nach.
Das schmissige "wohooo ohohohohohhh" in "Pistol Shot" wirkt dann jedoch leicht repetitiv. Abseits dieser Lautmalerei – Ernst Jandl hätte ihm sicher Unterrichtsstunden gegeben, würde er noch unter uns weilen – presst Eli Reed die Wörter so konzentriert heraus wie zuletzt Dave Grohl in seiner "Arms Wide Open"-Parodie. Der hatte jedoch eher den Schalk im Nacken, und nicht den berühmten Stock im Hintern.
Man kann zwar absolut belangloses Popgedudel produzieren, aber Eli Paperboy Reed übertreibt es auf allen Ebenen. In "Grown Up" bringt er die Essenz seines Albums sogar selbst auf den Punkt: "Shit is getting real now." Die Menschen, die 'irgendwie alles' als Musikgeschmack bezeichnen und "Nights Like This" lieben könnten, werden Eli Paperboy Reed letztendlich wahrscheinlich nie hören. Die Hitradios spielen seine Songs einfach nicht. Dabei singt er ganz gut. Und die Platte hört sich auch nicht schlecht an. Zumindest für Hörer, die relativ niedrige Ansprüche stellen.
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