laut.de-Kritik

Mit Orchester und Ondes Martenot aus dem Schatten von Ray Parker, jr.

Review von

"Who you gonna call?" Wer nach einem passenden Filmkomponisten suchte, beantwortete diese Frage über ein halbes Jahrhundert zumeist mit Elmer Bernstein. Vor allem in den 1960ern schuf Bernstein ikonische Scores, die bis heute nachhallen. Der klassische Western "Die glorreichen Sieben" gab sich noch einmal ungetrübt heldenhaft, bevor der Italowestern die Erzählung entmystifizierte. "Wer die Nachtigall stört" fing schmerzlich-schön kindliche Illusionen ein, die an der Realität zerbrechen. Und für "Gesprengte Ketten" orchestrierte er den Freiheitsdrang Steve McQueens im Kriegsgefangenenlager.

Im vierten Jahrzehnt trat der Dramen-Spezialist in seine Comedy-Periode ein. John Landis, ein Jugendfreund seines Sohnes Peter, zeigte ihm sein Werk "Animal House". "Ich möchte, dass du den Film vertonst, als wäre er ein Drama", wies er den Komponisten an, "ohne irgendeinen Bezug zu lustigen Geräuschen und lustiger Musik". Der Film avancierte in den Vereinigten Staaten zu einem der erfolgreichsten Werke des Jahres, und Bernstein biss sich im vermeintlich leichten Genre fest. Ein Jahr später komponierte er unter der Regie des späteren "Ghostbuster"-Regisseurs Ivan Reitman für "Metallballs".

Bernstein wirkte an "Blues Brothers" mit und steuerte die Soundtracks zu "Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug", "Ich glaub' mich knutscht ein Elch!" mit Bill Murray und Harold Ramis sowie "Die Glücksritter" mit Dan Aykroyd bei. Mit den Improvisationstalenten aus der Schule von "Saturday Night Live" setzte der seriöse Komponist einen Trend. "Wenn du lustige Szenen ernsthaft vertonst, sind sie viel lustiger", erläuterte er später dem Guardian. Reitman, der selbst Musik studiert hatte, engagierte ihn schließlich, um einen geerdeten Soundtrack für "Ghostbusters" beizusteuern.

Die Musik entstand gemeinsam mit dem Hollywood Studio Symphony Orchestra in Los Angeles. Bernstein kombinierte den wuchtigen Sound mit leichtfüßigen Jazz-Elementen und elektronischen Einflüssen. Neben einem Synthesizer Yamaha DX7 sticht vor allem die Ondes Martenot heraus, die vom Theremin aus "Der Tag, an dem die Erde stillstand" bis zu den Experimenten der Barrons an den Science-Fiction-Film der 1950er erinnert. Mit dem Instrument, das dem Prinzip des Theremins folgt, sich aber per Tastatur spielen lässt, fand er eine musikalische Entsprechung übersinnlicher Erscheinungen.

"Die Geistergeschichte musste gruselig klingen, aber nicht so gruselig, dass sie die gleichzeitig stattfindende Komödie überschattet", erklärte Sohn Peter Bernstein rückblickend in einem Essay die knifflige Herangehensweise, "In der Zwischenzeit mussten sowohl die Geistergeschichte als auch die Komödie mit der Liebesgeschichte koexistieren - und all das vor dem Hintergrund des bevorstehenden Weltuntergangs." Sein Vater drückte es in einem Guardian-Interview eine Spur lapidarer aus: "Es war wahrscheinlich einer der schwierigsten Jobs, die ich je machen musste."

Die Ghostbusters arbeiten zunächst als Professoren der Parapsychologie. Ray und Egon, gespielt von Dan Aykroyd und Harold Ramis, scheinen von paranormalen Phänomenen regelrecht beseelt zu sein. Als Antipode fungiert Bill Murray, dessen schelmischer Peter Venkman über das eigene Fachgebiet die Nase rümpft und sich gegenüber Probanden unverhohlen als Betrüger offenbart. Das verspielt hüpfende "Ghostbusters Theme" fängt vor allem den Humor des Letzteren ein, der selbst dann noch über die Spleens seiner verkopften Kollegen spottet, wenn er selbst Geistern begegnet.

Der Leichtigkeit des "Ghostbusters Theme" steht die bedeutungsvolle Mystik von "Library" gegenüber. Ein hohes Pfeifen empfängt das Logo von Columbia Records. Dramatische Streicher unterstreichen das Foreshadowing, als die Kamera erstmals dämonenhafte Steinskulpturen an einem New Yorker Hochhaus einfängt. Die zitternden Klänge der Ondes Martenot verkörpern das Übersinnliche, das eine ältere Bibliothekarin durch die verschlungenen Gänge einer Bücherei begleitet. "Library" nimmt Tempo auf und endet mit dem Angriff, was im Film im prominenten Titelsong von Ray Parker, jr. gipfelt.

Die Wissenschaftler bekommen Wind von der Sichtung. "Hello" schleicht mit ihnen scheu durch die Bibliothek. Die Streicher ziehen die Töne in die Länge, als das zähflüssige Ektoplasma von den Regalen tropft. Leise steigert sich die Spannung bis zur übernatürlichen Begegnung im flimmernden "Get Her!". Kaum ist den drei Spuk-Sachverständigen der Nachweis geglückt, streicht ihnen die Universität die Mittel für ihren "Populärschund". Doch Venkman äußert sogleich den pathetisch optimistischen "Plan", in die Privatwirtschaft zu wechseln. Vorausschauend schwärmt er von den "Lizenzrechten".

"Dana's Theme" etabliert Sigourney Weavers Figur Dana Barrett mit oasengleichen Klängen als Love Interest. Als ihre Einkäufe zu minimalistischen Elektrosounds von "Fridge And Sign" auf der Anrichte zu braten beginnen und der von seiner steinernen Hülle befreite Dämon im Kühlschrank auftaucht, sucht sie das frisch gegründete Hauptquartier der Ghostbusters auf. "Gewöhnlich erlebt man so ein Verhalten ja nicht in einem reputierlichen Haushaltsgerät", bemerkt Venkman trocken, dessen Interesse ohnehin deutlich mehr der Frau gilt, als ihrem eigentlichen Besuchsgrund.

Insbesondere aus der Apartment-Szene lässt sich herauslesen, wie Elmer Bernstein die Komik antreibt, indem er sich abwechselnd mit den Charakteren emotional verbündet. Konstant bleibt das Übersinnliche präsent, als Dana mit Peter ihre Wohnung untersucht. Ihre Sorgen verbinden sich mit der subkutanen Spannung, die "Dana's Apartment" zerstäubt, aber Murray mit seinen flapsigen Kommentaren unterläuft. Schließlich bemüht er sich, mit ihr anzubandeln. Nun gibt sich das feinfühlige "Same Problem" als Advokat des Geisterjägers, was die entnervte Dana mit barscher Zurückweisung torpediert.

Wenn sie sich später zu einer Verabredung mit Peter Venkman durchringt, echot das romantische Stück "Dana's Theme" im triumphierenden Walzer "I Respect You" wider. Doch zum ersehnten Rendezvous kommt es vorerst nicht. In einer durchaus effektiven Szene donnert erneut der wuchtige Horror aus "Attack", zu dem der Dämon die Angebetete entführt. Und auch ihren verschrobenen Nachbarn Louis erwischt es nach einer irrwitzigen Verfolgungsjagd ("Who Brought The Dog"). Fortan sind beide besessen und dienen als 'Torwächter' und 'Schlüsselmeister' dem sumerischen Gott Gozer.

Die Apokalypse kündigt sich mit einer Massenflucht gefangener Geister aus der "Lagereinrichtung" an. Bernsteins ursprünglich vorgesehene Musik ersetzten die Verantwortlichen durch das eher harmlose "Magic" von Mick Smiley. Und auch wenn die mittlerweile zu viert agierenden Geisterjäger mit Polizeieskorte zum Brennpunkt fahren, herrscht mit "Savin' The Day" der Alessi Brothers belanglos klingender Optimismus. Der Komponist kämpft gegen diesen popkulturellen Eingriff regelrecht an, indem er mit dem gewaltigen "Earthquake" Straßen und Soundanlagen erzittern lässt.

"Stairwell" schwankt zwischen der Spannung auf dem Dach, wo Torwächter und Schlüsselmeister warten, und der Schwerfälligkeit, mit der sich das Quartett Stockwerk um Stockwerk durch das Treppenhaus kämpft. Den Endkampf gegen "Gozer" und dem "Vernichter" Marshmallow-Mann leitet das Orchester noch mal in voller Intensität ein. Die Ghostbusters retten die Stadt und Venkman erobert Dana. Dazu passend vereint Bernstein zum "Finish" die Romantik von "Dana's Theme" mit der Sorglosigkeit des "Ghostbusters Theme", bevor Ray Parker, jr. den musikalischen Rausschmeißer gibt.

Elmer Bernsteins Filmmusik verblieb lange Zeit im Schatten dieses Titelsongs. Bei der Oscar-Verleihung 1985 stand Ray Parker, jr. im musikalischen Fokus. Und auch der Soundtrack strotze vor Pop-Songs, woran der Komponist durchaus zu knabbern hatte. Mit einem Hit wie "Ghostbusters" ließe sich zwar nur schwer argumentieren, erzählt er CinemaScore, doch "Magic" etwa habe "dem Film überhaupt nicht geholfen". Vor allem dem zuständigen Label Arista gab er eine Mitschuld: "Sie haben alle ihre Acts auf das Album gepackt, weil sie ihre Acts verkaufen wollen." Er selbst habe nicht dazugehört.

Die Geringschätzung gegenüber dem Score drückte sich auch darin aus, dass einige Stücke zugunsten von populärer Musik aus dem Film gestrichen wurden und es über 20 Jahre dauerte, bis sich Bernsteins Arbeit in Gänze erwerben ließ. "Als ich gebeten wurde, die Fortsetzung von 'Ghostbusters' zu machen, wusste ich, dass es Zeit war, zu gehen. Ich beschloss, keine Komödien mehr zu machen", gab er gegenüber dem britischen Guardian zu Protokoll. Das hochdekorierte Drama "Mein linker Fuß" mit Daniel Day-Lewis habe ihn "aus der Comedy-Welt in die reale Welt geholt".

Trotz allem blieb seine Musik dem erfolgreichen Franchise erhalten. Für "Ghostbusters: Afterlife" verließ sich Komponist Rob Simonsen 2021 weitgehend auf die Kraft des Originals und variierte das verstorbene Vorbild. Selbst die ausgebildete Ondistin Cynthia Millar griff erneut in die Tasten. Elmer Bernstein sei "ein absolutes Genie, das aus einer Mischung aus klassischer Musik und Jazz" gekommen sei, erklärte Jason Reitman, Regisseur des Legacy-Sequels. Sein Ziel sei es gewesen, die "ganze Originalmusik zu verwenden", denn - rhetorisch gefragt - "was wäre 'Star Wars' ohne John Williams?"

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Ghostbusters Theme
  2. 2. Library
  3. 3. Venkman
  4. 4. Hello
  5. 5. The Best One In Your Row
  6. 6. Get Her!
  7. 7. Plan
  8. 8. Dana's Theme
  9. 9. Fridge And Sign
  10. 10. Attack
  11. 11. Client
  12. 12. Dana's Apartment
  13. 13. Same Problem
  14. 14. We Got One
  15. 15. Zuul Part 1
  16. 16. Meeting 1
  17. 17. I Respect You
  18. 18. Who Brought The Dog
  19. 19. Zuul Part 2
  20. 20. Steel Drum
  21. 21. Cross Rip
  22. 22. News
  23. 23. Judgment Day
  24. 24. Mistake
  25. 25. Halls
  26. 26. Ballroom
  27. 27. Trap
  28. 28. Meeting 2
  29. 29. Earthquake
  30. 30. Stairwell
  31. 31. Gozer
  32. 32. Let's Go
  33. 33. We're Going To Save The World
  34. 34. Mr. Stay Puft
  35. 35. Final Battle
  36. 36. Finish
  37. 37. Zuul (Album Version)

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1 Kommentar mit einer Antwort

  • Vor einem Jahr

    "... doch 'Magic' etwa habe 'dem Film überhaupt nicht geholfen'."

    Ich fand die "Magic"-Szene inklusive des Songs hingegen damals voll super und habe sie auf Video bestimmt hundert Mal zurück gespult und nochmal angesehen. Das wäre ohne "Magic" wahrscheinlich nicht geschehen.

    • Vor einem Jahr

      Ich kann beide Sichtweisen nachvollziehen. Früher habe ich es genauso wie du empfunden. Habe mir die "Magic"-Szene ähnlich oft angesehen. Mit Abstand und nüchternem Blick verspielen sie aber tatsächlich bedrohliches Potenzial. Denn eigentlich soll ja der Untergang eingeläutet werden.