laut.de-Kritik
Rockiger Auftritt mit Emmylou Harris als special guest.
Review von Giuliano Benassi"Zeit ist ein dehnbarer Begriff, wenn es um Musik geht. Das ist das Gute daran. Die Vorstellung, Musik sei nur für Jugendliche da, ist bescheuert. Musik ist für jeden da, der welche machen will. Nur Leute von Plattenfirmen haben diese dumme Vorstellung, dass Musik lediglich für Jugendliche ist", erzählt Elvis Costello auf dem Rücksitz eines Ford Thunderbirds Baujahr 1955, während er durch Memphis cruist. Gesagt, getan: Stunden später steht er auf der Bühne und lässt den Rock'n'Roller in sich aufleben.
"Club Date" heißt eine Reihe des Labels Eagle Rock, das bekannte Künstler in einer intimen Atmosphäre vorstellt. Den Anfang macht Costellos Konzert im Hi Tone-Club in Memphis. Bei zwei Auftritten am 17. September 2004 waren weniger als 500 Zuschauer zugange, die sich den engen Raum mit einem gewaltigen Haufen an Aufnahmegeräten und Kameras teilen mussten. Was der Stimmung aber keinen Abbruch tut.
Wer ruhigere Töne à la "North" erwartet, bleibt enttäuscht. Mit "Waiting For The End Of The World", "Radio Radio" und "Mystery Dance" stürzt sich Costello gleich in eine raue Vorstellung seiner allerersten Stücke aus der zweiten Hälfte der 70er Jahre. Die Erkenntnis: Obwohl die Wut von damals verflogen ist, kann er immer noch laut und wuchtig spielen. Was auch daran liegt, dass Schlagzeuger Pete Thomas und Keyboarder Steve Nieve damals schon mit dabei waren, als sie noch The Attractions hießen. Die Line-Up komplettiert Bassist Davey Farragher.
Der Schwerpunkt liegt auf dem im Herbst 2004 veröffentlichten Album "The Delivery Man", das mit zehn Stücken vertreten ist. Dazwischen drängeln sich eher selten gespielte Lieder wie "Blue Chair" und "High Fidelity", bevor es zum Schluss zum Best-Of Feuerwerk kommt: "Peace Love And Understanding", "Pump It Up" und vor allem "Alison", das nahtlos in Elvis Presleys "Suspicious Minds" übergeht. Eine Hommage, die angesichts des Austragungsorts und Costellos Künstlernamen unabdingbar scheint.
Den Schwerpunkt auf das neue Album zu setzen ist verständlich, zumal es in der Umgebung von Memphis entstand. Die Tracklist schmälert aber ebenso die "Zeitlosigkeit" der DVD wie die Anspannung Costellos, der mehr brüllt als singt und die Arrangements mit seiner lauten Gitarre viel zu sehr dominiert. Zwar versucht er ab und zu, etwas zu erzählen, verhaspelt sich aber zu oft, als dass etwas Sinnvolles heraus käme. Irgendwie scheint er sich nicht richtig wohl zu fühlen. Handelt es sich vielleicht um Lampenfieber?
Als die Grande Dame des Country, Emmylou Harris, die Bühne betritt, ist Costello plötzlich zahm wie ein Lamm. "Heart Shaped Bruise" aus "Delivery Man" geht ebenso unter die Haut wie die gemeinsamen Versionen von Johnny Cashs "I Still Miss Someone" und Gram Parsons' "Wheels". Harris ist nur theoretisch die Gastsängerin, die den Hauptact unterstützt. Eher scheint es andersrum, was dem Konzert zu seinen besten Momenten verhilft.
Dem Umstand, dass es sich um einen Mitschnitt zweier Konzerte handelt, ist es wohl zu verdanken, dass zwei weitere Duette nur als Bonus Songs enthalten sind, "My Baby's Gone" der Louvin Brothers und das eigene "Sleepless Nights". Eine Entscheidung, die unglücklich wirkt, angesichts der Qualität der Zusammenarbeit.
"Live In Memphis" ist letztendlich eine DVD, die sich eher für den Fan als den Costello-Neuling eignet. Als Zugabe gibt es eine knapp einstündige Dokumentation, in der Costello mit Schlagzeuger Thomas durch Memphis und Umgebung fährt und aus dem Nähkästchen plaudert. Der Zuschauer darf miterleben, wie sich der britische Musiker eine Gitarre für 150 US$ und einen Anzug für den Auftritt kauft. An sich nur mäßig interessant, dafür zeigt sich Costello von seiner fröhlichen Seite. So angespannt er auf der Bühne wirkt, so locker gibt er sich hier.
Noch keine Kommentare