laut.de-Kritik
Eine Symbiose aus Elektronik, Naturklang, Improvisation und Komposition.
Review von Kai KoppAstrein, was Johannes Enders da auf die Beine stellt. Eine Idee mit grandioser klanglicher Wirkung, Gastmusiker vom Feinsten und ein Arsch voller erstaunlicher Kompositionen abendländischer Identität zeichnen Enders "Dome" aus. Was hat es damit auf sich?
Enders verfrachtet seine Mitmusiker in die romanische Kirche St. Michael im bayrischen Altenstadt und stellt ihnen genügend physikalischen und musikalischen Raum zur Verfügung, um sich zu entfalten. Dieses Material schleppt er ins Studio und verbindet den sakralen mit dem technischen Raum. Was klanglich in einem Studio möglich ist, ist eine Sache. Was in einer Kirche möglich ist, eine ganz andere. Was geschieht, wenn sich beide Welten begegnen, enthüllt "Dome".
"Jene alte romanische Basilika in der Nähe von Schonau ist völlig schmucklos. Ich wollte diesen Raum schon immer ausloten. Mit John Hollenbeck und ein paar anderen Leuten im Hinterkopf habe ich Stücke geschrieben, die wir dann in zwei Sessions aufnahmen. Viele Tracks habe ich im Nachhinein bearbeitet. Diese Sounds aus der Kirche brachten mich auf so viele Ideen, dass ich es schade gefunden hätte, nicht auch diesen anderen Raum zu öffnen."
Eine ausufernde Akustik mit grandiosem Naturhall ermöglicht zwar einiges, schränkt aber gleichzeitig auch ein. Musikalische Exzesse würden in so einer Atmosphäre zu kakophonen Gewittern verkommen. "Die Ekstase wohnt in den Zwischenräumen", verrät Johannes Enders. Und irgendwo auf ihrer Reise durch technische-, sakrale- und Zwischenräume verschmelzen die Naturaufnahmen und Studioapplikationen zu einer organischen Einheit. Enders ist ein Kleinod zwischen Jazz, Ambient, Electro, Avantgarde und kontemplativer Schönheit gelungen.
Nicht umsonst wird "Dome" als eine Aufforderung zum Innehalten bezeichnet. Das Album dehne die Zeit wird behauptet, wofür Enders nur eine Erklärung hat: "Beim Komponieren besann ich mich auf meine abendländische Identität. Da spielen Kirchenräume eine prägende Rolle und meine Spiritualität ist mir ein wichtiges Gut." Wer jedoch sakrale Musik erwartet, hat sich gründlich geschnitten. Eher schon eine perfekte Symbiose aus Elektronik und Naturklang, Improvisation und Komposition, Geistlichem und Weltlichem.
Unterstützung erhält Enders von seinem langjährigen Weggefährten Ulrich Wangenheim an der Bassklarinette, John Hollenbeck (Drums) und dem Trompetenstar Nils Petter Molvaer. Besonderes Augenmerk gebührt in der Besetzungsliste dem Organisten Ralf Schmidt und dem in München lebenden Tombak-Spieler Saam Schlamminger. Beide tragen mit dem Klang ihrer Instrumente einiges dazu bei, das auditive Erlebnis mit seiner "Affinität zu Meditation und Askese", wie es in den Labelinfos so schön heißt, zu intensivieren.
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