laut.de-Kritik
Eine Ode an die Sinnlichkeit der Musik.
Review von Ulf KubankeWeltrekord! Nur acht Wochen nach ihrem grandiosen Wurf "Someday World" schießt das Traumduo Eno & Hyde lässig eine zweite reguläre LP aus der Hüfte. "High Life" setzt den eingeschlagenen Weg innovativ fort. Was der Musikindustrie wie ein kommerzieller Suizid vorkommt, ist beiden kompromisslosen Künstlern eine Selbstverständlichkeit. Brian Eno dazu: "Als 'Someday World' fertig war, fühlte ich, dass wir noch voll in Schwung waren. Wir waren nicht bereit, die Arbeit einfach zu stoppen und auf 'Promotion-Modus' umzuschalten. Also haben wir sofort mit einem neuen Album angefangen."
Die Mannschaft ist nahezu identisch. Doch der Ansatz baut dieses Mal mehr auf Improvisation. "Ich hatte eine große Kollektion mit Anfängen und Skizzen. Die lagen herum und erwarteten Karl, um sie als Songs zum Leben zu erwecken, damit sie mehr sind als bloße Experimente." Der Clou: Als musikalisches Blind Date formt Hyde jeden Ansatz spontan nach dem ersten Hören.
Kein leichter, aber ein sehr erfüllender Job für Mr Underworld. "Als wäre man wieder neun Jahre. Keine Ahnung, was man da in den Händen hält und dann kommen Brians ungewöhnliche Klangmuster aus den Boxen. Wir lieben beide afrikanische Rhythmen. Es war wie: Oh, mein Gott, hier bin ich zu Hause; sofort her mit der Gitarre!"
In der Tat hat die Gitarre diesmal einen deutlich größeren Part inne. Sehr ästhetisch und vielseitig betten beide den Sechssaiter in ihre polyrhythmische Orgie ein. "DBF" und "Moulded" sind lupenreine Funk-Noise Bastarde. Beide Lieder erschaffen einen schwitzend wuchernden Dschungel, der jedem Freund des 70er Miles Davis ein gefundenes Fressen bieten dürfte. So würde "Bitches Brew" anno 2014 klingen: Anmut und Krach in einem!
Ganz anders der elegante Opener "Return". Zu in The Edge-Manier angeschlagener Gitarre streut Hyde eine ätherisch gleißende Gesangsmelodie über den schönen Song, wie eine Kanne akustischen Lichtes. Ohnehin nehmen sich die beiden viel Zeit, ihre Ideen im jeweiligen Track erst Stück für Stück zu entblättern. Entsprechend lang (7-10 min) sind die meisten Tracks. Ihre Komplexität stört die Konsumierbarkeit dabei zum Glück nicht. Wie Treibsand ziehen sie den Hörer in ihren verzückenden Bann.
Mitunter erinnert "High Life" ein wenig an Enos End-70er Zusammenarbeit mit den Talking Heads, als er David Byrne die Wonnen der Polyrhythmik nahe brachte ("Lilac"). Zur Krönung gibt es mit "Cells & Bells" eine majestätische Flächenkomposition mit sich perfekt einfügenden Schamanenvocals von Hyde. Ein Lied wie eine Messe. Die hinzu tretende Samtstimme Darla Enos macht den Sack dann endgültig zu. So gelingt Eno % Hyde mit ihren Zweitling zwischen Toben und Stille eine erneut wunderschöne Ode an die Sinnlichkeit der Musik.
5 Kommentare
das album ist nicht so gut, wie es hier beschrieben wird. viele längen und auch produktionstechnisch wäre mehr möglich gewesen. manchen tracks hätten auch drei minuten weniger spielzeit nicht schlecht zu gesicht gestanden.
Einfach schnell etwas nachgeschoben bzw. die Reste von den alten Aufnahmen verwertet. In Punkto Ideenverwertung von Anderen macht sowieso keiner Eno etwas vor. Denn in den 70er hat er mit Moebius und Roedelius mehrere Sessions zusammen gemacht. Die genannten haben Ambient erfunden, Eno hat es nur geklaut und seine Popularität benutzt.
Soso, Cluster haben also Ambient "erfunden". Toll. Da hat der Doc ja wohl einiges verpasst, denn u.a. die Sachen mit Fripp waren vor Clusters Zeit....
ach ja, ich finde Virpi hat recht. Aber beide haben schon weniger hörenswertes veröffentlicht. Ist doch schön geworden......
"High Life" schlägt "Someday World" um Längen und verdient nur deshalb nicht die vollen 5 Sterne, weil es zum Schluß (letzte Seite des Doppelvinyls) ein wenig ab- bzw. in "Someday World" - Gefilde zurückfällt.