laut.de-Kritik
Die Briten treiben das kontrollierte Chaos auf die Spitze.
Review von Kai ButterweckIm kunterbunten Crossover-Universum, dort wo sich Bands und Künstler abseits des Mainstreams austoben, zünden Enter Shikari nun schon seit 20 Jahren mit die größten Sound-Raketen. Was einst Mitte der Nullerjahre sehr Hardcore-lastig begann, lässt sich heute so gar nicht mehr einordnen.
Die Mannen um Band-Aushängeschild und Sänger Roughton "Rou" Reynolds drehen auch auf ihrem neuen Studiowerk komplett am Rad. Erlaubt ist, was Spaß macht und Grenzen überwindet – und irgendwie macht auf "A Kiss For The Whole World" beinahe alles Spaß. Als Hörer braucht man schon nach den beiden fulminanten Einsteigern ("A Kiss For The Whole World", "(PLS) Set Me On Fire") eine kurze Auszeit, um all die verschiedenen Eindrücke zu verarbeiten.
Es geht hoch und runter, mal wird es laut, dann kehrt wieder Ruhe ein. Rock, Pop, Metal, Indie-Sounds und die hibbeligsten Elektro-Einschübe: Enter Shikari lassen wirklich nichts aus. Was musikalisch in einer Tour auf die Spitze getrieben wird, treibt auch Band-Chef Reynolds zu Höchstleistungen an. Der Sänger rappt, keift, schreit und singt, als gäbe es kein Morgen.
Das Schöne ist, dass die Band, trotz all der vielen Richtungswechsel nie ihre Bodenhaftung verliert. So entsteht ein kontrolliertes Chaos, das spätestens im Refrain des hypnotisierenden "Dead Wood" auch all jene mit ins Boot holt, die eher auf gängige Harmoniestrukturen stehen. Was eben noch nach The Prodigy klang ("Feed Your Soul", "Bloodshot") erinnert nun an herzzerreißende Glanztaten aus dem Hause Biffy Clyro.
Das wummernde "Goldfish" bringt jeden Club zum Beben. Auf "Jailbreak" vereinen Enter Shikari lupenreinen Synthie-Pop mit rockigen Indie-Klängen. Alles fiept, flirrt und scheppert. Zum Ende des Songs hin schmeißen die Briten alles in einen Topf. Peng! Der hat gesessen!
Der finale Doppelschlag ("Giant Pacific Octopus (I Don't Know You Anymore)", "Giant Pacific Octopus Swirling Off Into Infinity ...") nimmt den Hörer dann noch einmal mit auf eine Reise quer durch sämtlich Genre-Welten. Mit einem dynamischen Sound-Feuerwerk, bei dem die poppige Version von Rou Reynolds das vielleicht dickste Vocals-Ausrufezeichen des Albums setzt, bringen Enter Shikari den Himmel zum Leuchten. Augen zu und Ohren auf. Ganz groß!
3 Kommentare
Grandiose Band! Genre-Hopping war selten so kurzweilig.
Danke für die Erinnerung an den Bandnamen, der Nero-Remix von Juggernauts ist immer noch top! *wub-wub-wub*
https://www.youtube.com/watch?v=-iG_UCgCxPE
Es gibt auf dieser Welt keine mir bekannte Band, die es wie Enter Shikari schafft, sich ständig neu zu erfinden und trotzdem immer nach sich selbst klingt. Das ist fast schon beängstigend.
Natürlich hat das schon lange nichts mehr mit Metal und Hardcore zu tun. Und weiter? Hier ist eine Band, die sich komplett freigespielt hat von Erwartungen, Genregrenzen und vor allem von Vorhersehbarkeit.
"A Kiss For The Whole World" ist Kunst. Punkt. Und diese Band ist mittlerweile schlicht und ergreifend eine der kreativsten, unvorhersehbarsten, freisten Bands der Welt. Ganz großartig.