laut.de-Kritik
Die perfekte Symbiose zweier ungleicher Partner.
Review von Ulf KubankeMake Art, not War! Unter dieser griffigen Formel schließen sich Truffaz, sein bewährter Kollabo-Partner, der Elektrofuchs Murcof und Maler Enki Bilal zum multimedialen Trio zusammen. Der Serbe Bilal wirft ebenso gewaltige wie gewalttätige Bilder in die Runde. Murcof setzt alles unter Strom, und Trompeter Truffaz steuert die organische Wärme bei. Gemeinsam kreieren sie mit "Being Human Being" ein Fusion-Album, dessen Musik auch ohne den thematischen Überbau hervorragend funktioniert.
Nicht zum ersten Mal spielen sich der Mexikaner und der Franzose die Bälle zu. Unter anderem gab es bereits die hörenswerte Zusamenarbeit "Mexiko" (2008), auf der Fernando Corona - so Murcofs bürgerlicher Name - eindrucksvoll bewies, wie hervorragend seine elektrischen Klangwelten mit dem audiophilen Horn Erik Truffaz' harmonieren.
Mit dieser Platte perfektionieren beide ihre Symbiose. Gleichzeitig wirkt Truffaz durch die Soundscapes seines Partners mehr denn je wie ein etwas südländischer klingender Bruder des gleichaltrigen Nils Petter Molvaer ("Baboon Moon","1/1").
Die Platte startet verhalten. "Origin Of The World" ist ein Stilleben bleierner Melancholie, aus deren toter Schale sich die Trompete als letztes Zeichen zaghafter Lebendigkeit schält. Kurz darauf pluckert Murcof etwas deutlicher ins gemeinsame Szenario ("Warhole"). Erinnerungen an Molvaers "Khmer" und "Solid Ether" kommen auf. Truffaz ist jedoch keine Copycat sondern ein ganz eigenes Tier. Allein schon die von Murcof eingewebten Pianotupfer im Stromkreis zeigen das Händchen Nuancen.
Über allem schwebt der Geist von Miles Davis. Sowohl in den balladesken Momenten als auch in den avantgardistischeren Anklängen hört man stets den Nachhall vom Prince Of Darkness heraus. Sogar dessen von Hendrix inspirierte Idee des 70er Miles, sein elektrisch verstärktes Instrument wie eine E-Gitarre jaulen zu lassen, greift der Franzose gelegentlich auf ("Chaos", "And Nina").
Dabei entgeht Truffaz durch die eigene sinnliche Note der Gefahr, zum öden Musterschüler zu verkommen. Es ist eher Fortführung und Weiterentwicklung der stilistischen Tradition. Alles dient dem Song und dessen Gefühlsausdruck. Murcof tut es ihm gleich. Mal nutzt er die Errungenschaften der Berliner Schule (Tangerine Dream, Klaus Schulze), dann jene der Minimal Music (Steve Reich, Phillipp Glass). Dazwischen streut er zum Kontrast perkussives Gedengel und eine nahezu statische Traurigkeit, die etwas an die Popol Vuh-Musik der Werner Herzog-Soundtracks erinnert.
Zusammen genommen ergibt dieses gemeinsame Konzept auf "Being Human Being" eine filigran ineinander verschachtelte Achterbahn der Gefühle zwischen angedeutetem Uplifter ("Human Being") und nocturnaler Melancholie, die dem Hörer eine genießerisch zerrende Reise ins eigene Unterbewusstsein ermöglicht. Die extrem subtile Detailfreude der beiden ungleichen Partner funktioniert dabei vor allem deshalb so gut, weil sie die Stärken des anderen vortrefflich unterstreichen.
So gelingt dem Duo aus der Inspiration von Bilals Bildern ein besonders intensives Album zwischen Alb und Traum, dass sich trotz seiner fließend elektrischen Natur nicht zum Hintergrundgedudel degradieren lässt. Weiterhören mit Truffaz' fröhlicherem "Bending New Corners" (1999) und Miles Davis ewiger Überballade "Generique" ("Ascenseur Pour L'échafaud", 1958).
2 Kommentare
Eric Truffaz ist einer der ganz Großen! Big Up!
ja, das finde ich auch.