laut.de-Kritik
Deutschraps Mulan setzt ein gewichtiges Zeichen.
Review von Dominik Lippe"Klar hab' ich Verstand, aber geht's um Musik, dann kommt diese direkt aus dem Bauch." Zweifellos hängt die Vorliebe weiter Teile der Hip Hop-Szene sowie der Ultras rund um das "Kobra Militär" für Eunique in erster Linie mit der Strahlkraft der Rapperin zusammen. Davon zeugt der Ohrwurm-Hit "Genau So" ebenso wie die Hamburg-Hymne "040". Dabei kommen die zu wuchtigen Trap-Produktionen kredenzten Inhalte nicht zu kurz. Mit ihrem Debütalbum "Gift" befindet sich Eunique gleich auf mehreren Missionen.
Da wäre zum einen ihr erbitterter Aufstiegswille, den sie exemplarisch in "Hassliebe" ausbreitet. Euniques Kampf "nur für irgendeine Chance" basiert dabei durchaus auf einer neoliberalen Grundhaltung: "Ich hab' Blut an den Händen, kam ins Game über Leichen, um den Schwestern zu beweisen: Willst du essen, musst du reißen." Um im olexeshen Sinne die Batzen stapeln zu können, bedarf es jeder Menge Disziplin. In "Lila" findet sie eine stilistisch entsprechende Form für ihre soldatische Strenge, wenn sie im Rhythmus einer militärischen Kapelle "Kobra Militär" skandiert.
Als inhaltlich überaus passendes Bild erweist sich "Mulan", die "Kriegerin unter 1.000 Kriegern". In der Disney-Verfilmung imitiert Mulan in einem System mit restriktiv zugeschriebenen Geschlechterrollen männliche Verhaltensweisen, um sich verbotenerweise anstelle ihres Vaters der chinesischen Armee anzuschließen. Unschwer lässt sich die Parallele zu Euniques Rolle erkennen, die im männerdominierten, konservativen Rap-Genre auch nicht damit rechnen darf, mit Samthandschuhen angefasst zu werden.
Doch zwischen der durchsetzungsstarken Fassade blitzt immer wieder Sensibilität auf: "Bin zwar auf Action, doch sehn' mich nach Liebe." Interessanterweise unterstützt der dauerpräsente Autotune-Einsatz die vermittelte Empfindsamkeit des schwebenden Vortrags der "Perle aus Hamburg", wohingegen die enorme Künstlichkeit der stimmenverzerrender Software auf den Alben ihrer Kollegen eher Distanz erzeugt. Abgesehen davon bedarf es bei Eunique auch nicht der Vertuschung fehlenden Talents.
"Veränder' die Perspektive", fordert Eunique an "Mulan" anknüpfend in "Auf Dein Nacken" dazu auf, geschlechtsspezifische Verhaltensweisen zu hinterfragen. Männern, denen sie beibrachte "wie man Augenbrauen zupft", oder Frauen, die sich aus Angst stigmatisiert zu werden, nicht ausleben, entgegnet die Hamburgerin: "Sei doch einfach du selbst, hast du drüber mal nachgedacht?" Demonstrativ zur Schau gestellte Männlichkeit enttarnt sie auch im folgenden Song als "Bluff": "Warum machen Boys auf hart, Digger? Sagen, wenn was ist, ruf an später? Massenschlägereien und du nicht da. Hast dein Handy nicht gehört, ist klar!"
Bei allen sich durchziehenden genderbezogenen Fragestellungen erscheint es um so merkwürdiger, dass sich Eunique auf eine erneute Zusammenarbeit mit Youtuber Mert eingelassen hat, der bekanntlich genau zu wissen vorgibt, wie sich ein Mann zu verhalten hat. Zudem offenbart der er an der Seite der musikalisch aufgeschlossenen Hamburgerin eine rapverachtende Einstellung auf 18-Karat-Niveau ("Fick Rap, ich will nur das Cash, der Rest juckt nicht."). Generell bleibt der Mehrwert durch die Booth-Besucher überschaubar. Während Veysels Pop-Appeal zumindest mit Eunique harmoniert, bringt Xatar abgesehen von einem abgehakten Flow nur seine Glaubwürdigkeit mit.
Richtig fatal fällt der Beitrag Adel Tawils aus, mit dem sich Eunique kurz vor Feierabend noch an einer Radio-Single versucht. "Worte", die "ein Morgen kreieren" gehörten nie zu den Kernkompetenzen des Berliners, schwülstige Plattitüden dagegen schon: "Seien wir ehrlich: Es ist niemals zu spät, um aus Fehlern zu lernen. Die Frage ist, wann bleibt das Riesenrad stehen auf dem Weg zu den Sternen." 'Challenge accepted', scheint sich Eunique angesichts dessen gedacht zu haben und steigt fröhlich in die Phrasendrescherei ein: "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold."
Der neu entdeckte Hang zu abgegriffenen Redewendungen setzt sich auch im abschließenden Song "Risiko" fort. Nichtsdestotrotz erweist sich "Gift" als weitgehend gelungenes Debütalbum, das mit seiner Mixtur aus Charisma, Talent und Haltung einen Impact im Genre hinterlassen wird. Schon bald steht die jugendlich selbstbewusste, zumeist weibliche Zielgruppe Schlange, um den Fahneneid in Euniques Kobra Militär zu schwören: "Komm wir machen allen klar, dass wir Königinnen sind."
7 Kommentare
Die kann auf jeden Fall rappen. Leider sind die Beats eher Durchschnitt. Außerdem erzählt sie, zumindest auf den ersten sieben Tracks, überhaupt nichts Neues oder wenigstens eigenes.
Nur mal kurz in 040 reingehört. Kompletter Autotune-Fail. Für sowas brauche ich keine Sängerin, da langt der Computer.
Kann rappen die Frau, leider viel zu viel Autotune und austauschbare Beats.
Sind einige Hits drauf. Aber wie so oft fragt man sich, warum man das Album trotzdem auf 13+ Tracks aufblasen muss.
Ihr Vater war nebenbei Too Poetic, den sollte ja hier jeder kennen:
https://www.youtube.com/watch?v=gXWkksacWWI
https://www.youtube.com/watch?v=B2eDNo6PX6Y
Daher hoere ich's mir dann mal an, auf Frauen im Deutschrap kann ich ja sonst eigtl. nur scheissen. '040' geht schon mal ins Ohr.
Hier mal ein Beispiel wo das Marketing 1A ist aber das eigentliche Produkt, die Musik, einfach nur Müll ist! Viel zu viel Autotune! Und ausserdem einfach zu viel Autotune! Man hört sie gar nicht richtig. Echtheit gleich NULL! Einfach zu viel Autotune!
P.S.: Ein weiser Mann sagte einmal: "Ich bin cool mit Fufu! Du musst nicht Kentucky Fried Chicken representen" - Mach die Mathematik!