laut.de-Kritik
Freakshow für Weihnachts-Hasser.
Review von Steffen EggertDer November neigt sich dem Ende, das Jahr erst recht, es folgt das absolut Unvermeidliche: Weihnachten steht vor der Tür. Kritiker*innen dieser in so vielen Belangen anstrengenden Zeit monieren vor allem den "speculatio praecox", also das Feilbieten von vorwiegend zimtschwangerem Gebäck spätestens im August und die plötzliche Omnipräsenz eines gewissen 80s-Popstückchens. Dazu kommt, dass Mensch offenbar dazu neigt, im Schein von unzähligen LED-Lämpchen und künstlich güldenen Gebrimsel nach und nach den Ver- und Anstand zu verlieren.
Man mag es bereits ahnen, auch der Verfasser dieser Zeilen lässt kein gutes Haar an diesem pseudo-besinnlichen Parampampampam-Hokuspokus und würde sich lieber der winterlichen Hibernation hingeben. Es bleibt ein Traum, die Arbeit schafft sich nicht von selbst, Alben wollen rezensiert werden.
Auch Rammsteins Tastenmann Christian Lorenz, bekannt als Flake, findet Weihnachten scheiße und macht überhaupt keinen Hehl daraus. Der schlaksige Musiker wirkt grundsätzlich sehr ernst und auch etwas exzentrisch, von daher überrascht die Ankündigung, er wolle pünktlich zum Fest ein Konzeptalbum veröffentlichen, nicht wirklich. Und tatsächlich klingt "Flake Feiert Weihnachten" in weiten Teilen ganz genau so, wie man sich ein Weihnachtsalbum von Flake vorstellen würde.
Die meisten der Stücke interpretiert Flake selbst, an seinem Hauptinstrument sitzend mit einer sehr unaufgeregten, teils sonoren, teils bemüht harmonischen Stimme. Dabei klingen seine Versionen der zumeist allseits bekannten, klassischen Weihnachtsbanger häufig leicht angejazzt oder im Saloon des Weihnachtsmanndorfes am Polarkreis aufgenommen.
John Lennons "Happy Xmas (War Is Over)" etwa, das er in schauderhaftem Denglisch, halb zynisch lachend herunter betet, könnte auch von Blixa Bargelds durchgescheppertem Zwillingsbruder stammen. "Stille Nacht", bei dem Lorenz' Gattin Jenny Rosemeyer sich die Ehre gibt, schlägt in etwa in diese Kerbe, wobei die gepfiffene Grundmelodie im Hintergrund die Scheiben im Kaminzimmer von innen gefrieren lässt. Dazu kommen "Ihr Kinderlein, kommet", "Guten Abend, schön Abend" und vor allem das höllische "Weißer Winterwald" (Winter Wonderland), das zwischen Vocoder- und Flakes schönster Irrenstimme wechselt und klingt wie Kraftwerk auf sehr billigen Drogen.
Spannend liest sich die Gästeliste dieses schrulligen Machwerks, auf der beinahe nur Berliner Künstler*innen vertreten sind. Neben bekannten Urgesteinen wie Farin Urlaub mit seiner völlig überladenen, dankenswerterweise rein instrumentalen Version von "Süßer die Glocken nie klingen" oder Michal Rhein (In Extremo), der das entsprungene Ross mit seinem Geknarze sicher nicht mehr einfängt, sind auch weniger bekannte Acts vertreten. Die DDR-Punker von Tausend Tonnen Obst hauen eine ganz coole, groovige Version von "Leise rieselt der Schnee" raus, während die Sängerin Andrea Hüber-Rhone sich an "O Du Fröhliche" vergeht. Trotz sehr schöner, angenehm an Marianne Faithfull erinnernder Stimme ist die Akzentuierung kaum zu ertragen.
Wer darf auf einem Weihnachtsalbum nicht fehlen? Richtig, Rapkünstler. Icke & Er schlachten mit "Letzte Weihnacht" das unausweichliche Wham!-Stück, in dem sie es beinahe 1:1 ins Deutsche übersetzen, ihm einen breiten Berliner Akzent aufzwingen und allerlei Albernheiten dazwischen schieben. Zugegeben, man kann sich ein Schmunzeln kaum verkneifen. Ob man all das bei einem zweiten Durchlauf immer noch witzig findet, wissen die Engel. Käptn Peng erzählsingt inmitten bedrohlicher Gewittersounds vom "Schneeflöckchen". Psychedelischer wird es zum Glück nicht.
Man muss eine Lanze brechen für Knorkators Stumpen, der mit "Tausend Sterne sind ein Dom" das einzige vollwertige Lied am Start hat und darüber hinaus auch richtig gut singen kann. Diese Sterne sind das Highlight der Platte. Das vielleicht eigentlich als solches vorgesehene Duett "Fairytale Of New York", bei dem sich Joey Kelly und Doro die Bühne teilen, stellt leider als die mit Abstand größte Katastrophe in Flakes Freakshow dar. Sehr, sehr weit weg von der Magie des wunderschönen Originals, glattgebügelt, dünn und schlageresk aufgepusht. Die gute Frau Pesch singt wie immer hoch stabil, der irische Leistungssportler nicht.
"Flake Feiert Weihnachten" wurde für Menschen entworfen, die mit dem Fest gelinde gesagt nicht all zu viel anfangen können. Die Idee, einige wohl bekannte Evergreens möglichst innovativ neu zu intonieren, muss keine schlechte sein, wurde aber in den letzten Jahrzehnten bis zum Exzess ausgeschlachtet. Richtig schlecht wird es erst, wenn die Erträglichkeit auf der Strecke bleibt. Je nachdem, ob man nun Weihnachten oder doch eher sich selbst hasst, kann man dem Album vielleicht etwas abgewinnen. Musikalisch bleibt es eine echte Herausforderung.
8 Kommentare mit 6 Antworten
Ein Stern zuviel für diesen Haufen musikalische Scheiße.
Zwei Sterne zu viel.
Erhöhe auf eine Review zu viel.
Zwei aufs Maul zu wenig
Der Sir trifft den Nagel auf den Kopf.
… und keiner geht hin.
Ich mag Weihnachten und finde das Album gut. Nichts, was ständig laufen kann, aber kreativ ansprechend und angemehm hörbar genug, um es zu dieser Jahreszeit öfter mal laufen zu lassen.
Dieser Kommentar wurde wegen eines Verstoßes gegen die Hausordnung durch einen laut.de-Moderator entfernt.
Dieser Kommentar wurde wegen eines Verstoßes gegen die Hausordnung durch einen laut.de-Moderator entfernt.
1/5 SWR3 Weihnachtselche für diese Hund und seine Schmutzmucke.
Musik für Marilyndemann.
Was zur Hölle ist das denn.