laut.de-Kritik

Freakshow für Weihnachts-Hasser.

Review von

Der November neigt sich dem Ende, das Jahr erst recht, es folgt das absolut Unvermeidliche: Weihnachten steht vor der Tür. Kritiker*innen dieser in so vielen Belangen anstrengenden Zeit monieren vor allem den "speculatio praecox", also das Feilbieten von vorwiegend zimtschwangerem Gebäck spätestens im August und die plötzliche Omnipräsenz eines gewissen 80s-Popstückchens. Dazu kommt, dass Mensch offenbar dazu neigt, im Schein von unzähligen LED-Lämpchen und künstlich güldenen Gebrimsel nach und nach den Ver- und Anstand zu verlieren.

Man mag es bereits ahnen, auch der Verfasser dieser Zeilen lässt kein gutes Haar an diesem pseudo-besinnlichen Parampampampam-Hokuspokus und würde sich lieber der winterlichen Hibernation hingeben. Es bleibt ein Traum, die Arbeit schafft sich nicht von selbst, Alben wollen rezensiert werden.

Auch Rammsteins Tastenmann Christian Lorenz, bekannt als Flake, findet Weihnachten scheiße und macht überhaupt keinen Hehl daraus. Der schlaksige Musiker wirkt grundsätzlich sehr ernst und auch etwas exzentrisch, von daher überrascht die Ankündigung, er wolle pünktlich zum Fest ein Konzeptalbum veröffentlichen, nicht wirklich. Und tatsächlich klingt "Flake Feiert Weihnachten" in weiten Teilen ganz genau so, wie man sich ein Weihnachtsalbum von Flake vorstellen würde.

Die meisten der Stücke interpretiert Flake selbst, an seinem Hauptinstrument sitzend mit einer sehr unaufgeregten, teils sonoren, teils bemüht harmonischen Stimme. Dabei klingen seine Versionen der zumeist allseits bekannten, klassischen Weihnachtsbanger häufig leicht angejazzt oder im Saloon des Weihnachtsmanndorfes am Polarkreis aufgenommen.

John Lennons "Happy Xmas (War Is Over)" etwa, das er in schauderhaftem Denglisch, halb zynisch lachend herunter betet, könnte auch von Blixa Bargelds durchgescheppertem Zwillingsbruder stammen. "Stille Nacht", bei dem Lorenz' Gattin Jenny Rosemeyer sich die Ehre gibt, schlägt in etwa in diese Kerbe, wobei die gepfiffene Grundmelodie im Hintergrund die Scheiben im Kaminzimmer von innen gefrieren lässt. Dazu kommen "Ihr Kinderlein, kommet", "Guten Abend, schön Abend" und vor allem das höllische "Weißer Winterwald" (Winter Wonderland), das zwischen Vocoder- und Flakes schönster Irrenstimme wechselt und klingt wie Kraftwerk auf sehr billigen Drogen.

Spannend liest sich die Gästeliste dieses schrulligen Machwerks, auf der beinahe nur Berliner Künstler*innen vertreten sind. Neben bekannten Urgesteinen wie Farin Urlaub mit seiner völlig überladenen, dankenswerterweise rein instrumentalen Version von "Süßer die Glocken nie klingen" oder Michal Rhein (In Extremo), der das entsprungene Ross mit seinem Geknarze sicher nicht mehr einfängt, sind auch weniger bekannte Acts vertreten. Die DDR-Punker von Tausend Tonnen Obst hauen eine ganz coole, groovige Version von "Leise rieselt der Schnee" raus, während die Sängerin Andrea Hüber-Rhone sich an "O Du Fröhliche" vergeht. Trotz sehr schöner, angenehm an Marianne Faithfull erinnernder Stimme ist die Akzentuierung kaum zu ertragen.

Wer darf auf einem Weihnachtsalbum nicht fehlen? Richtig, Rapkünstler. Icke & Er schlachten mit "Letzte Weihnacht" das unausweichliche Wham!-Stück, in dem sie es beinahe 1:1 ins Deutsche übersetzen, ihm einen breiten Berliner Akzent aufzwingen und allerlei Albernheiten dazwischen schieben. Zugegeben, man kann sich ein Schmunzeln kaum verkneifen. Ob man all das bei einem zweiten Durchlauf immer noch witzig findet, wissen die Engel. Käptn Peng erzählsingt inmitten bedrohlicher Gewittersounds vom "Schneeflöckchen". Psychedelischer wird es zum Glück nicht.

Man muss eine Lanze brechen für Knorkators Stumpen, der mit "Tausend Sterne sind ein Dom" das einzige vollwertige Lied am Start hat und darüber hinaus auch richtig gut singen kann. Diese Sterne sind das Highlight der Platte. Das vielleicht eigentlich als solches vorgesehene Duett "Fairytale Of New York", bei dem sich Joey Kelly und Doro die Bühne teilen, stellt leider als die mit Abstand größte Katastrophe in Flakes Freakshow dar. Sehr, sehr weit weg von der Magie des wunderschönen Originals, glattgebügelt, dünn und schlageresk aufgepusht. Die gute Frau Pesch singt wie immer hoch stabil, der irische Leistungssportler nicht.

"Flake Feiert Weihnachten" wurde für Menschen entworfen, die mit dem Fest gelinde gesagt nicht all zu viel anfangen können. Die Idee, einige wohl bekannte Evergreens möglichst innovativ neu zu intonieren, muss keine schlechte sein, wurde aber in den letzten Jahrzehnten bis zum Exzess ausgeschlachtet. Richtig schlecht wird es erst, wenn die Erträglichkeit auf der Strecke bleibt. Je nachdem, ob man nun Weihnachten oder doch eher sich selbst hasst, kann man dem Album vielleicht etwas abgewinnen. Musikalisch bleibt es eine echte Herausforderung.

Trackliste

  1. 1. Happy Xmas (War Is Over)
  2. 2. Ihr Kinderlein, kommet
  3. 3. Letzte Weihnacht
  4. 4. Stille Nach, heilige Nacht
  5. 5. Süßer die Glocken nie klingen
  6. 6. Guten Abend, schön Abend
  7. 7. Schneeflöckchen Weißröckchen
  8. 8. Freu' Dich (Leise rieselt der Schnee)
  9. 9. Weißer Winterwald
  10. 10. Oh, es riecht gut
  11. 11. Tausend Sterne sind ein Dom
  12. 12. O Du Fröhliche
  13. 13. Feliz Navidad
  14. 14. Es ist ein Ros entsprungen
  15. 15. Alle Jahre wieder
  16. 16. Fairytale Of New York

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14 Kommentare mit 43 Antworten

  • Vor 9 Tagen

    also flake ist halt ein freak

    mein ranking der rammstein mitglieder

    1. paul landers (sympatischer typ)
    2. richard kruspe (die diva)
    3. doom schneider (der ehrbare)
    4. till lindemann (der verklärte träumer)
    5. flake (der freak)
    6. oli ridl (der bassermann)

    • Vor 9 Tagen

      seit ich "Till The End" gesehen habe kann ich dir nur zustimmen.. Till Lindemann ein verklärter Träumer... das zarte Reh unter den Poeten

    • Vor 9 Tagen

      Mein Ranking der Rammstein-Mitglieder

      1. Paul Landers (Mitläufer)
      1. Richard Kruspe (Mitläufer)
      1. Doom Schneider (Mitläufer)
      1. Oli Ridl (Mitläufer)
      2. Flake (Mitläufer & eigene Anschuldigungen)
      3. Till Lindemann (Sexualstraftäter mit Infrastruktur)

    • Vor 9 Tagen

      Dieser Kommentar wurde vor 9 Tagen durch den Autor entfernt.

    • Vor 9 Tagen

      Geht es bei diesen Ranking denn um die Musik, die Personen oder einen gewichteten Mittelwert?

      Ich denke das Rammstein ohne Lindemann nicht Rammstein und denkbar wären. Seine Stimme, sein künstlerisches Charisma und sein Ausdruck stechen trotz tausend Nachahmungen in der Szene einzigartig heraus. Ich bewerte hier ausdrücklich nur seine Rolle in der Musik.

      Aber auch Flakes Einfluss in den Liedern ist bestimmt größer als angenommen.

    • Vor 9 Tagen

      Bin grundsätzlich bei CoolerTyp, aber so ein Ranking ist toll:

      1. Paul Landers (ist allen egal)
      2. Richard Kruspe (Wäre gern Till Lindemann, hat aber nur dessen Ex-Frau geknallt)
      3. Doom Schneider (weint jeden Tag vorm Spiegel, nimmt das Geld aber dennoch)
      4. Oliver Riedel (wie Paul Landers, nur längere Beine).
      5. Flake (hat mal versucht wie Till Lindemann zu sein, ist nicht gut geendet).
      6. Till Lindemann (bohrt Löcher in seine Bücher und steckt seinen Penis durch. Hält das für Kunst)

    • Vor 9 Tagen

      Puh, da hätte ich früher, als ich mir noch eingeredet habe, das seien alles ganz dufte Typen, deutlich mehr Freude dran gehabt.

      Jetzt sieht es mit ziemlicher Schwermut doch eher so aus:

      1.
      2.
      3.
      4.
      5. Der restliche Haufen feiger, wegguckender und sich wegduckender Ficker ohne Rückgrat
      6. Der erbärmliche und menschlich höchst enttäuschende Lindeschwanz

    • Vor 9 Tagen

      1 - 5 Rückgratlose Opportunisten
      6 menschlicher Müll
      7 (die Fans) siehe 1-5 und 6

    • Vor 9 Tagen

      1. Hier kommt die Sonne
      2. Hier kommt die Sonne

    • Vor 9 Tagen

      Als Fan bin ich noch hinter menschlichem Müll plaziert? Das finde ich aber hart, ich glaub du würdest mich durchaus sympathisch finden, würdest du mich kennen...

    • Vor 8 Tagen

      "...Sexualstraftäter mit Infrastruktur.."

      Es gab Anschuldigungen, ergebnislose Ermittlungen, und sonst nix. Zu einer Straftat gehört eine Verurteilung. Oder eine Strafe.
      Und es war noch nichtmal von echten Straftaten die Rede, sondern von "Machtmißbrauch", was aber eben AUCH keine Straftat ist.
      Oh, und Backstage gabs Alkohol- das ist so schamlos wie erschreckend. Ich dachte, da würde sonst immer und bei allen anderen Musikern nur gebetet und meditiert.
      Sich seine Groupies nach dem Konzert nicht persönlich auszusuchen, ist sicher AUCH ein Novum in der Musikgeschichte. Sowas habe ich ja noch NIE gehört...über Leute, wie, sagen wir mal, Mick Jgger.
      Ein Blowjob wärend eines betimmten Teil des Konzerts? Schockierend! Da sollte es ein Gesetz geben...

    • Vor 8 Tagen

      Weil andere sowas "schon immer" gemacht haben, wird die Scheiße nicht besser. Solche Strukturen sind kein explizites Problem von Rammelstein, sondern allgemein der Unterhaltungsbranche. Hier ist es lediglich in einem besonders ekelhaften Fall zutage getreten.

    • Vor 8 Tagen

      ihr habt in einem punkt recht, nach recherchen (till the end) konnte ich feststellen dass lindemann kein "verklärter träumer" ist...

      ich kann es nur nicht glauben dass dieser lindemann der gleiche wie der lindemann ist den ich im "anakonda im netz" interview zu zeiten von "reise reise" gesehen habe.
      zu reise reise zeiten wirkte er eben wie ein schüchterner besonnener träumer.

      gab auch artikel wir harte schale weicher kern und das lindemann auf der bühne das harte alpha tier sei aber privat eher ruhig und zurückgezogen lebt. auch dass er schüchtern sei habe ich durchaus vernommen "er wollte mit der feuershow von sich ablenken" (frei zitiert)

      wie wollt ihr das ganze verstehen?
      hat lindemann uns was vorgespielt oder hat er sich so krass verändert????

    • Vor 8 Tagen

      In meiner Wahrnehmung hat alles mit dem Lindemann Soloprojekt angefangen -also 2015. Die sexuellen Inhalte der Texte, die schon immer da waren, aber früher mehr umschrieben wurden und als Ausdruck tiefster Abgründe von Begehren, Liebe und Lust waren, wurden dann immer platter, expliziter und imo auch einfach schlechter.
      Der erste Türöffner dieser Entwicklung war aber schon ein paar Jahre davor die unsägliche "Pussy" Single samt Video. Und so wurde Lindemann vom verschlossen wirkenden Träumer zum dauergeilen Rammelopa.

    • Vor 8 Tagen

      ja der widerspruch entsteht dadurch, dass rammstein früher sich als spiegel der gesellschaft gesehen hatten. und man das ganze als überspitzte auseinandersetzung mit den abgründen der gesellschaft interpretieren konnte.

      aber durch den jetzigen kontext bekommt man das gefühl, es ist mehr ernst gemeint als man dachte.

      könnte mir ja vorstellen dass till komplett größenwahnsinnig geworden ist, und meint sein ganzes leben wäre ein gesamtkunstwerk.

      was mir in jedem fall fehlt ist, dass flake sich klar davon distanziert.

      somit ist es auch seltsam dass ein moralapostel wie farin urlaub sich somit indirekt mit dem ganzen solidarisiert. farin urlaub ist kein idiot und er weis was er tut. normalerweise ist es auch sehr schwer mit farin überhaupt ein feature oder ähnliches zu bekommen. in der regel ist eher bela die mediensau

    • Vor 8 Tagen

      Ich verstehe den Sinn eines "Rankings" nicht, wenn kein Bezugspunkt/keine Eigenschaft/kein Attribut genannt wird. In dem Sinne hier mein Ranking der ganzen Zahlen von 1-10 (ohne die 5):
      4
      3
      9
      7
      1
      2
      10
      6
      8
      (Bei 9 und 7 habe ich lange überlegt, die würde ich ggf. platzierungsmäßig tauschen wollen)

    • Vor 8 Tagen

      wir bewerten die menschen generell.

      ist doch klar, wenn du ein ranking von alben machst, geht doch auch keiner davon aus dass du einzelne songs bewertest?

      dein ranking hingegen macht einfach keinen Sinn

    • Vor 8 Tagen

      Klar wie Trollbrühe. Freut mich für dich, dass der eine oder andere drauf anspringt - wie ich. Hier mein Ranking ("generelle Bewertung von Menschen", ohne Art. 1 und 3 Grundgesetz):
      1. Eva
      2. Adam
      3. Moses P
      4. Sänger von Genesis 1
      5. Ye
      6. Maria Magdalena aka Sandra
      7. honda citic
      8. GZUZ
      9. Rammstein
      10. Gott ist tot

    • Vor 8 Tagen

      Hier mein Ranking der bisherigen Rankings des Users verhuscht:

      2. Ganze Zahlen (Pointe an sich großartig, aber nutzt sich zu schnell ab)
      2. Menschen (Biblischer Bezug ftw und sehr nice durchgezogen, aber Rammstein)

      Da geht noch mehr, Brudi. Platz 1 bleibt frei.

    • Vor 8 Tagen

      Vielleicht konnte Farin noch kein Statement abgeben, weil er im Urlaub ist. Vielleicht ist aber auch Flake im Urlaub. Kann ja sein.

      seit dem ich diesen Kommentar lesen durfte bin ich Fan von "verhuscht"

      das ist "klar wie Trollbrühe"

      in diesem Sinne mein Laut.de User Ranking

      1. dein böser anwalt
      2. marsriegel
      3. sodhan
      4. yannik
      5. freddy
      6. skywise
      7. verhuscht
      8. firmi
      9. oomphie
      10. karl ess

    • Vor 8 Tagen

      Oomphie in den Top10, find ich verdient. Das Dero sich als fanatischer Jesusjünger herausgestellt hat war bestimmt nicht einfach für den oompher...

    • Vor 7 Tagen

      ich vermisse oomphie auch sehr. ich hoffe irgendwann kommt er auf laut.de und sieht wie sehr ihn alle vermissen und er meldet sich nochmal...

      ich mein man weiß ja nicht was bei ihm los ist. am ende ist irgendwas passiert.

      aber oopmphie war ein guter und hat trotz seiner langen abwesenheit noch einen platz in der top ten liste verdient.

      meine user hate liste dagegen ist:

      1. michael edele
      2. michael schuh
      3. yannik
      4. lautuser
      5. dr_mubasi
      6. jerome k
      7. Schwingster
      8. soulburn
      9. Dude1995
      10. Menschenfeind

  • Vor 8 Tagen

    Die CD bekommt Lindemann von seiner 14jährigen Freundin zu Weihnachten geschenkt.

  • Vor 7 Tagen

    Ich finde es gut, ich finde die Message gut, die Umsetzung gelungen, wenn auch nicht homogen gleich gut gelungen, die Videos zu Flakes Stücken sehr künstlerisch, voll schwarzen Humors und zum Nachdenken anregend - aber gut, letztlich ist es Geschmackssache.