laut.de-Kritik
Einzigartige Symbiose aus Jazz, Soul, Funk und Elektronik.
Review von Andreas Hierling"Welcome to a new Jazz era", könnte die Einleitung von Four Tets "DJ Kicks"-Album lauten und würde damit kaum zu viel versprechen, denn vor uns liegt eine bisher wohl einzigartige Symbiose aus moderner Sampletechnik, Jazz-Rhythmik und Einflüssen quasi aller zeitgenössischen Musikgenres. Wie von der Tarantel gestochen springt er dabei über Genregrenzen hinweg und mixt Soul, Funk, Hip Hop, Electronica und Breakbeats zu einem einheitlichen Stück DJ-Kunst.
Liest man die Tracklist, fällt es einem extrem schwer zu glauben, dass man von Syclops' vertrackt groovendem "Mom, The Video Broke" ohne Bruch in Curtis Mayfields "If I Were Only Child Again" übergehen kann. Doch der Meister überzeugt. Nicht ganz gelingt ihm dies zwar im folgenden Übergang auf Heiner Stadlers "Out-Rock", bei dem sich selbst Four Tet nur mit einem Fade-Out zu helfen weiß. Doch sei ihm dies verziehen, denn nach der Konfusion, die das Stück vermittelt, belohnt er uns mit einem satt groovenden "The Professor's Here" von Gary Davis.
Dieses Album ist eben Kopf- und Körpermusik. Wobei sich der Schwerpunkt im Verlauf der Platte mehr und mehr in Richtung Kopf zu verschieben scheint. Ist das Stück von Heldon anfangs noch durchaus tanzbar, zwingt Kieran Hebden potentielle Popowackler mit einer etwas übertriebenen "Stop & Go"-Einlage gegen Ende des Stücks zu den abgefahrendsten Figuren oder in einigen Fällen wohl auch zum Verlassen des Dancefloors. Die so Vertriebenen werden dann zwar mit aller Wahrscheinlichkeit zu Akufens "Psychometry 3.2" zurückkehren, jedoch mit dem folgenden Track von Animal Collective endgültig den Nachhauseweg antreten.
Ethno-Einflüsse offenbaren sich in Madvillains "Figaro", das erste eindeutige Hip Hop-Stück der Platte, bei dem auch der Rap nicht zu kurz kommt. Schnell weicht dieser jedoch einem chillig psychedelischen "Love, Love" von Julian Priester, der schon als Livemusiker mit Größen wie Herbie Hancock und John Coltrane auf der Bühne stand. Spätestens jetzt gewinnt man den Eindruck, es handele sich bei vorliegender Platte mehr um ein musikalisches Lehrstück, denn um Unterhaltung.
Mit "Pockets" folgt der erste und einzige Track, der aus der Feder des Meisters selbst stammt. Ein breakiges Stück, das über lange Strecken mit einem etwas zu eintönig geratenen Lead-Synthesizer aufwartet, im Hintergrund jedoch chillig-psychedelische Elemente von verträumter Schönheit bereithält. Im weiteren Verlauf verkopft sich der Meister jedoch und man wird wohl nur noch unter starkem Einfluss psychedelischer Rauschmittel weiterhin versuchen, die vertrackte Rhythmik in seinen Bewegungsabläufen abzubilden.
So bleibt am Ende blankes Staunen über die musikalischen Fertigkeiten des Kieran Hebden, zusammen mit einer vollkommenen Ungewissheit, was letztendlich mit dieser Platte anzufangen ist. Wer wie ich in einer WG mit musikalisch nicht allzu tolerant und offenen Mitbewohnern wohnt, dürfte das gute Stück jedenfalls nur über Kopfhörer genießen können, will er sich nicht permanent der Frage stellen, was dieser Mix denn darstellen solle und welche Irren wohl solch eine Musik hören.
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